Habecks Heizungsreform Es gibt einen großen Haken
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der Starttermin für die Heizungsreform wackelt. Zu groß ist der Widerstand – auch innerhalb der Regierungsparteien. Was das jetzt bedeutet.
Im Bundesrat stand am Freitag ein besonders kontroverses Thema zur Debatte: die Heizreform. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat dazu einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt – doch dieser ist stark umstritten, vor allem wegen des geplanten Startdatums.
Mehrere Ausschüsse des Bundesrats hatten der Länderkammer in den vergangenen Tagen Empfehlungen übermittelt. Eine der Aussagen: Das Inkrafttreten des neuen Gebäudeenergiegesetzes soll nach hinten verschoben werden – und nicht, wie im Koalitionsvertrag der Ampel festgelegt, zum Jahr 2024 umgesetzt werden. Diese Meinung teilen auch einige Politiker und Verbände.
Doch wie realistisch ist es, dass Habeck von seinem Plan abrückt und den Start tatsächlich um ein oder sogar mehrere Jahre nach hinten verschiebt?
Warum könnte das Gasheizungsverbot verschoben werden?
Die Ampelregierung hatte im Koalitionsvertrag ursprünglich vereinbart, ab 2025 nur noch Heizungen einzubauen, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise hatte die Bundesregierung das Startdatum für dieses faktische Gasheizungsverbot vor zwei Monaten auf 2024 vorgezogen. So soll sich Deutschland schneller unabhängig von fossilen Energien machen.
Dagegen aber regt sich erheblicher Widerstand: Es bestehen große Bedenken, dass sich Verbraucher, Industrie und Handwerker nicht adäquat auf die Wärmewende einstellen können. Denn die Dimension des Gesetzesvorhabens ist groß, Habecks geplantes Verbot trifft immerhin fast 75 Prozent aller Haushalte. Eine vom Heizungsbauer Thermondo in Auftrag gegebene Studie zeigt: Fast jeder Zweite heizt in Deutschland mit Gas, gefolgt von Ölheizungen mit 24 Prozent.
Inzwischen signalisieren deshalb selbst die Grünen Bereitschaft, vom Startpunkt 1. Januar für das Gasheizungsverbot abzurücken. Und auch viele andere aus Politik und Wirtschaft wollen einen späteren Start.
Ein Überblick über die Positionen
Robert Habeck hatte am Wochenende angedeutet, nicht unbedingt an einem Start 2024 festzuhalten. Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang zeigte sich offen für eine Verschiebung, warnte aber zugleich davor, die Pläne zu lange hinauszuzögern (hier lesen Sie mehr dazu).
Die FDP hingegen pocht auf Flexibilität beim Starttermin: Es sei wichtig, "dass dieses Gesetz am Ende funktioniert", sagte Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke-Gruppe. "Wir werden kein Gesetz beschließen, bei dem Fragen offenbleiben." Die aktuelle Vorlage müsse im parlamentarischen Verfahren noch verbessert werden, vor allem müsse die Technologieoffenheit "in der Realität auch funktionieren". Dürr betonte: "Wenn das dann länger dauert und ein Inkrafttreten zum 1. Januar nicht möglich ist, dann ist das so."
In der SPD gehen die Meinungen teils stark auseinander: Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) stellt einen Start 2024 infrage. Sie kritisierte, Übergangsfristen seien "zu knapp bemessen" und führten zu einer "stark erhöhten Nachfrage" nach den nötigen Anlagen und entsprechend steigenden Preisen. Dies bedeute eine Belastung von Bürgern, Unternehmen und Gebietskörperschaften "über Gebühr". Auch Auswirkungen für die Stadtwerke müssten einbezogen werden.
Warnung vor Verschiebung des Gesetzes
Bauministerin Klara Geywitz (SPD), deren Ministerium die Gesetzesnovelle gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium erarbeitet hatte, hält dagegen: "Meine Erfahrung ist, wenn man gute Vorsätze verschiebt, neigt man dazu, sie wieder zu verschieben", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Mit unserem im Kabinett geeinten Gesetzesvorschlag haben wir eine gute Grundlage geschaffen, um ab dem 1. Januar 2024 zu starten." Es sei ein klarer Fahrplan für den Ausstieg aus einer "veralteten und klimaschädlichen Heizungstechnik" nötig, sagte Geywitz. "Je früher wir den haben, umso mehr Sicherheit gibt es."
Auch der Verband Wohnen im Eigentum (WiE) warnt vor einer Verschiebung des Gesetzes. Er befürchtet, dass dadurch die Klimawende "auf die lange Bank geschoben wird". Es könne zwar sinnvoll sein, Fristen für die Umsetzung im Gesetz anzupassen. Ein späteres Inkrafttreten der gesamten Novelle würde hingegen dazu führen, "dass in vielen Wohnungseigentümergemeinschaften die notwendigen Gedanken über die Umsetzung verschoben werden – mit dem Ergebnis, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt erst recht in Zugzwang geraten".
Andere Verbände schlagen jedoch Alarm: Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) prognostiziert Lieferprobleme und einen Mangel an Fachkräften für den Einbau neuer Heizsysteme. DIHK-Energieexperte Sebastian Bolay empfiehlt deshalb längere Übergangsfristen aus Sicht der Unternehmen. Neben Wohngebäuden seien auch "weit über eine Million Gewerbeimmobilien" von dem geplanten Heizungsaustausch betroffen, sagte er der "NOZ".
"Massiver Zeitdruck ist hier nicht hilfreich"
Der Heizungsverband BVF schließt sich dieser Warnung an: Es fehle an Wärmepumpen, dem nötigen Ausbau der Wärmenetze und den nötigen Arbeitskräften. BVF-Chef Axel Grimm sagte der "NOZ", die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden sei die große Aufgabe der kommenden Jahre und die Planung dafür benötige ausreichend Vorlauf. "Massiver Zeitdruck ist hier nicht hilfreich." Das verursache große Probleme für Immobilieneigentümer, Handwerk, Energieberater und Industrie.
Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) macht sich für eine Verschiebung der Regelungen zum Heizungstausch um ein Jahr auf den 1. Januar 2025 stark. Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing hob zwar die Relevanz des Gebäudeenergiegesetzes hervor, doch es fehlten weitere zentrale Bausteine für eine klimaneutrale Wärmeversorgung. Nötig seien ein Gesetz für die kommunale Wärmeplanung und ein effektiver Förderrahmen für die notwendigen Investitionen, sagte Liebing der Deutschen Presse-Agentur. Andernfalls drohe ein "Regelungswirrwarr". Zudem sei die Förderung für Hausbesitzer und Netzbetreiber noch unklar, was "maximale Verunsicherung" auslöse.
Wie realistisch ist es, dass das Gasheizungsverbot verschoben wird?
Der Starttermin 1. Januar 2024 wackelt aufgrund der vielen offenen Fragen und Unstimmigkeiten. Doch ob das neue Gesetz um ein oder gar zwei Jahre verschoben wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Den Heizungstausch hingegen erst 2027 einzuleiten, steht nicht zur Debatte: Im Bundesrat erhielt der Vorstoß aus den Reihen einiger Bundesländer keine Mehrheit.
Wann das Gesetz in Kraft tritt, hängt vor allem davon ab, wann die Regierungsparteien sich bei den einzelnen Kritikpunkten einigen können. Mehrheitlich beschlossen die Länder am Freitag zahlreiche Änderungswünsche, bei denen es überwiegend um Detailfragen ging (lesen Sie hier mehr dazu).
Unabhängig vom Start der Heizungsreform in Deutschland schafft die EU einen großen Anreiz für einen Austausch: Die Preise für Heizöl, Diesel, Benzin und Erdgas werden wegen des EU-Emissionshandels 2027 kontinuierlich steigen. Eine rechtzeitige Erneuerung der Heizsysteme kann also viel Geld sparen. Hier lesen Sie weitere Details.
Was bedeutet das für Hauseigentümer?
Das kommt darauf an, wie Sie ticken. Und wie es um Ihre alte Öl- oder Gasheizung bestellt ist. Steht die nicht kurz vor der Havarie, können Sie sich Zeit lassen und abwarten, bis das Heizungstauschgesetz final beschlossen ist. Denn ob nun ab 2024 oder 2025 – einen Austauschzwang gibt es ohnehin nicht. Erst wenn Ihr Gerät unreparierbar kaputtgeht, müssen Sie handeln. Und selbst dann gibt es Übergangsfristen.
Wovon Verbraucherschützer jedenfalls abraten: alte Öl- und Gasheizungen noch schnell durch eine modernere Anlage zu ersetzen. Das bringt zwar kurzfristig im Vergleich zum alten Gerät eine Ersparnis, langfristig dürften Sie sich damit aber keinen Gefallen tun. Denn fossile Brennstoffe werden künftig stark mit CO2-Abgaben belegt werden. Hinzu kommen steigende Kosten für die Infrastruktur, wenn weniger Haushalte ans Gasnetz angeschlossen sind.
Wer es sich leisten kann, kann den grünen Weg natürlich auch schon früher als gesetzlich vorgeschrieben einschlagen. Und viele tun das auch: Die Nachfrage nach Wärmepumpen hat sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres mehr als verdoppelt. Schon jetzt bekommen Sie Geld vom Staat, wenn Sie eine fossile Heizung gegen eine klimafreundliche umtauschen. Ein neues Förderkonzept der Bundesregierung sieht zudem verschiedene Klimaboni vor – zum Beispiel, wenn Sie noch gar nicht zum Austausch verpflichtet sind (mehr dazu hier). Aber auch hier heißt es: abwarten, was die Parlamentarier beschließen.
- 1033. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2023
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- bmwk.de: "Heizen mit 65 % erneuerbaren Energien – Begleitende Analysen zur Ausgestaltung der Regelung aus dem Koalitionsvertrag 2021"
- thermondo.de: "Die große Studie zu Heizungstechnik und Heizverhalten in Deutschland"