Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.50-Stunden-Bahnstreik Es reicht!
50 Stunden steht der Bahnverkehr ab Sonntagabend still. Das ist nicht hinnehmbar. Bahn und Gewerkschaft müssen sich jetzt endlich einigen.
Wer mit der Bahn fährt, ist Kummer gewohnt. Verspätungen und Zugausfälle gehören zur Tagesordnung, überfüllte ICEs und Ärger übers Wackel-WLAN sowieso. Jetzt aber setzt die Gewerkschaft EVG noch einen obendrauf:
Zwei Tage, insgesamt 50 Stunden, soll gar nichts mehr gehen in Deutschland. Stillstand auf der Schiene. Der längste Warnstreik in der Geschichte der Bahn, der damit doch eher anmutet wie ein echter, richtiger Vollstreik, nur ohne Urabstimmung. Millionen Reisende und Zehntausende Container gelangen nicht von A nach B, weil sich die Bahn und die Gewerkschaft im Tarifkonflikt nicht einigen können.
Das ist nur schwer zu akzeptieren – und ruft zu Recht bei vielen Menschen Unverständnis hervor, die nicht zur Arbeit gelangen, wichtige Termine verpassen. Ja, die Verhandlungen ums Geld sind festgefahren. Aber müssen deshalb immer gleich alle so sehr darunter leiden?
Millionenboni trotz Unpünktlichkeit
Den Schuldigen, den Buhmann im aktuellen Tarifkonflikt auszumachen, ist nicht leicht. Da ist zum einen die Bahn und ihr Management, das sich und Tausenden Führungskräften nach Recherchen von NDR und "Süddeutscher Zeitung" trotz extremer Unpünktlichkeit und hoher Unzufriedenheit bei den Kunden Boni in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe auszahlen lässt. Das ist gelinde gesagt ein schlechtes Signal, wenn Personalvorstand Martin Seiler zugleich die EVG-Forderungen für mehr Geld als überzogen zurückweist.
Überhaupt blieb Seiler in den Verhandlungen zuletzt eher zurückhaltend und brauchte nach dem jüngsten Warnstreik ungewöhnlich lange, um ein weiteres Angebot vorzulegen. Der Gewerkschaftsfrust über ihn und das Bahn-Management ist deshalb ein Stück weit verständlich.
Und doch ist da zum anderen eben auch die EVG selbst, die dieser Tage wie nie zuvor aufdreht, auf Maximalforderungen pocht und sich kaum kompromissbereit zeigt – nicht zuletzt, um im Zwist mit der Konkurrenzgewerkschaft GDL zu beweisen, dass auch sie ordentlich streiken kann. Über den jüngsten Vorschlag der Bahn, der sich am Schlichterspruch und dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst orientiert, wollte Gewerkschaftsboss Kristian Loroch nicht einmal verhandeln.
Der jüngste Bahn-Vorschlag war gut
Dabei kann dieser sich sehen lassen: Neben einem steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich von insgesamt 2.850 Euro sieht er unter anderem eine stufenweise Erhöhung ab März des kommenden Jahres von insgesamt 10 Prozent vor. Die Laufzeit des Tarifs wäre mit 27 Monaten zwar deutlich länger als die von der EVG geforderten zwölf Monate. Aber genau für die Klärung solcher Fragen sind Verhandlungen ja eigentlich da.
So oder so – fest steht: Immer neue Warnstreiks, immer neue Eskalationen sind nicht hinnehmbar. Es reicht.
Sollte sich auch in der dann hoffentlich bald folgenden vierten Verhandlungsrunde kein Ergebnis abzeichnen, müssen zumindest dann drohende noch längere Streiks abgewendet werden. Wenn es gar nicht anders geht, auch mit einem eigenen Bahn-Schlichter.