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"Wahre Preise" bei Discounter Penny: "Aktion nützt mehr, als sie schadet"


Discounter verlangt "wahre Kosten"
"Penny wagt sich auf ein sehr dünnes Eis mit dieser Aktion"

Von t-online, mam

Aktualisiert am 02.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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Preiserhöhung: Aus diesen drei Gründen ist verfehlt sie ihr Ziel. (Quelle: t-online)

Der Discounter Penny bietet einige seiner Produkte eine Woche lang zu ihrem "wahren Preis" an. Doch ein Wirtschaftsexperte zweifelt an der Aktion.

Der Discounter Penny hat mit seiner Aktion, für einige seiner Produkte eine Woche lang die "wahren Preise" zu verlangen, Kritik ausgelöst. Auch Wirtschaftsethiker Dominik Enste äußert Zweifel an dem Vorhaben des Discounters. "Da ist auch viel PR im Spiel", sagt der Leiter des Clusters Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) der "Welt" – und zieht Parallelen zur "Letzten Generation". Die Klimagruppe blockiert seit Monaten immer wieder Straßen und Autobahnen in ganz Deutschland.

"Natürlich nötigt Penny seine Kunden nicht, und die Mittel unterscheiden sich stark. Insofern gibt es große Unterschiede. Aber in beiden Fällen gibt es Menschen, die sagen: Ich habe doch längst verstanden, dass wir ein Problem haben. Ihr müsst mich nicht ständig darauf stoßen", kritisiert Enste. Seiner Ansicht nach könne der einzelne Verbraucher nicht viel ändern, stattdessen brauche es andere politische Rahmenbedingungen und technische Innovationen, "nicht Einmalaktionen wie bei Penny, die nur auf die Wahrnehmung, nicht auf die Verhaltensänderungen einwirken".

Zudem sei es schwierig, tatsächlich die "wahren Kosten" von Produkten abzubilden. "Ginge es nur um die Kosten, müssten einige Produkte sogar deutlich billiger sein. Will man wie Penny externe Faktoren wie Umweltschäden berücksichtigen, ist das Bild vielfach nicht so eindeutig, wie die Aktion es suggeriert", sagt Enste. Unterschiedliche Herangehensweisen bei der Ermittlung von Umwelt- und sozialen Kosten führten demnach zu unterschiedlichen Ergebnissen. "Insofern wagt sich Penny auf ein sehr dünnes Eis mit dieser Aktion", kritisiert der Ökonom.

"Penny nützt die Aktion mehr, als dass sie schadet"

Auch sieht er einen Widerspruch in der Wirtschaftsweise des Discounters und seiner Botschaft, die dieser mit seiner Aktion sendet. "Einige Menschen wollen sich einfach nicht von einem Discounter, der von günstigen Preisen lebt, sagen lassen, dass sie gefälligst mehr zahlen müssten, um moralisch zu handeln", sagt Enste. Dass Penny mit seiner Aktion einen dauerhaften PR-Schaden erleiden könne, glaubt Enste hingegen nicht – denn Kundenverluste durch moralische Fragen seien selten dauerhaft, so der Ökonom.

"In der Gesamtschau nützt etwa Penny die Aktion mehr, als dass sie schadet. Man spricht in dieser Woche über den doch relativ kleinen Discounter – und die meisten Menschen begrüßen die Aktion ja auch", erklärt er. Kritische Diskussionen würden dabei sicher einkalkuliert werden. "In Einzelfällen kann so etwas jedoch nach hinten losgehen", sagt er. Die Regenwald-Aktion des Bierherstellers Krombacher etwa habe für so viel Spott gesorgt, "dass sich der böse Spruch vom 'Saufen für den Regenwald' in den Köpfen festgesetzt hat".

"Wahre Preise" bei Penny?

Die Discounterkette Penny verlangt seit Montag eine Woche lang für neun ihrer 3.000 Produkte die "wahren Preise" – also den Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umweltschäden eigentlich berechnet werden müsste. Die Produkte vom Käse bis zum Wiener Würstchen werden dadurch um bis zu 94 Prozent teurer, wie die Handelskette mitteilte.

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Die Discounter-Kette „Penny“ wirbt mit „wahren Preisen“. Doch diese Werbeaktion ist zum einen der Inbegriff von Greenwashing, zum anderen wirtschaftlich überhaupt nicht tragbar.

Hintergrund: Für neun Produkte hat die Rewe-Tochter Penny in dieser Woche deutlich höhere Preise angesetzt. Damit werden die Kosten für Umweltschäden, die die Produktion der Lebensmittel verursacht, einberechnet.

Doch was erst mal nach echtem Umweltbewusstsein klingt, bringt uns tatsächlich in Sachen Nachhaltigkeit überhaupt nicht voran. Drei Gründe dafür:

Punkt 1: Diese Aktion ist der Inbegriff von Greenwashing. Bedeutet: Eine PR-Aktion, die dem Unternehmen ein positives Image verleihen soll. Penny nutzt also diese Aktion, um sich als umweltfreundliches, verantwortungsbewusstes Unternehmen darzustellen. „Wir müssen uns der unbequemen Botschaft stellen“, erklärte Penny-Manager Stefan Görgens und tut damit so, als hätte ein Discounter den Auftrag, seine Kunden zu mehr Umweltbewusstsein zu erziehen. Ernsthaft?

Übrigens: Auch der Bauernverband verurteilt die Aktion als „Greenwashing“. Die Verbraucherschutzorganisation „Foodwatch“ spricht von einem „reinen PR-Gag“.

Punkt 2: Für die allermeisten Menschen sind diese vorübergehenden Preise überhaupt nicht bezahlbar. 6,01 Euro für eine Packung Wiener Würstchen? Das ist absurd – in Zeiten hoher Inflation und gestiegener Energiepreise kann sich das der Ottonormalverbraucher nicht leisten. Die „wahren Preise“ schüren also nicht nur ein schlechtes Gewissen, sondern verleihen auch den Eindruck, allgemein nicht mehr genug Geld für Essen zu haben. Das ist frustrierend und nicht zielführend. Das sollte gerade ein Lebensmittelhändler aus dem Billigsegment wissen.
Punkt 3: Würde man diese Preise wirklich ernst meinen, müssten ja theoretisch alle Supermärkte mitziehen und vor allem nicht nur 9 Produkte, sondern alle preislich angepasst werden. Doch dann würden Verbraucher nur noch das Nötigste kaufen und der Absatz der Supermärkte entsprechend einbrechen – den Lebensmittelhandel, wie wir ihn jetzt kennen, würde es dann nicht mehr geben können.
Hat sich Penny mit seiner Werbeaktion also ins eigene Fleisch geschnitten? Zumindest hat sie aus gutem Grund bisher kein anderer gemacht.

Denn der Ansatz der „realen Preise“ von Lebensmitteln ist nicht neu: Die Wissenschaft beschäftigt sich schon lange damit. Große Konzerne wie Edeka und Rewe arbeiten seit Jahren mit Universitäten zusammen, lassen sich ökologische Fußabdrücke berechnen und suchen Ansätze für die Einführung von CO2-Labels. Was Penny da gerade macht, wirkt also nur auf den ersten Blick innovativ und bahnbrechend.
Was wäre denn ein besserer Ansatz, kann man jetzt fragen. Und da gäbe es einen: Man sollte viel lieber die Produkte bewerben und günstiger machen, die sowieso schon einen guten CO2-Abdruck haben, und so die Menschen zu nachhaltigem Konsum bewegen. Also saisonale und regionale Lebensmittel.
So könnte man langfristig etwas verändern, anstatt nur mal kurz die Aufmerksamkeit auf ein so wichtiges Thema zu lenken. Doch eine Sache sollten wir Penny immerhin lassen: Die Aktion regt eine Debatte an – und die sollten wir jetzt führen!

Die Mehreinnahmen will die zur Rewe-Gruppe gehörende Kette für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum spenden. Der Händler will mit dem Schritt nach eignen Angaben mehr Bewusstsein für die Umweltbelastungen durch die Lebensmittelproduktion schaffen. Mehr zu der Penny-Aktion lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • welt.de: "Penny wagt sich auf ein sehr dünnes Eis mit dieser Aktion"
  • Nachrichtenagentur dpa
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