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VW-Mitarbeiter protestieren für Prämie: "Martin, rück die Kohle raus"


30.000 protestieren
VW-Mitarbeiter: "Martin, rück die Kohle raus"

dpa, Heiko Lossie

Aktualisiert am 11.05.2016Lesedauer: 3 Min.
Allein in Wolfsburg versammelten sich 10.000 Mitarbeiter des angeschlagenen Autobauers Volkswagen.Vergrößern des Bildes
Allein in Wolfsburg sammelten sich Zehntausend Mitarbeiter des angeschlagenen Autobauers Volkswagen. (Quelle: Reuters-bilder)

Bei VW droht ein Grabenkampf zwischen Management und Mitarbeitern. Während der Vorstand bei seinen Boni den Teilverzicht in eine Geldanlagechance ummünzt, gibt es im Vorstand nun Vorbehalte gegen eine Mitarbeiterprämie. Die Wut der Belegschaft folgt umgehend.

Zehntausende VW-Mitarbeiter haben sich an verschiedenen Standorten zu spontanen Protesten versammelt. Das ist trotz Friedenspflicht erlaubt. Damit machen sie Stimmung gegen die Arbeitgeberseite, die bei den laufenden Haustarifverhandlungen seit Anfang Mai kein Angebot vorgelegt hat.

Das Plakat spricht Klartext: Ein VW-Vorstand sitzt in einem Volkswagen, aus dem Kofferraum quellen seine Boni heraus. Doch VW-Mitarbeiter ziehen den Wagen an einem Abschleppseil aus dem Dreck.

Fast 30.000 VW-Mitarbeiter reihen sich um Plakate wie diese, das ganze Stammwerk Wolfsburg ist auf den Beinen. Buhrufe, Trillerpfeifen, Warnwesten. "Martin, rück' die Kohle raus, sonst bauen wir keine Autos mehr", ruft einer ins Megafon. Er meint Martin Rosik, Verhandlungschef der Arbeitgeber im laufenden Streit um den VW-Haustarif und die schon versprochene Anerkennungsprämie.

Vergessen die Appelle von gestern

Vor den Zehntausenden steht Bernd Osterloh. Hinter den VW-Kulissen benötigt der Betriebsratsboss derzeit Pokerqualitäten. Der Mittwoch aber fordert ihn dagegen wieder mit markigen Worten als Vertreter der Abteilung Verbal-Attacke. In Jeans, T-Shirt und Baseballkappe steht er auf der Bühne vor dem Vorstandsgebäude. Sein Kopf ist rot, und - geht es nach seinen Worten - hat Osterloh einen Hals. Er erinnert an das riesige Plakat, das das Unternehmen in der Diesel-Krise an den Kraftwerksturm hängen ließ. "Wir brauchen Transparenz, Offenheit und Mut. Vor allem aber brauchen wir Euch", war damals darauf zu lesen.

Doch Osterloh ruft wütend: "In der aktuellen Tarifrunde zeigt sich: Das ist der blanke Hohn." Denn bisher fehle ein Angebot. "Obwohl wir auch in der Krise fest zu unserem Unternehmen stehen." Die Abgas-Affäre rückt alles auf die Goldwaage: Die Vorstand-Boni. Oder die Absatzzahlen. Oder halt auch die Haustarifverhandlung. Der VW-Haustarif gilt für die sechs westdeutschen Werke sowie für die VW-Finanztochter. Mit 120.000 Beschäftigten ist er der größte Firmentarif Deutschlands.

Die VW-Arbeitgeber hatten auch beim zweiten Verhandlungstreffen kein Angebot vorgelegt. Runde drei ist nächste Woche.

Fünf Prozent mehr gefordert

Die Arbeitgeber wollten zunächst die Altersteilzeit klären. Denn die Altersteilzeit und der damit verknüpfte Wandel von Aufgaben bei der Pkw-Kernmarke, für die der Haustarifvertrag vor allem gilt, müsse Vorrang vor der Lohnplus-Frage haben. "Wenn wir darüber klar sind, haben wir auch eine Grundlage dafür, dass wir auch über konkrete Entwicklung von Einkommen sprechen können", sagte Verhandlungschef Rosik Anfang Mai. Die IG Metall will fünf Prozent mehr Geld haben.

Doch auf der Goldwaage liegt auch die "Anerkennungsprämie", die die 120.000 Mitarbeiter im VW-Haustarif alternativ erhalten sollen, weil ihnen für das Verlustjahr 2015 keine Gewinnbeteiligung zusteht. Die Höhe dieser Prämie steht noch nicht fest. Doch Osterloh sieht eindeutige Vorzeichen. "Entweder Boni für keinen oder Boni für alle. Und in dieser Frage ist der Vorstand ja schon mal vorgeprescht. Er hat sie mehr als eindeutig entschieden", ruft Osterloh und spielt auf die umstrittene Lösung an, mit der VW vor Kurzem erklärte, der Vorstand stecke bei seinen variablen Vergütungen angeblich "deutlich" zurück.

Dass aber dieser Verzicht auf 30 Prozent nur aufgeschoben und nicht aufgehoben ist, ließ die Arbeitnehmerseite die Faust in der Tasche ballen. Denn in drei Jahren fließt das geparkte Drittel vollständig, wenn der zuletzt erheblich eingebrochene Kurs der VW-Vorzugsaktien bis dahin auch nur um 25 Prozent angestiegen ist. Legt er stärker zu, erweist sich der Verzicht der Vorstände sogar als sehr attraktive Geldanlage. Im VW-Aufsichtsrat kursieren für dieses Ergebnis des wochenlangen Boni-Streits noch ganz andere Worte als nur "Mogelpackung". Da ist etwa von "Realitätsverlust" die Rede.

Prämie war zugesagt

Konzernchef Matthias Müller hat Osterloh die Anerkennungsprämie schon zugesagt. Nur die Höhe ist unklar. Nun aber sagt der Betriebsratsboss in Wolfsburg, dass Müller Gegenstimmen im Vorstand habe. "Und genau die kommen jetzt um die Ecke und fordern Zusagen dafür, dass ihr einen Bonus bekommen sollt. Es klingt unglaublich, aber es ist wahr: Wir sollen dem Vorstand etwas geben, damit wir etwas bekommen", ruft Osterloh. "Das ist nichts weiter als ein Taschenspielertrick."

Vielmehr fordert Osterloh eine "ehrliche Betrachtung" und betont auch die Lebensleistung vieler Bandarbeiter, die jahrzehntelang in der Montage schufteten und die im Autobau von morgen mit mehr Robotern, mehr Digitalisierungsdruck und mehr Elektroantrieben weniger gebraucht werden. Das mache eine neue Altersteilzeit nötig.

Details zum Prämien-Vorbehalt im Vorstand nennt er aber nicht. Will er nur Unmut heraufbeschwören und die Reihen schließen? Brauchen die Mitarbeiter nach den Monaten der Krise vielleicht ein solches Ventil? Angeblich herrscht im VW-Aufsichtsrat, in dem Osterloh sitzt, schon Einigkeit für eine Anerkennungsprämie von rund 4000 Euro - das wäre nach zuletzt 5900 Euro ein Minus von rund einem Drittel.

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