Gescheiterter Drogeriekönig Was wurde eigentlich aus Anton Schlecker?
Bald wird Anton Schlecker 70 Jahre alt. Der Ex-Drogeriekönig führt nach der Pleite seines Konzerns ein Leben, das Normalität signalisieren soll - dabei hat sich vieles grundlegend geändert.
Wenn Anton Schlecker am Montagabend in seiner Villa im schwäbischen Ehingen den Fernseher anmacht, kann er sich noch einmal zwei Stunden lang mit seinem Absturz beschäftigen. Ein mit Sherlock-Holmes-Mütze und getönter Brille verkleideter Firmenpatriarch und seine Gattin spionieren einer Verkäuferin in einem seiner Drogerieläden hinterher. Klar, dass der fiktionale und unter anderem von der Schlecker-Pleite inspirierte ZDF-Zweiteiler "Alles muss raus" hier auf die legendären Kontrollfahrten von Anton und Christa Schlecker durch ihr Drogerie-Imperium anspielt.
Doch Anton Schlecker wird wohl nicht einschalten. "Meine Eltern schauen sich negative Fernsehberichte über uns nicht an", sagte Schlecker-Sohn Lars 2011 in einem Interview. Und auch kritischen Fragen mochte sich Anton Schlecker, der am 28. Oktober 70 Jahre alt wird, nie stellen. Bis heute er sich zur Pleite seines Unternehmens nicht geäußert. Das tun inzwischen andere.
In der Spiegel-TV-Doku "Die Schlecker-Story", Sendetermin unmittelbar nach dem ersten Teil des ZDF-Fernsehspiels, analysiert Drogerieunternehmer Dirk Roßmann den Niedergang seines einstigen Konkurrenten. Roßmanns Fazit zu Schlecker: "Als Unternehmer antiquiert und später überhaupt nicht mehr innovativ." Auch Schleckers einstiger Finanzchef Sami Sagur kommt zu Wort und bekennt: "Mir tut Anton Schlecker sehr leid."
Mitleid vom ehemaligen Untergebenen und eine Lektion vom einstigen Konkurrenten - eine Schmach für den einstigen Erfolgsunternehmer Schlecker. Möchten er oder seine Frau darauf etwas erwidern? "Nein", gibt eine Mitarbeiterin am Telefon freundlich zu verstehen. Da müsse sie auch gar nicht nachfragen. Die Schleckers sagten nichts.
Munkeln über schlohweiße Haare
Noch immer fährt das Ehepaar Schlecker offenbar regelmäßig ins Büro im siebten Stock der einstigen Schlecker-Zentrale in Ehingen. Die beiden mussten in dem Glaspalast nach der Pleite nicht einmal umziehen. Allerdings residieren sie dort nur noch zur Miete. Die CML Schlecker Immobilienverwaltung hat die früheren Büros der Schleckers vom Insolvenzverwalter angemietet. CML steht offenbar für Christa, Meike und Lars. Schleckers Frau und die beiden Kinder sind Gesellschafter der Firma. Nur dank seiner Familie also kann Anton Schlecker den Schein der Normalität in seiner alten Konzernzentrale wahren.
Von dort aus regierte er das Unternehmen bis zur Insolvenz im Januar 2012. Damals hatte Schlecker noch 7000 Filialen und etwa 30.000 Mitarbeiter. Die CML Immobilienverwaltung kann da nicht mithalten. Über ein Immobilienportal werden gerade einmal vier Objekte angeboten - es sind ehemalige Schlecker- und Ihr-Platz-Läden.
Außer dem Ehepaar Schlecker sitzen noch 30 ehemalige Beschäftigte in der alten Zentrale. Sie arbeiten im Auftrag des Insolvenzverwalters die Vergangenheit ab: schreiben Zeugnisse und Bescheinigungen für Ex-Kollegen, arbeiten alte Abrechnungen ab. Ihren früheren Chef bekommen sie angeblich fast nie zu Gesicht.
Inzwischen, so erzählt ein früherer Konzerninsider, soll der gescheiterte Unternehmer schlohweiße Haare haben. Was die Pleite für ihn und den Rest der Familie bedeutete, versuchten die Kinder Meike und Lars im Sommer 2012 in einem offenen Brief zu erklären. "Die Firma war für uns alle Lebensinhalt - und da ist jetzt erst einmal ein großes Nichts", schrieben sie damals.
Geblieben ist der Zusammenhalt
Doch das öffentliche Mitleid mit der Familie hält sich in Grenzen. Viele Menschen und auch die Staatsanwaltschaft treibt vielmehr die Frage um, ob Anton Schlecker von seinem Vermögen nicht doch noch etwas zur Seite geschafft hat. Die Ermittlungen laufen zwar noch, eine Anklage gilt inzwischen allerdings als unwahrscheinlich. In einem Vergleich zahlte die Familie 10,1 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter. Für den ist das Thema damit erledigt, das Ehepaar Schlecker konnte in seiner Ehinger Villa bleiben.
Ähnlich eindrucksvoll wie das einstige Schleckersche Vermögen ist die Bilanz der Pleite: Rund 23.000 Gläubiger warten noch auf Geld, die Forderungen belaufen sich auf rund eine Milliarde Euro. Die Zentrale muss der Insolvenzverwalter auch noch losschlagen. Die Stadt Ehingen hat Interesse angemeldet. Niemand sonst wollte den Klotz abseits von Flughäfen und Autobahnen kaufen.
Die Kinder Lars und Meike erklärten 2012, ihr Vater habe nichts mehr: "Vom Sportwagen bis zur schönen Uhr hat er alles abgeben müssen." Die Familie unterstütze ihn mit "eigenen Mitteln, die wir rechtmäßig besitzen, denn Sippenhaft gibt es im deutschen Recht nicht."
Was der Familie geblieben sei, sei ihr Zusammenhalt, sagen frühere Konzerninsider. Anton und Christa Schlecker galten schon zu ihren erfolgreichen Zeiten als eingespieltes Team. Die Pleite habe das Paar noch enger zusammengeschweißt, meint einer. Als der Zusammenbruch des Konzerns offenbar wurde, habe man Anton Schlecker angemerkt, dass bei ihm die Nerven blank lagen. Aber zwischen ihn und seine Frau habe auch damals kein Blatt gepasst.
"Es ist fürchterlich langweilig"
Als der Drogeriekonzern zugrunde ging, stellten sich die Kinder öffentlich vor die Eltern. Lars Schlecker ging zu den Beschäftigten in Betriebsversammlungen, Meike Schlecker gestand in einer Pressekonferenz das Scheitern der Unternehmerfamilie ein. Als alles vorbei war, verließen sie Ehingen wieder. Meike Schlecker soll in London
leben, ihr Bruder in Berlin. "Mein ganzer Freundeskreis wohnt in Berlin", sagte Lars Schlecker in einem Interview 2011. Über den Freundeskreis von Anton und Christa Schlecker weiß man nichts. Als die Schlecker-Welt noch heil war, soll Anton Schlecker sich im kleinen Kreis zum Tennis und Tischtennis getroffen haben. Inzwischen, so hört man, schotte er sich noch mehr ab als früher.
Eigentlich sei das Verhalten der Schleckers doch konsequent, sagt einer, der die Familie kennt. Sie hätten sich immer abgeschottet, warum sollten sie es nach der Pleite anders machen? Vielleicht sei es für das Ehepaar ja eine Art Therapie, jeden Tag in die alte Zentrale zu gehen. Wie das Leben der Schleckers nach der Pleite nun sei? Der Insider hält kurz inne: "Es ist fürchterlich langweilig."