Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.9-Euro-Ticket-Nachfolger Ernüchterung macht sich breit
Das 9-Euro-Ticket ist Geschichte – und das Gejammer groß. Dabei ist der Vorschlag für einen Nachfolger mehr als nur ein Schritt in die richtige Richtung.
Stundenlange Verspätungen und dichtes Gedränge am Bahnhof und im Zug: Das alles haben die Deutschen dieses Jahr einmal mehr ertragen – und das fast ohne zu murren. Der Grund: Der Preis stimmte. 9 Euro im Monat. So viel Bahn für so wenig Geld gab es noch nie.
Mit großer Entschlossenheit forderten viele bis zuletzt, das Ticket in seiner bisherigen Form fortzuführen. 52 Millionen verkaufte Fahrscheine sprächen für sich, das Angebot sei schließlich extrem gut angenommen worden.
Doch seien wir ehrlich: Angesichts eines solchen Discounter-Preises ist es fadenscheinig, allein die Anzahl der Tickets als Beleg für seinen Nutzen oder gar als Seismografen für die Nahverkehrsaffinität der Deutschen zu werten. Bei Schnäppchen schlägt schließlich jeder zu.
Durchwachsene Bilanz
Viel wichtiger ist es zu schauen, welche Auswirkungen das Ticket sonst noch hatte. Und da macht sich schnell Ernüchterung breit: Der Verlagerungseffekt vom Auto auf Bus und Bahn liegt Experten zufolge bei höchstens zehn Prozent.
Auswertungen zeigen zudem, dass der Regionalverkehr insbesondere in den Sommerferien mehr Fahrgäste verzeichnete – viele Leute das Ticket also vor allem für Ausflüge und Urlaubsfahrten genutzt haben, nicht jedoch für alltägliche Fahrten zur Arbeit.
Klar, viele Menschen wurden durch das Ticket finanziell entlastet. Angesichts der stark steigenden Inflation war seine Einführung eine unbürokratische und wirkungsvolle Maßnahme. Jetzt aber sollte sich die Bundesregierung wieder darauf konzentrieren, anstatt der breiten Masse wirklich Bedürftige zielgenau zu unterstützen.
Schienenverkehr steht an der Belastungsgrenze
Ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket, das für alle zugänglich ist, wäre dabei der falsche Weg. Das gilt einmal mehr, weil der Bahn durch eine Fortführung des Tickets viel Geld durch die Lappen ginge – während der Schienenverkehr an seiner Belastungsgrenze steht. Die vergangenen Monate haben einmal mehr gezeigt: Ohne weitere Investitionen wird es nicht gehen, wenn die Verkehrswende gelingen soll.
Insofern sollten wir uns freuen, dass es überhaupt ein Ticket für ganz Deutschland geben soll, das mit bestenfalls 49 Euro, schlimmstenfalls 69 Euro noch immer relativ günstig ist. Zum Vergleich: Wer zwischen Lüneburg und Hamburg pendelt, zahlt aktuell mindestens 117,80 Euro für ein Monatsabo. Jemand, der täglich mit der Regionalbahn von Duisburg nach Düsseldorf fährt, kommt auf im selben Zeitraum auf 101,99 Euro.
Zu oft noch lohnt sich das Auto
Für die Mobilitätswende könnte dieses Experiment richtungsweisend sein. Vor allem diejenigen, die lange Strecken mit dem Auto gependelt sind, könnte ein 49-Euro-Ticket zum Umdenken bewegen: Nicht zuletzt wegen der absehbar weiter steigenden Spritpreise dürfte das Ticket vielen auf Dauer noch immer günstiger erscheinen.
Bei alldem gilt jedoch: Die Landesregierungen müssen gleichzeitig den Ausbau des Nahverkehrs in ländlichen Regionen unterstützen. Zu oft noch lohnt sich das Auto, vor allem wenn man mit mehreren Personen unterwegs ist. Kluge Verkehrspolitik sollte daher nicht nur Anreize für den ÖPNV setzen, sondern auch das Autofahren teurer machen – und, was viele vergessen, auch die Infrastruktur fürs Fahrrad verbessern.
- Eigene Recherche