Neben Care-Arbeit Mit einer Teilzeitausbildung hoch hinaus
Waldlaubersheim (dpa) - Die Idee ist ebenso einfach wie bestechend: Wer eine Berufsausbildung etwa wegen der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftiger Angehöriger nicht in Vollzeit zu absolvieren vermag, kann sie auch in Teilzeit durchlaufen.
Damit können junge Menschen einen Berufsabschluss bekommen, den sie ansonsten aufgrund ihrer familiären Situation möglicherweise nicht geschafft oder gar nicht erst angestrebt hätten. Denkbar sind bei der Teilzeitausbildung verschiedene Modelle, zugeschnitten je nach den Bedürfnissen von Azubis und Arbeitgebern.
Dauer der Ausbildung verlängert sich
Maximal kann die Arbeitszeit um 50 Prozent gekürzt werden; die Dauer der Ausbildung verlängert sich entsprechend. Wenn eine Auszubildende oder ein Auszubildender zum Beispiel bei einer regulären dreijährigen Ausbildung die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden auf 20 Stunden verkürzt, verlängert sich die Ausbildung in der Regel auf viereinhalb Jahre. Wie der Besuch der Berufsschule damit vereinbart werden kann, muss nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im Einzelfall geregelt werden. Hilfe bekommen die jungen Leute dabei von den jeweiligen Kammern. Erste Anlaufstelle für Interessenten können auch Firmen und die Bundesagentur sein.
Allerdings ist dieses Modell, obwohl es schon seit Jahren existiert, nicht allzu bekannt und die Zahl der Teilzeitauszubildenden ausgesprochen niedrig. So wurden laut einer Erhebung des Statischen Bundesamtes im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz gerade einmal 72 Teilzeit-Ausbildungsverträge geschlossen, die überwiegende Zahl davon in Industrie, Handel und Handwerk.
Ehrgeiz und Durchhaltevermögen gefragt
Dabei verlaufen die Ausbildungen in der Regel sehr erfolgreich und führen zu Übernahmen in reguläre Arbeitsverhältnisse, wie Anne Albert berichtet, die sich in der Agentur für Arbeit in Bad Kreuznach seit vielen Jahren um Teilzeitauszubildende kümmert. Doch dafür müssen die Auszubildenden einiges mitbringen, weiß Albert: Ehrgeiz, Motivation, Organisationstalent und Durchhaltevermögen.
Eigenschaften, die auch Anna Laux an den Tag legt. Die 25-jährige alleinerziehende Mutter aus Gödenroth (Rhein-Hunsrück-Kreis) lässt sich seit zwei Jahren beim Turmkran-Hersteller Wilbert TowerCranes in Waldlaubersheim (Landkreis Bad Kreuznach) zur technischen Produktdesignerin ausbilden. "Ich habe einen acht Jahre alten Sohn. Dank der Teilzeitausbildung habe ich geregelte Arbeitszeiten und kann ihn noch in die Schule bringen, bevor ich in die Firma fahre", berichtet sie. "Nach der Arbeit hole ich ihn von der Betreuung in der Schule ab. Das klappt meistens sehr gut."
Lernen am Abend
Laux ging wegen der Geburt ihres Kindes vorzeitig von der Schule ab und holte ihr Abi später nach. "Mathe war mein Lieblingsfach, und mathematisches Verständnis ist auch eine Voraussetzung für meine Ausbildung", erzählt sie. "In meiner Situation als alleinerziehende Mutter und Teilzeit-Azubi ist es ganz wichtig, dass man Freude an seiner Ausbildung hat. Meine Hausaufgaben für die Berufsschule mache ich meist abends nach 21 Uhr, nachdem ich meinen Sohn ins Bett gebracht habe. Daher sind neben dem Spaß am Beruf auch Selbstdisziplin und Motivation entscheidende Faktoren, um das alles zu schaffen."
Statt acht arbeitet Laux täglich sechs Stunden, von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr. Die betriebliche Ausbildungszeit wird dadurch aber nicht verlängert. Damit das klappt, muss auch der Arbeitgeber mitspielen. "Als Ausbilder müssen wir in Annas Sechs-Stunden-Tag alles reinpacken, wofür andere Azubis acht Stunden Zeit haben", erklärt Christian Mauer, Konstruktionsleiter bei Wilbert. "Dafür braucht man als Firma Flexibilität und engagierte Mitarbeiter und als Auszubildende eine schnelle Auffassungsgabe - und die bringt Anna mit."
Berufsschule einmal pro Woche
Anders als die betriebliche Arbeitszeit sind die acht Schulstunden an der Berufsschule in Boppard nicht variabel. "Da fahre ich einmal die Woche hin. An diesem Tag übernehmen meine Mutter oder andere die Kinderbetreuung", erzählt Laux.
Für das Unternehmen, das dem chinesischen Baumaschinenhersteller Zoomlion gehört, ist Laux' Ausbildung eine doppelte Premiere. "Es ist das erste Mal, dass wir eine technische Produktdesignerin ausbilden, und es ist auch die erste Ausbildung nach Teilzeitmodell", berichtet Konstruktionsleiter Mauer. "Wir sind ein mittelständisches Unternehmen mit gut 150 Mitarbeitern und müssen aufgrund der Nähe zu strukturstarken Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet mehr um Mitarbeiter werben. Und wir geben uns deshalb vielleicht etwas mehr Mühe als andere Firmen."
Für die Firma zahlt sich der kleine verwaltungsmäßige Mehraufwand wegen der Teilzeitausbildung aus. "Für unser Team suchen wir stets motivierte und engagierte Nachwuchskräfte und haben Anna schon in Aussicht gestellt, dass wir sie übernehmen", erklärt der 35-Jährige.
Ausbildung verkürzen
Laux' Ausbildung läuft so gut, dass sie und ihre Ausbilder bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer beantragt haben, die Ausbildung zu verkürzen. "Eigentlich sollte ich meinen Abschluss im Januar 2023 machen, jetzt strebe ich den Juli 2022 an. Ich kann mir auch vorstellen, nach der Ausbildung noch ein Studium im Bereich Maschinenbau dranzuhängen."
Arbeitsmarktexpertin Albert rät allen, die sich für eine Teilzeitausbildung interessieren, vorher in die Firma reinzuschnuppern, wie das auch Laux bei Wilbert getan hat. "Es muss passen", betont sie. Sie habe auch schon eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern betreut, die nur 20 Stunden in der Woche für ihre Ausbildung habe aufbringen können.
Viele Frauen entwickelten sich durch dieses Ausbildungsmodell weiter und nutzten es als Sprungbrett für die weitere Karriere nach dem Abschluss, berichtet sie. Nach ihren Erfahrungen ist die Teilzeitausbildung immer noch eine Frauendomäne. "Wir versuchen zwar immer auch, Väter dafür zu begeistern", erzählt Albert. Doch die jungen Männer geben nach ihren Erfahrungen das Kind in der Regel an die Mütter ab - um dann eine Vollzeitausbildung zu beginnen.