Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bank vor Ort "Diese Chance kommt so schnell nicht wieder"
Immer mehr klassische Bankangebote stammen von Firmen, die als Fintech gestartet sind. Werden sie alteingesessene Institute bald ganz verdrängt haben?
Es ist eine Meldung, die aufhorchen lässt: "Revolut führt deutsche IBAN ein", heißt es Anfang Oktober in einer Pressemitteilung der britischen Digitalbank. Übersetzt bedeutet das nicht weniger als eine Kampfansage an die Konkurrenz: Denn die deutsche Kontoverbindung soll die Zahl von bereits zwei Millionen Kunden bis 2026 mehr als verdoppeln – und Revolut in den Rang einer Hausbank heben.
Unter Branchenkennern war dieser Schritt erwartet worden. Auch andere Geldinstitute liebäugeln mit einem Eintritt in den deutschen Markt, darunter Schwergewichte wie die US-amerikanische Bank JPMorgan Chase. Es wird also enger auf dem größten, aber auch schwierigsten Finanzmarkt Europas. Gleichzeitig nähern sich die Geschäftsmodelle von Neo- und Direktbanken immer stärker an. Wie lange kann das noch gut gehen?
Experte erwartet, dass sich Angebot ausdünnt
Einer, der das einschätzen kann, ist Matthias Hach, zuletzt Bereichsvorstand bei der Commerzbank und zuvor mehrere Jahre bei Comdirect, Flatex und als Geschäftsführer von Smartbroker tätig. Heute beantwortet er als selbstständiger Unternehmensberater die Fragen der Branche – vom kleinen Start-up bis zur großen Firma. Für ihn steht fest: "Wir reden über Verdrängung. In den nächsten drei bis fünf Jahren wird es weitere Konsolidierungen geben. Eine Co-Existenz wird auf Dauer nicht funktionieren."
Momentan gleiche die Situation noch einem "Bäumchen wechsel dich!"-Spiel: Kunden laufen zwischen etablierten Fintechs wie N26 und Trade Republic, Direktbanken wie ING Deutschland und DKB sowie Großbanken wie Deutscher Bank und Commerzbank hin und her. Vorrangig getrieben von der Höhe der Zinsen. "So platt ist es tatsächlich", sagt Hach. "Das ist eine mathematische Formel, die der Deutsche versteht. Er akzeptiert es allerdings nicht mehr, wenn auf ein zeitlich begrenztes Lockangebot Zinsen folgen, die deutlich unter dem Durchschnitt liegen. Dann ist er mit einem Klick schnell wieder woanders."
Das bekam zuletzt Deutschlands zweitgrößte Direktbank DKB zu spüren. Nachdem die Kundeneinlagen im vergangenen Jahr noch um 17 Milliarden Euro gestiegen waren, flossen nach dem Ende einer Tagesgeldaktion ab Februar 2024 wieder 10 Milliarden ab. Denn statt 3,5 Prozent Zinsen zahlte die DKB nur noch 1,75 Prozent. Die besten Tagesgeldkonditionen lagen zu dem Zeitpunkt bei 4 Prozent. Der großzügigste Anbieter: der einstige Neobroker Trade Republic.
- Lesen Sie auch: Was bringt die Cashback-Karte von Trade Republic?
Marketingschlacht ab kommendem Jahr
Einen Trumpf, den die Groß- und Direktbanken Hach zufolge derzeit noch in der Hand halten, ist ihre Stammkundschaft. Denn dieser sei die Servicequalität wichtiger als der günstigste Preis. Aber auch beim Service bessern die Neobanken nach. "Am Ende werden alle mehr oder weniger über das gleiche Produkt verfügen", glaubt der Branchenexperte. "Die Frage ist dann: Bei wem bleibt der Kunde endgültig stehen, weil er sich angekommen fühlt?"
Entscheidend sei letztlich, wer die bessere Marke besitze. Hach erwartet eine regelrechte "Marketingschlacht", vermutlich schon ab dem kommenden Jahr. "Einer wird die erste Kerze zünden, denn leise ist man nicht erfolgreich." Und dann sei genug wirtschaftliche Kraft vorhanden, um den Kampf um Aufmerksamkeit etwa zwei Jahre fortzuführen. "Danach werden wir sehen, wer die Kunden auf sich vereint", sagt Hach.
Publikumspreis Finanzen
t-online hat auch in diesem Jahr wieder den Publikumspreis Finanzen ausgelobt und seine Leserinnen und Leser gefragt, wer für sie die besten Anbieter Deutschlands sind. Rund 60.000 Nutzer haben mehr als eine halbe Million Stimmen abgegeben und ihre Sieger in zehn Kategorien gekürt. Darunter "Bank vor Ort", "Direktbank", "Broker" oder "Bausparkasse". Hier geht's zu den Preisträgern 2024.
Besonders wichtig, wenn Sparer auf dem Weg sind, den Anbieter zu wechseln: der erste Berührungspunkt. "Der Onboarding-Prozess ist das entscheidende Kriterium, das muss wirklich flutschen. Da darf man keinen Fehler machen." Der Kunde wolle sich nicht stundenlang damit beschäftigen, so der Experte. "Die Toleranzschwelle, wenn etwas nicht funktioniert, ist heute sehr niedrig."
Ampel-Gesetz bietet "Chance des Jahrhunderts"
Neobanken, Direktbanken und klassische Banken sollten also vorbereitet sein. Zumal laut Hach noch "die Chance des Jahrhunderts" bevorsteht: die Reform der privaten Altersvorsorge. Das Bundesfinanzministerium hat gerade einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem die bisherige Riester-Rente unter anderem von einem Altersvorsorgedepot abgelöst werden soll, also einer aktienbasierten Altersvorsorge. "Da schlummert ein Riesen-Potenzial!", sagt Hach. "Das wird dem Aktienmarkt eine Aufmerksamkeit bescheren, die es heute nicht gibt. Denn plötzlich werden sich Millionen Deutsche damit beschäftigen müssen." Lesen Sie hier mehr zum Altersvorsorgedepot.
Insbesondere traditionelle Anbieter könnten dank der Reform ein Revival erleben. Denn: "Beim Thema Altersvorsorge ist eine Sache ganz besonders wichtig: Vertrauen." Allerdings gebe es auch Raum für komplett neue Mitbewerber, so Hach. "Ich kann mir gut vorstellen, dass bald Firmen wie Pilze aus dem Boden schießen, die nur ein einziges Produkt anbieten. Nämlich das zertifizierte Altersvorsorgedepot, das die Regierung staatlich fördert. Diese Chance kommt so schnell nicht wieder."
- Gespräch mit Matthias Hach
- handelsblatt.com: "DKB macht weniger Gewinn und verliert Einlagen"