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Kunst als Anlage: So teuer, so schön, so dubios


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Milliardenmarkt Kunst
Ein Tummelplatz für Oligarchen und Kriminelle


Aktualisiert am 04.09.2022Lesedauer: 6 Min.
Auktion bei Christie's: Potenzielle Käufer bieten auf das Bild "Silver Liz" von Andy Warhole.Vergrößern des Bildes
Auktion bei Christie's: Potenzielle Käufer bieten auf das Bild "Silver Liz" von Andy Warhole. (Quelle: imago stock&people)

Die Kunstwelt glänzt mit Luxus und Millionenwerten, doch das zieht nicht nur Liebhaber an. Ein Bericht über einen Markt mit Licht und noch mehr Schatten.

Die schönsten Kunstwerke bleiben der Menschheit verborgen. Sie verschwinden in Safes, fensterlosen Zollfreilagern oder werden auf prunkvollen Privatjachten vermutet – wie etwa Leonarda Da Vincis "Salvator Mundi". Das teuerste Kunstwerk der Welt, das rund 450 Millionen US-Dollar wert ist, soll sich auf der Luxusjacht des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman befinden. Genau weiß das aber niemand.

Es ist nicht der einzige Schatz, der für Jahre verschwindet, weil reiche Leute auf künftige Wertsteigerungen spekulieren. "Es gibt einige Menschen, die Bilder nur als Anlage kaufen und sie dann einlagern", sagt Sophie Neuendorf, Kunstexpertin bei Artnet, einem Onlinehandel für Kunst, im Gespräch mit t-online. "Sie sehen die Kunstwerke nie wieder, bis sie diese dann wieder verkaufen."

Es ist eine schwer zu durchblickende Welt. Der Kunsthandel bewegt sich in den Sphären zwischen elitärem Statussymbol, lukrativen Investment und dubioser Geldwäsche.

In den Fokus rückt der Markt immer wieder wegen der teils astronomischen Preise, für die Kunstwerke den Besitzer wechseln. So erzielte im Mai dieses Jahres das Bild "Shot Sage Blue Marilyn" von Andy Warhol eine Verkaufssumme von 195 Millionen Dollar – noch nie ist ein Bild aus dem 20. Jahrhundert für eine größere Summe verkauft worden.

Hohe Rendite, schnelle Verluste

Und es hätte noch mehr sein können, wie Expertin Neuendorf erklärt: "Das Bild ist sogar unter dem geschätzten Wert verkauft worden." Die Kunstwelt war sich einig, dass der Preis von 195 Millionen Dollar nicht genug gewesen sei. Zu beliebt sei der Künstler, zu stark die Nachfrage auf dem Markt. Und dennoch – den errechneten Wert erreichte das Bild nie.

Nicht nur diese Anekdote zeigt: Der Kunstmarkt ist unberechenbar. Welches Bild eine hohe Rendite abwirft, ist ungewiss. Welcher Künstler in die Sphären eines Andy Warhol aufsteigt und welcher vergessen wird? Kaum vorherzusehen. "Eine höhere Sicherheit hat man, wenn man etablierte und beliebte Künstler kauft, etwa einen Richter oder einen Baselitz", sagt Neuendorf.

Doch auch hier gibt es für Verbraucher keine Konstante. Daten von Artnet zeigen, wie sehr die Preise für Kunstwerke von bekannten und beliebten Künstlern innerhalb eines Jahres schwanken. So lag der durchschnittliche Preis für ein Werk des Künstlers Georg Richter im ersten Quartal 2021 bei mehr als zehn Millionen Dollar, ein Jahr später erzielten die Werke dagegen im Schnitt nur noch eine Million Dollar.

Der Kunstmarkt ist teils volatiler als Kryptowährungen

Ähnlich drastisch war die Entwicklung bei Werken von Jeff Koons. 2015 waren die Kunstwerke scheinbar besonders nachgefragt, der durchschnittliche Preis pro Werk lag bei mehr als 4 Millionen Dollar, nur zwei Jahre später stürzte der Wert dagegen auf unter 200.000 Dollar ab. Mittlerweile liegt das Preisniveau wieder höher: Der durchschnittliche Wert für ein Werk von Koons liegt aktuell laut Artnet-Daten bei etwa 1,5 Millionen Dollar.

Mit solchen Kursbewegungen sind die Kunstwerke noch volatiler als etwa die Kryptowährung Bitcoin, die im vergangenen Jahr nach ihrem Allzeithoch mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren hat und daher als Hochrisikoanlage gilt. Während bei Bitcoin-Investoren von Zockern die Rede ist, spricht man beim Kunstmarkt von intellektuellen Liebhabern. Doch wie kommen dann diese extremen Ausschläge am Kunstmarkt zustande?

"Der Kunstmarkt ist durch den Unikatcharakter seiner Ware die reinste Form der Marktwirtschaft: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis", erklärt Stefan Koldehoff, langjähriger Kulturredakteur beim Deutschlandfunk (DLF) und Autor des Buches "Kunst und Verbrechen", auf Anfrage von t-online.

Stimmungswandel an den Märkten

In der Pandemie machten die Auktionshäuser sogar Rekordgewinne – denn gerade in der Krise und der damit verbundenen Inflation versuchten Anleger, die es sich leisten konnten, ihr Vermögen abzusichern. Das zeigte sich allerdings auch an vielen anderen Investmentklassen: So erreichte der Aktienmarkt neue Höchststände, hochspekulative Anlagen wie Rohstoffe oder Kryptowährungen erhielten Zulauf.

Dabei gilt auch im Falle der Kunst: Einen plötzlichen Stimmungswandel an den Finanzmärkten spüren hochriskante Anlagen besonders deutlich. Die strengere Zinspolitik der US-Notenbank Fed etwa lässt das frische, günstige Geld versiegen, die Risikolust fällt. Das könnte auch den jüngsten Einbruch der durchschnittlichen Preise bei großen Künstlern wie Baselitz, Koons und Richter erklären.

Von Geldwäsche bis Fälschungen – es gibt viele Fallen für Anleger

Doch beim Kunstmarkt sind nicht nur die hochvolatilen Kurse und die unvorhersehbaren Aussichten mancher Künstler ein Risiko für Anleger: Intransparente Auktionen, Skandale über Kunstfälscher und Vorwürfe der Geldwäsche erhöhen die Unsicherheit für Investoren weiter.

Zwar gab es in den vergangenen Jahren Nachbesserungen, noch immer sind aber viele Aspekte des Kunstmarktes nur unzureichend reguliert. "Es mangelt nach wie vor an wirksamer Kontrolle, sodass sich Geldbeträge immer noch stückeln lassen und Geldwäsche begünstigt wird", sagt DLF-Redakteur und Kunstexperte Stefan Koldehoff t-online.

Ein weiteres Problem seien zudem mangelnde Fachkenntnisse bei den Ermittlungsbehörden. In kaum einem Landeskriminalamt gibt es Fachdezernate für Kunstkriminalität. Viele Ermittler können daher oft nicht feststellen, ob ein Preis für ein Kunstwerk angemessen oder überzogen ist.

Käufer und Verkäufer bleiben oft anonym

Zudem legt der Kunstmarkt einen großen Wert auf Anonymität. Das macht es für Anleger nicht einfacher, sich am Markt zu orientieren. Interessierte Käufer wissen oft nicht einmal, wer ein Kunstwerk verkauft. Bei Auktionen, selbst bei namhaften Häusern, ist es üblich, dass der Verkäufer eines Bildes nicht genannt wird. Teilweise bleiben sowohl Käufer als auch Verkäufer völlig unbekannt.

"Der Handel beruft sich hier auf ein angebliches Geschäftsgeheimnis, das es aber gar nicht gibt. Tatsächlich will man auch für Kunden attraktiv bleiben, denen es vor allem um eine diskrete Geldanlage geht", sagt Kunstexperte Koldehoff.

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Bei kaum einer anderen Anlageklasse ist eine solche Anonymität möglich. Beim regulären Aktienmarkt müssen sich Kunden mit ihrem Personalausweis identifizieren, um ein Depot zu eröffnen und Aktien oder Zertifikate zu kaufen.

Die schöne Kunst wäscht Gelder aus illegalen Geschäften

Selbst immer mehr Kryptobörsen beginnen, die Identität ihrer Kunden über Ausweispapiere zu prüfen. Dabei galten Kryptowährungen gemeinhin als besonders diskrete und anonyme Anlage – auch wenn das nur bei bestimmten Kryptowährungen wie Monero tatsächlich der Fall ist.

Am Kunstmarkt wird dagegen noch immer die Anonymität gewahrt – und das, während zum Teil zweistellige Millionensummen die Besitzer wechseln. Diese Möglichkeiten ziehen nicht nur Kunstliebhaber an. "Der Kunstmarkt gilt nach wie vor bei Ermittlern, mit denen man spricht, als gute Möglichkeit, Steuern zu hinterziehen und Gelder aus illegalen Geschäften zu verstecken und zu waschen", erklärt Koldehoff.

Die Kombination aus Bargeldzahlungen und den anonymen Verkäufen begünstigt Steuerhinterziehung bei der Anlageklasse. Eine besondere Rolle spielen dabei auch die sogenannten Zollfreilager in der Schweiz. Die ursprüngliche Idee dieser Einrichtungen war, Gegenstände einzulagern, um die Zollformalitäten, die bei Ein- und Ausfuhren anfallen, zu verringern.

Zollfreilager als "Schwarze Löcher des Kunstmarktes"

Da viele Kunstwerke international gehandelt werden und nicht nur innerhalb einer Zollunion, erscheint ein solcher Schritt erst einmal nicht ungewöhnlich. Doch in der Praxis haben sich die Zollfreilager zu "Schwarzen Löchern des Kunstmarktes" entwickelt, erklärt Koldehoff.

Da diese nicht unter die Kontrolle der nationalen Behörden fallen, bieten sie Kriminellen genügend Raum, um teure Kunstwerke unter der Hand zu handeln. "An vielen Orten weiß niemand, wer was hineinbringt, dort verkauft oder kauft", sagt Koldehoff.

Die vielen Schlupflöcher am Kunstmarkt nutzen auch russische Oligarchen. Sie umgehen mit dem Kauf von teuren Kunstwerken die westlichen Sanktionen und sichern so ihr Vermögen weiter ab.

Putins Freunde und die Liebe zur Kunst

Das zeigt etwa das Beispiel der Rotenberg-Brüder. Arkadi Rotenberg ist ein enger Vertrauter Putins, die beiden kennen sich noch aus Putins Zeit in St. Petersburg. Gemeinsam mit seinem Bruder Boris steht Rotenberg seit der Annexion der Krim 2014 auf der Sanktionsliste des Westens. Das hat die beiden Oligarchen aber nicht davon abgehalten, weiter Kunstwerke in Millionenhöhe zu kaufen.

Über ein Konstrukt aus Briefkastenfirmen haben sie etwa, während sie auf der Sanktionsliste standen, René Magrittes "La Poitrine" für 7,6 Millionen Dollar gekauft, weitere 6,8 Millionen Dollar gaben die Oligarchen für Werke aus der Epoche des Impressionismus und der modernen Kunst beim traditionsreichen Auktionshaus Sotheby's aus. Dabei hatte das Auktionshaus betont, keine Geschäfte mit sanktionierten Personen oder Unternehmen zu machen.

Es zeigt: Selbst für Experten ist es kompliziert, den Kunstmarkt zu durchschauen, es bleibt eine eigene Welt. Für private Anleger ist es nur schwer möglich, in diese vorzudringen – nicht nur wegen der hohen finanziellen Hürden.

Verwendete Quellen
  • Mit Daten des Kunstonlinehandels Artnet
  • Gespräch mit Sophie Neuendorf, Artnet
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