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Brexit: Deal oder No Deal – Firmen wandern aus Großbritannien ab


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Abschied vom Brexit-Chaos
Deal oder No Deal: Firmen wandern aus Großbritannien ab

Von Sabrina Manthey

24.01.2019Lesedauer: 5 Min.
Der Brexit kommt: Am 29. März 2019 tritt das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union aus. Die Rechtsunsicherheit lässt viele Unternehmen über einen Umzug in die EU nachdenken.Vergrößern des Bildes
Der Brexit kommt: Am 29. März 2019 tritt das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union aus. Die Rechtsunsicherheit lässt viele Unternehmen über einen Umzug in die EU nachdenken. (Quelle: cranach/getty-images-bilder)
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Britische Unternehmen sind mehr und mehr in Sorge, dass Großbritannien ohne einen Deal aus der Europäischen Union ausscheidet. Wer noch nicht über eine Verlegung seines Firmensitzes nachgedacht hat, tut es jetzt.

Viel wurde den Brexit-Befürwortern versprochen. Große Firmen werden gar nicht in der Lage sein, ihre Firmensitze und Produktionsstätten zu verlegen, hieß es. Doch immer mehr Schwergewichte werden unruhig. Mehr als zwei Jahre nach dem Referendum gibt es keine Planungssicherheit für Unternehmen im britischen Königreich. Und das hat Folgen.

In vielen Firmen werden die Notfallpläne aus den Schubladen geholt. Es drohen Arbeitsplatzabbau, Produktionsverlagerungen und der Aufschub von Investitionen. Andere machen bereits Nägel mit Köpfen und wandern ab – der Brexodus kommt ins Rollen.

Airbus warnt vor ungeordnetem Austritt

Aktuell warnt der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus im Falle eines ungeordneten Brexit vor der Schließung von Produktionsstätten in Großbritannien. "Die britische Luft- und Raumfahrtindustrie steht nun am Abgrund. Der Brexit droht, ein Jahrhundert der Entwicklung auf der Grundlage von Bildung, Forschung und Humankapital zu zerstören", so Airbus-Chef Tom Enders. Airbus fertigt in Großbritannien die Tragflächen für fast alle seine Passagier- und Frachtflugzeuge. Nur der neue Airbus A220, den der Hersteller vom kanadischen Bombardier -Konzern übernommen hat, ist davon unabhängig. Bei einem ungeregelten Brexit muss Airbus um seine Lieferketten fürchten.

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Sony verlegt Hauptsitz nach Amsterdam

Sony hat seine Pläne bereits in die Realität umgesetzt und verlegt seinen europäischen Hauptsitz von London nach Amsterdam. Damit könne das Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb ohne Beeinträchtigung fortsetzen, wenn Großbritannien die Europäische Union verlasse, teilte eine Sony-Sprecherin mit. Die Abläufe im europäischen Geschäft des japanischen Elektronikherstellers blieben unverändert. Bereits im vergangenen August hatte Sonys Konkurrent Panasonic erklärt, seinen Europasitz aus Bracknell bei London nach Amsterdam zu verlegen.

TV-Sendern droht Verlust von Sendelizenzen

Unter besonderem Zugzwang stehen Medienunternehmen. Denn Sendelizenzen für TV-Signale oder Streamingdienste werden im Fall eines No-Deal-Brexit ungültig. Das bedeutet: Ohne gesonderte Vereinbarung dürfen die Sender ihr Angebot nicht weiter in den Ländern der Europäischen Union verbreiten. Wie der Mediendienst "DWDL" berichtet, seien davon mehrere hundert Unternehmen mit einer britischen Ofcom-Lizenz betroffen. Damit das Bild künftig nicht schwarz bleibt, müssen sie sich nach einem EU-Austritt Großbritanniens in einem anderen EU-Land lizenzieren lassen.

Neben Turner Broadcasting hat nun auch NBC Universal TV-Lizenzen bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BML) beantragt. Aber auch andere Sender- und Streamingdienste sind auf der Suche nach neuen Lizenzgebern – darunter Sony Pictures, Disney Channel, Turner TV, Discovery Channel, DAZN oder AXN, die künftig zum Teil aus den Niederlanden oder Irland senden wollen.

Luftfahrtunternehmen wollen britische Aktionäre loswerden

Flüge innerhalb der Europäischen Union dürfen nur Airlines anbieten, die mehrheitlich Eigentümern mit Sitz in der EU gehören. Das könnte nach einem ungeregelten Brexit für britische Fluglinien zum Problem werden. So befand sich der Billigflieger Easyjet Ende Dezember nach eigenen Angaben zu 49 Prozent in der Hand von Anteilseignern aus dem europäischen Wirtschaftsraum – ohne Großbritannien. Kommt es zu keinem Deal zwischen Großbritannien und der EU, erwägt Easyjet Stimmrechte britischer Eigner auszusetzen oder die Aktionäre gar zu zwingen, ihre Anteile an Eigentümer aus dem europäischen Wirtschaftsraum zu verkaufen. Eine Betriebserlaubnis in Österreich hat sich das Unternehmen bereits gesichert und 130 seiner 318 Airbus-Flugzeuge auf eine dort ansässige Tochtergesellschaft übertragen. Bis zum Brexit-Datum 29. März sollen auch die Lizenzen der Besatzungen übertragen werden.

Auch der irische Konkurrent Ryanair versucht bereits seit Wochen, einen Teil seiner britischen Aktionäre loszuwerden.

Automobilbranche fürchtet Turbulenzen

Im Fall eines harten Brexit hatte auch Jaguar Land Rover gedroht, die Insel zu verlassen. Der größte britische Autohersteller hatte bereits im April 2018 angekündigt, aufgrund sinkender Verkaufszahlen rund tausend Stellen zu streichen. Der Grund liegt in den rückläufigen Verkaufszahlen, die auf die gesunkene Kaufkraft der Briten zurückgeht. Zuvor hatte auch der deutsche Autobauer BMW angekündigt, eine geplante Produktionspause in seinem Mini-Werk in Oxford auf die Zeit unmittelbar nach dem EU-Austritt am 29. März 2019 zu verlegen.

Auch beim Luxus-Autohersteller Rolls-Royce stehen die ersten beiden Wochen nach dem Brexit die Bänder still, um die Folgen eines chaotischen Brexit abzufedern. Zugleich ist geplant, die Sparte für Zulassungen und Prüfprozesse für große Flugzeugmotoren nach Deutschland zu verlagern.

Britische Reederei flaggt um

Die britische Reederei P&O will ihre noch in Großbritannien registrierten vier Fähren vor dem Brexit nach Zypern umflaggen. Dadurch könnten die EU-Steuerregeln weiter angewendet werden. Im Dezember 2018 hatte P&O bereits angekündigt, zwei zwischen Frankreich und Großbritannien verkehrende Fähren in Zypern registrieren zu lassen. Sie sind inzwischen im zyprischen Limassol eingetragen.

Interesse britischer Unternehmen an Deutschland steigt

Im Jahr 2017 siedelten 152 Firmen aus dem Vereinigten Königreich neu in Deutschland an, wie aus den Daten der Gesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) hervorgeht – gut ein Fünftel mehr als noch im Jahr zuvor. Im Jahr 2018 haben 172 britische Firmen ihr Interesse an Investitionen in Deutschland bekundet. Vor allem Unternehmensdienstleister sowie Firmen aus den Branchen Informationstechnologie und Software denken über einen Umzug nach Deutschland nach.

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Banken stocken in EU auf

Etwas mehr Interesse der Investmentbranche hatte sich der deutsche Finanzplatz Frankfurt/Main erhofft. Zwar hat die US-Investmentbank Goldman Sachs neben Paris und Mailand auch ihre Büros in Frankfurt ausgebaut, doch die Finanzindustrie wandert größtenteils in andere EU-Länder ab. So hat zum Beispiel die Bank of America ihren Hauptsitz in Europa nach Dublin verlegt und die australischen Banken Macquarie und CBA Asset Management Zweigstellen in Dublin und Amsterdam aufgemacht. Auch Luxemburg steht hoch im Kurs. 47 Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter haben angekündigt, Teile ihres Geschäfts in das Großherzogtum zu verlegen, teilt die Agentur Luxemburg for Finance mit.

Rund ein Drittel der 222 befragten Finanzunternehmen wollen im Zuge des Brexit entweder ganz oder in Teilen aus London weggehen, ergab eine Studie des Beratungsunternehmens EY.

Harter Brexit immer wahrscheinlicher

Eine knappe Mehrheit der Briten hatte im Juni 2016 in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt. Für viele in der Europäischen Union kam das damals überraschend. Großbritannien wird die EU voraussichtlich am 29. März 2019 verlassen. Das mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen war aber jüngst vom Parlament in London mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden. Das hat Sorgen vor einem britischen EU-Austritt ohne Abkommen angefacht.

Im Falle eines EU-Austritts ohne Abkommen wird in Großbritannien in fast allen Lebensbereichen mit chaotischen Verhältnissen gerechnet. Besonders hart dürfte es aber viele Firmen treffen. Experten rechnen unter anderem mit Megastaus wegen künftiger Zollkontrollen, Mangel an Zuliefererteilen und weiteren Produkten. Gekühlte Lagerhallen für empfindliche Waren sind bereits komplett ausgebucht.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa, Reuters, AFP
  • GTAI – Germany Trade & Invest
  • Beratungsunternehmen EY
  • The Guardian
  • DWDL
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