China in der Krise? Eine gefährliche Spirale
Die Corona-Krise und die Inflation in Europa haben Chinas Wirtschaft stark zugesetzt. Nun geht es bergauf – doch trotzdem ist es ein Teufelskreis.
Die chinesische Wirtschaft ist im zweiten Quartal deutlich um 6,3 Prozent gewachsen – doch die Zahl täuscht darüber hinweg, dass in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt einiges im Argen liegt. Faktoren wie die schlechte Verbraucherstimmung, der kriselnde Immobiliensektor und die schwächelnden Exporte wegen der hohen Inflation in Europa und Nordamerika gefährden die Erholung von der Corona-Krise.
Schlechte Verbraucherstimmung
Drei Jahre lang drückten harte Lockdowns, willkürliche Quarantäneauflagen und weitere drakonische Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie die Laune der Verbraucher. Mit dem Ende der Null-Covid-Politik der Pekinger Führung Ende 2022 kehrten die Chinesen in die Restaurants, Einkaufszentren und öffentlichen Verkehrsmittel zurück.
Doch der Aufschwung hielt nicht lang. Der Umsatz im Einzelhandel wuchs zuletzt nur noch leicht, die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt. "Die Unternehmen halten sich aufgrund der schwachen Konsumnachfrage mit Neueinstellungen zurück", sagt der Ökonom Larry Hu von der Investmentbank Macquarie. "Zugleich zögern die Verbraucher aufgrund der Konjunkturlage mit Ausgaben" – ein Teufelskreis.
Kriselnder Immobiliensektor
Immobilien galten in China lange als sichere Geldanlage. Die Preise stiegen und stiegen und das Baugewerbe baute und baute – zumeist auf Pump. Ab 2020 schritten die Behörden ein, weil die Verschuldung der Bauunternehmer astronomische Höhen erreicht hatte. Seitdem hat sich ihr Zugang zu Krediten erheblich erschwert. Einige haben Schwierigkeiten, Bauvorhaben abzuschließen, was sich wiederum negativ auf das Vertrauen von Kunden und Investoren und die Preise auswirkt.
Die chinesische Zentralbank hatte zuletzt verhaltene Unterstützung für die Branche auf den Weg gebracht, etwa Sonderkredite für angefangene Bauprojekte. Der Analyst Ting Lu von der Nomura Bank hält die Maßnahmen jedoch für "unzureichend", um den Sektor zu "retten".
Drohende Deflation
Anders als in Europa und Nordamerika sind in China die Preise für Waren und Dienstleistungen in den vergangenen Monaten kaum gestiegen und könnten sogar sinken. Was zunächst als positive Entwicklung für Verbraucher anmutet, ist eine schwerwiegende Gefahr für die Wirtschaft: Bei sinkenden Preise halten sich die Konsumenten zurück, um später von niedrigeren Preisen zu profitieren.
Bleibt die Nachfrage aus, drosseln die Unternehmen wiederum ihre Produktion, stellen nicht mehr ein oder entlassen Mitarbeiter und senken die Preise weiter, um Lagerbestände abzubauen – eine gefährliche Spirale.
Schwächelnde Exporte
Die auf das Exportgeschäft fokussierte chinesische Wirtschaft leidet indirekt unter der hohen Inflation und der Rezessionsgefahr in Europa und Nordamerika. Die Nachfrage nach chinesischen Produkten ließ in der Folge stark nach. Im Juni gingen Chinas Ausfuhren den zweiten Monat infolge zurück – um 12,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Geopolitische Spannungen
Die Spannungen zwischen China und den USA drücken die Stimmung. In Washington gibt es Rufe nach einer Abkopplung der US- von der chinesischen Wirtschaft, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Hinzu kommen Beschränkungen der US-Behörden für Exporte von Halbleitern nach China im Namen der "nationalen Sicherheit" – und der Druck aus Washington auf Verbündete etwa in Europa, dies ebenfalls zu tun.
Leere öffentliche Kassen
Drei Jahre Corona-Pandemie haben die öffentlichen Kassen vieler chinesischer Kommunalverwaltungen schwer in Mitleidenschaft gezogen: Die Umsetzung der drakonischen Corona-Auflagen – von Massentests bis Zwangsquarantänen und den Gehältern einer Armee von Mitarbeitern der Gesundheitsbehörden – haben viel Geld gekostet. Außerdem belastet die Krise im Bausektor die Einnahmeseite der Kommunen.
Ausbleibende Investitionen
In den vergangenen Monaten haben chinesische Politiker mehr denn je den roten Teppich für ausländische Firmenchefs ausgerollt. Ihr Leitmotiv: Die chinesische Wirtschaft hat Potenzial und private Investitionen sind willkommen. Die Ergebnisse sind bislang jedoch überschaubar – die ausländischen Kapitalinvestitionen in China haben sich in den vergangenen sechs Monaten nach offiziellen Angaben sogar leicht reduziert.
- Nachrichtenagentur AFP