Wegen Diesel-Affäre vor Gericht Ex-VW-Chef Winterkorn: "Ich bin kein Softwareexperte"
Wegen der Diesel-Affäre muss sich der ehemalige Volkswagen-Chef vor Gericht verantworten. Die Anklage mache ihn betroffen. Er habe damals nicht verstanden, worin die technischen Probleme lagen.
Der frühere VW-Vorstandchef Martin Winterkorn hat sich im Strafprozess gegen ihn von der Anklage betroffen gezeigt. "Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, ich hätte in meiner Aufgabe als Vorstandsvorsitzender gebotene Handlungen unterlassen, Kunden und Aktionäre getäuscht und geschädigt und mich damit strafbar gemacht, trifft mich – am Ende meines beruflichen Weges – ganz erheblich", sagte der Anklagte vor dem Landgericht Braunschweig.
In seinem Eingangsstatement wies der 77-Jährige sämtliche Vorwürfe der Anklage zurück. Das sei nicht die Haltung, die er in fast 15 Jahren als Vorstandsvorsitzender an der Spitze von Audi und Volkswagen eingenommen habe. "Das entspricht auch nicht meinem Verständnis, wie man in dieser Funktion seine Pflichten erfüllt", sagte Winterkorn.
Er sei in die Entscheidungen über die Entwicklung und den Einsatz einer "irregulären Softwarefunktion bei den neuen VW-Dieselmotoren nicht eingebunden" gewesen, sagte Winterkorn in seinem langen Statement weiter, das in Teilen auch von seinen Anwälten vorgelesen wurde. "Ich bin kein Motorenentwickler, ich bin kein Spezialist für Abgasreinigung und auch kein Softwareexperte, der sich mit der Steuerung von Motoren und Abgasreinigungssystemen befasst hat."
Folglich habe er damals auch nicht verstanden, worin die technischen Probleme lagen. Er habe auch nicht erkannt, "dass VW schon seit einigen Jahren mit regelwidrigen Softwareapplikationen in den USA auf dem Markt war". Dazu erforderliche Erläuterungen seiner Techniker habe er nicht erhalten.
Winterkorn habe Käufer getäuscht
In dem Strafverfahren muss sich Winterkorn wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Marktmanipulation und uneidlicher Falschaussage vor Gericht verantworten. Das Landgericht Braunschweig hat dazu 89 Termine angesetzt. Winterkorn habe seit Mai 2014 davon gewusst, dass Dieselautos des Wolfsburger Herstellers in den USA nicht den Vorgaben entsprochen hätten, sagte Staatsanwalt Andy Belke bei der Verlesung der Anklageschrift.
Ab 2015 sei ihm klar gewesen, dass das auch für Fahrzeuge in Europa gelte. Winterkorn habe die Auslieferung der Autos nicht gestoppt und damit die Käufer getäuscht.
Winterkorns Anwalt Felix Dörr sieht deutliche Lücken in der Anklage. Das sei auch dem Umstand geschuldet, dass die Anklageschriften vor Jahren angefertigt und in der Zwischenzeit mehr Erkenntnisse gewonnen worden seien, sagte der Verteidiger am Mittwoch.
Zugleich habe der mittlerweile 77-Jährige ein Interesse daran, dass die Vorwürfe geklärt würden. "Das Thema Diesel sollte dann – jedenfalls in Bezug auf die Person unseres Mandanten – neun Jahre nach Beginn der Ereignisse endlich zum Abschluss gebracht werden. Auch unser Mandant möchte irgendwann mit diesem Thema abschließen können."
"Nicht zwangsläufig strafbar"
Verteidiger Dörr sagte, in der öffentlichen Wahrnehmung sei Winterkorn für alles verantwortlich gemacht worden, was bei Volkswagen im Diesel-Komplex falsch gelaufen sei. Das sei aber nicht richtig. "Derjenige, der an der Spitze einer Organisation steht, ist verantwortlich für deren Führung und Überwachung", erklärte Dörr.
"Macht er dabei Fehler, haftet er gegenüber der Organisation, er macht sich aber nicht zwangsläufig strafbar wegen Betrugs zum Nachteil von Kunden oder der Kapitalanleger der Gesellschaft. Dazu müsste die Anklage schon so viel an Tatsachen gesammelt haben, dass zumindest mit 50 plus einem Prozent Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung anzunehmen wäre. Davon sind wir weit entfernt."
Volkswagen hatte 2015 auf Druck der US-Umweltbehörde EPA zugegeben, Diesel-Abgaswerte durch eine Software manipuliert zu haben. Diese sorgte dafür, dass die Motoren die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand zwar einhielten, auf der Straße aber ein Vielfaches dieser Abgase ausstießen. Winterkorn musste seinen Posten abgeben. Der Skandal löste eine Vielzahl von Prozessen aus. Im Juni 2023 wurde der frühere Chef der Volkswagen-Tochter Audi, Rupert Stadler, vom Landgericht München zu einer Bewährungsstrafe und einer millionenschweren Geldauflage verurteilt.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa und Reuters