Gedrosselte Lieferungen Bundesnetzagentur-Chef will höchste Gas-Warnstufe noch nicht ausrufen
Deutschland fürchtet sich vor einem kalten Winter. Aufgrund der eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland wächst die Sorge – doch Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller will noch nicht in Alarmismus verfallen.
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat Forderungen nach einem Ausrufen der höchsten Gas-Warnstufe angesichts verminderter Lieferungen aus Russland eine Absage erteilt. "Ich werbe sehr dafür, sorgfältig zu prüfen, wann der richtige Zeitpunkt für die höchste Alarmstufe ist, weil das Marktkräfte freisetzen würde", sagte Müller am Dienstag in einem Interview des Bayerischen Rundfunks (BR).
Daher "drängelt mich nichts danach". Derzeit gilt die Frühwarnstufe und damit die erste Eskalationsstufe des Notfallplans Gas. Dieser sieht als zweiten Schritt die Alarm- und als dritten die Notfallstufe vor. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte die Bundesregierung am Montag aufgefordert, direkt die Notfallstufe auszurufen.
Frühwarnstufe, Alarmstufe, Notfallstufe
Aus guten Gründen gebe es drei Kategorien, sagte Netzagenturchef Müller. Würde man sofort die von Aiwanger geforderte dritte und höchste Alarmstufe ausrufen, wäre dies eine "harte Entscheidung", man wäre "in einem Sprung in der höchsten Stufe angelangt". Und das hätte "Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Wertschöpfungsketten und Industrieanlagen". Daher werbe er vielmehr dafür, vorerst noch "mildere Maßnahmen" zu nutzen.
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte am 30. März die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas in Deutschland ausgerufen und das Krisenteam Gas einberufen, um auf mögliche Liefereinschränkungen oder -ausfälle der Gasversorgung im Zuge des Ukraine-Kriegs vorbereitet zu sein. Die Frühwarnstufe diene der Vorsorge, die Versorgungssicherheit sei weiter gewährleistet, heißt es auf der Internetseite der Bundesnetzagentur.
Gasmangellage im Winter vermeiden
Am Montag hatte Agentur-Chef Müller allerdings weitere Anstrengungen gefordert, um eine sogenannte Gasmangellage in der Heizperiode im Winter zu verhindern. Im Fall einer Gasmangellage wäre die dritte Stufe des Notfallplans fällig. Dann kann die Behörde in den Markt eingreifen und entscheiden, wer noch wie viel Gas erhält.
Auch in anderen Staaten der EU herrscht die Frühwarnstufe. So rief jüngst etwa Dänemark die erste Stufe des Notfallplans aus. "Die Situation ist ernst, sie wurde durch gedrosselte Lieferungen weiter verschärft", erklärte der Leiter der dänischen Energie-Agentur Martin Hansen am Montag in einer Mitteilung.
Derzeit seien die dänischen Gasspeicher zu 75 Prozent gefüllt, es sei zuletzt weiteres Gas hinzugefügt worden. Ende Mai hatte Gazprom den Lieferstopp an das dänische Unternehmen Orsted bekannt gegeben. In dem Gas-Notfallplan – der auf einer EU-Verordnung von 2017 beruht –folgen die Alarmstufe und die Notfallstufe.
- Nachrichtenagentur Reuters
- Nachrichtenagentur AFP