Hintergrund Mindestlohn soll in zwei Stufen auf 9,35 Euro steigen
Seit mehr als drei Jahren gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn. Ein Mal wurde er bislang erhöht. Nun steht eine weitere Anpassung an.
Wie hoch sie ausfällt, ab wann sie greift und welche Ausnahmen und Verstöße es gegen den Mindestlohn gibt und wie Deutschland im EU-Vergleich dasteht:
Wann wurde der gesetzliche Mindestlohn eingeführt?
Der gesetzliche Mindestlohn wurde zum 1. Januar 2015 mit einem Betrag von 8,50 Euro eingeführt, eine erste Erhöhung auf 8,84 Euro gab es zum 1. Januar 2017. Ziel des Mindestlohns ist zum einen der Mindestschutz der Arbeitnehmer, die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen und zum anderen auch die Sicherung der Beschäftigung.
Alle zwei Jahre gibt die Mindestlohnkommission eine Empfehlung zur künftigen Höhe des Mindestlohns ab. Die nächste Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns auf voraussichtlich 9,19 Euro greift ab dem 1. Januar 2019. Ein Jahr später soll ein zweiter Schritt auf 9,35 Euro pro Stunde folgen.
Die Mindestlohnkommission besteht aus insgesamt neun Mitgliedern, davon drei Vertreter der Arbeitgeberseite, drei Gewerkschafter sowie zwei Wissenschaftler und ein Vorsitzender. Die Beratungen der Kommission sind nicht öffentlich. Die Wissenschaftler haben nur eine beratende Funktion und kein Stimmrecht.
Wie hoch ist der Mindestlohn in den anderen europäischen Ländern?
Der höchste gesetzliche Mindestlohn wird aktuell mit 11,55 Euro pro Stunde in Luxemburg gezahlt, gefolgt von Frankreich mit 9,88 Euro und die Niederlande mit 9,68 Euro. Mit 8,84 Euro pro Stunde rangiert Deutschland auf dem sechsten Platz. Am unteren Ende der Skala liegen Bulgarien mit einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 1,57 Euro sowie Litauen mit 2,45 Euro und Rumänien mit 2,50 Euro. In sechs EU-Ländern – Österreich, Dänemark, Italien, Finnland, Schweden und Zypern – gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn.
Welche anderen Mindestlohn-Regelungen gibt es?
Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es allgemeinverbindliche Branchen-Mindestlöhne, die von den entsprechenden Tarifparteien ausgehandelt wurden. Die Branchen-Mindestlöhne gelten sowohl für die tarifgebundenen als auch für die nicht tariflich gebundenen Betriebe der Branche. Sie haben trotz gesetzlichem Mindestlohn weiter Bestand. Zudem gelten die Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn nicht für Branchen-Mindestlöhne.
Info: Eine Übersicht über die Mindestlöhne in Deutschland finden Sie hier.
Gibt es Ausnahmen vom gesetzliche Mindestlohn?
Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle volljährigen Arbeitnehmer – außer für Langzeitarbeitslose nach einer Arbeitsaufnahme in den ersten sechs Monaten. Auch für Azubis, Menschen mit Pflichtpraktikum oder Praktika unter drei Monaten gilt er nicht. Daneben gibt es in mehreren Branchen Mindestlöhne, die über der Lohnuntergrenze liegen.
Es gibt auch Übergangsregelungen wie zum Beispiel für Zeitungszusteller. Die Bezüge für diese Berufsgruppe werden über einen Zeitraum von drei Jahren schrittweise auf den derzeit noch geltenden Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde angehoben. Dieser im Mindestlohngesetz verankerte Passus im Gesetz verstoße nicht gegen das Gleichheitsprinzip urteilte das Bundesarbeitsgericht.
Welche Verstöße gegen den Mindestlohn gibt es?
Durch Verstöße gegen den Mindestlohn werden Beschäftigten und Sozialkassen jährlich Milliardenbeträge vorenthalten: 2016 summierten sich Lohnausfälle und Mindereinnahmen der Sozialversicherung auf rund 7,6 Milliarden Euro. Zuzüglich der Verstöße gegen Branchenmindestlöhne, die es etwa auf dem Bau oder in der Altenpflege gibt, ergibt sich demnach sogar ein Fehlbetrag von rund 9,9 Milliarden Euro. Das geht aus einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor.
Von der Umgehung des Mindestlohns sind weibliche Beschäftigte doppelt so häufig betroffen wie Männer: 2016 wurde 11,5 Prozent der weiblichen und 4,6 Prozent der männlichen Beschäftigten der Mindestlohn vorenthalten. In Ostdeutschland kommen Verletzungen des Mindestlohns zudem deutlich häufiger vor als im Westen: 2016 waren in Ostdeutschland 12,6 Prozent und in Westdeutschland 7,3 Prozent der Arbeitnehmer betroffen.
Wer kontrolliert die Einhaltung des Mindestlohns?
Die Kontrolle des Mindestlohns obliegt der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), die bei der Zollverwaltung angesiedelt ist. Nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums konzentrieren sich die Kontrollen auf besonders anfällige Bereiche wie im Hotel- und Gaststättengewerbe aber auch die Bauindustrie und die Pflegebranche. Zwar haben die Kontrollen im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr zugenommen, doch liegen sie weiter unter den Zahlen vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Die FKS müsse deshalb die gut 7.200 Stellen um weit mehr als die geplanten 1.600 Kontrolleure aufstocken, so die Forderung unter anderem von Gewerkschaften.
- Hans-Böcker-Stiftung
- Deutscher Gewerkschaftsbund
- Statista
- DPA
- AFP