Verspätungen und Ausfälle Mit diesem Trick rechtfertigt die Bahn hohe Boni-Zahlungen
Fast fünf Millionen Euro Boni soll der Bahn-Vorstand erhalten – trotz der Unpünktlichkeit des Fernverkehrs. Wie rechtfertigt der Konzern die Sonderzahlungen?
Die Nachzahlung der Millionen-Boni aus dem Jahr 2022 an Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn ist in Anbetracht der gestiegenen Unpünktlichkeit, kaputter Strecken und vieler Ausfälle höchst umstritten.
So sagte die Abgeordnete Sahra Wagenknecht dem "Spiegel", die Bahn sei in einem "miserablen Zustand". "Deutsche Bummelbahn" laute die Leistungsbilanz der Führungsetage. "Dass sich die Konzernchefs in dieser Situation auch noch Boni zuschustern wollen, ist unverschämte Selbstbedienung", so Wagenknecht. Die Bundesregierung "sollte als Eigentümer den Vorstand auswechseln, Boni streichen und Verhandlungen mit der GDL aufnehmen, um weitere Streiks im neuen Jahr zu verhindern".
Fabio de Masi, ehemaliger stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken, schrieb auf X (vormals Twitter): "0 Prozent Leistung macht 5 Millionen Euro Boni? Obwohl die Bahn ein Desaster auf Schienen ist, gönnen sich die Bahn-Vorstände gegen Jahresende wohl wieder fette Boni."
"Schwieriges Signal"
Auch aus der SPD kam Kritik. Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Isabel Cademartori, sagte dem "Spiegel": "Das ist angesichts der aktuellen Performance der Bahn wirklich ein schwieriges Signal, auch wenn es sich um eine verschobene Zahlung aus der Vergangenheit handelt." Es sei "gut, dass die Pünktlichkeit und generelle Performance des Personenverkehrs in Zukunft viel stärker bei der Vergütung der Vorstände berücksichtigt wird".
Mit letzterem meint Cademartori die geplanten Änderungen im Bonussystem des DB-Vorstands. Dieses soll im kommenden Jahr umgestellt werden: Bahn-Vorstände hätten dann einen höheren Anteil ihres Gehalts als Fix-Gehalt, der Anteil der Boni solle sinken.
- Kommentar zu Bahn-Boni: Das ist eine Frechheit
Aber wie rechtfertigt die Bahn eigentlich die Boni in Höhe von 4,84 Millionen Euro? Schließlich gibt es immer wieder reichlich Kritik wegen Verspätungen und Ausfällen. Viele Kunden sind deshalb unzufrieden.
Zwei Ziele verfehlt
Genau aus diesem Grund hat die DB entschieden, für die Ziele "Pünktlichkeit" und "Stimmung der Fahrgäste" keine Boni auszuzahlen, heißt es in einem Bericht von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ). In anderen Bereichen bescheinigte das Unternehmen dem Vorstand aber, besonders gut gewesen zu sein – ein Trick, um die Boni zu rechtfertigen.
Demnach habe die Bahn die eigenen Ziele im Bereich "Frauen in Führung und Mitarbeitenden-Zufriedenheit" 2022 geringfügig übertroffen. Der Bonus für diesen Bereich sei aber offenbar deutlich erhöht worden, auf einen Wert von 175 Prozent. Die damals neun Konzernvorstände, darunter DB-Chef Richard Lutz, sollen demnach allein für dieses Ziel rund 1,6 Millionen Euro erhalten.
Vier Mitglieder erhalten Bonus für persönliche Leistungen
Auch beim Thema CO2-Einsparung habe die Bahn ihr selbstgestecktes Ziel den Unterlagen zufolge übererfüllt, und zwar um zwei Prozentpunkte, berichtete das Recherchebündnis. Dafür solle allein Lutz knapp 440.000 Euro an Bonuszahlungen erhalten. Bei der finanziellen Lage lag der Vorstand trotz sehr hoher Verschuldung sogar 200 Prozent über den Zielen, so der Bericht. Die Bahn schrieb sowohl 2022 als auch in diesem Jahr rote Zahlen.
Bei der persönlichen Leistung kamen vier Vorstandsmitglieder auf den Bestwert von 200 Prozent. Darunter war auch Konzernchef Lutz. Deshalb gibt es trotz des Fahrgastverdrusses wegen unpünktlicher Züge die Tantiemen aus dem Jahr 2022.
- sueddeutsche.de: "Nachträglich fast fünf Millionen Euro für den Bahn-Vorstand" (kostenpflichtig)
- spiegel.de: "Empörung in der Politik über Zahlungen an Bahn-Manager"
- twitter.com: Beitrag von @FabioDeMasi
- Nachrichtenagenturen AFP und Reuters