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SPD und CDU: Lügen im Wahlkampf – Jetzt wird es richtig schmutzig


Meinung
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Lügen im Wahlkampf
Jetzt wird es richtig schmutzig

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

20.11.2024 - 14:18 UhrLesedauer: 4 Min.
FDP-Chef Lindner (rechts) und der CDU-Vorsitzende Merz (Archivbild): Haben ihre Parteien Antworten auf die Rentenfrage?Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz (CDU) und Christian Lindner (FDP): Parteimitglieder teilten eifrig Fake News auf X. (Quelle: IMAGO)

Der Wahlkampf werde schmutzig, ist seit dem Bruch der Ampel überall zu lesen. Stimmt nicht: Er ist es längst. Ein Medium hat sich bereits bis auf die Knochen blamiert.

Wer am Samstagabend "Focus Online" öffnete, dem sprang diese Überschrift entgegen: "Wahlkampf aus der untersten Schublade – SPD plant Schmutz-Kampagne! Frauen sollen Angst vor Friedrich Merz schüren." Die Sozialdemokraten, so wollte es die Redaktion in Erfahrung gebracht haben, wisse sich gegen den in den Umfragen klar vorn liegenden Kanzlerkandidaten von CDU und CSU nicht mehr anders zu wehren als unter Einsatz unanständiger Mittel: Die SPD plane "eine Diskreditierungs-Kampagne gegen Friedrich Merz. Demnach sollen 100 Frauen sagen, warum sie Angst vor Friedrich Merz haben."

Angst, Verzweiflung ob der desaströsen Umfragewerte der SPD und besonders von Olaf Scholz – laut der empörten Redaktion von "Focus Online" die Erklärung für diese Aufkündigung aller guten Sitte der einst so stolzen Sozialdemokratie. "Wer nichts von sich selbst ins Schaufenster stellen kann, der greift lieber den Gegner frontal an. In dem Fall Friedrich Merz", so das scharfe Urteil der Redaktion, die sich über ihren Scoop freute: Von diesen Plänen habe man "exklusiv" erfahren.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

Diese Meldung, kein Wunder, war in den sozialen Netzwerken sofort der große Aufreger. Viele ließen dort wissen, dass sie es ja immer schon gewusst hätten: die SPD, ein Verein von anstandslosen Gesellen. Für nix zu gebrauchen, für nix zu schade. Diverse Leute auf X und anderswo sprangen drauf auf den Zug namens: "Die SPD – endlich enttarnt!" Mit dabei waren nicht nur die üblichen Verdächtigen ohne Anstand, ohne Posten. Nein, wir stecken ja mitten im Wahlkampf. Namhafte Vertreter der CDU und der FDP mischten mit im Überbietungswettbewerb des in Postings gegossenen Naserümpfens.

Nun könnte man sich ohnehin darüber unterhalten, ob die FDP aktuell die Position im politischen-ethischen Gefüge innehat, sich über andere erheben zu können: Laut Recherchen der "Zeit" war der Bruch der Ampel vonseiten der Liberalen minutiös geplant – und das anschließende empörte "Der Bundeskanzler hatte eine Rede vorbereitet!!" vor diesem Hintergrund allenfalls gut inszenierte Schauspielerei. Freundlich formuliert.

Ungewöhnlicher, peinlicher Fehler

Aber lassen wir das. Viel wichtiger nämlich: Manche hatten ihre Social-Media-Posts noch gar nicht zu Ende formuliert – da war die Meldung von der "Focus Online"-Seite schon wieder verschwunden. Weg. Einfach weg. So unauffindbar wie Dubai-Schokolade in meinem Rewe.

Das ist äußerst ungewöhnlich. Der "Stern"-Journalist Julius Betschka schrieb auf X: "Einen Artikel zu löschen, ist im Journalismus so wie ein Atomschlag gegen sich selbst. Das macht man selbst bei Klagen nie, fast nur bei Fälschung/kompletter Unwahrheit."

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Damit traf der Kollege den Nagel auf den Kopf: Am Montag (und damit reichlich spät) las man eine im Vergleich zur ursprünglichen Meldung ziemlich verzagte Geschichte auf "Focus Online": "Wir gehen inzwischen nicht mehr davon aus, dass es strategische Überlegungen der SPD in der von uns ursprünglich dargestellten Art gegeben hat", musste sich die Redaktion korrigieren.

Ein peinlicher Fehler, und in dieser Drastik auch ein ungewöhnlicher. Anscheinend hatte die Meldung nicht gestimmt. Exklusiv gewesen war sie also. Zu exklusiv. Man könnte auch sagen: Fake News.

Erstaunlich agressive Parteisoldaten

Ja, "Focus Online" hat seinen Fehler eingeräumt – und sich nach ebenfalls zu langem Schweigen inzwischen auch entschuldigt. Was aber bleibt, ist: Es waren Desinformationen im Umlauf. Nicht gestreut zum Beispiel vom durch und durch unseriösen "Nius"-Portal des geschassten "Bild"-Chefs Julian Reichelt, sondern von einem namhaften Medium wie "Focus Online". Und dankbar aufgegriffen von einer entflammten, nach Wahlkampfmunition geifernden Polit-Sphäre. Die nicht mal darauf achtete, ob "Focus Online" eigentlich mal bei der SPD nachgefragt hatte, ob die Angaben denn stimmen. Oder bei einigen der angeblich an der Kampagne beteiligten Frauen.

Angriff geht vor Sorgfalt, das scheint die Devise in diesem Wahlkampf zu sein. Davon kann auch die Bundeswahlleiterin ein Lied singen: Sie war nach unglücklicher Kommunikation von nicht ganz unbedeutenden Mitgliedern der CDU und ihrer für eine konservativ-christliche Partei erstaunlich aggressiv arbeitenden Parteisoldaten mehrere Tage lang vor allem auf X als gekauft, unfähig und politisch gesteuert bezeichnet worden.

Die Frau hatte in einem Brief an den Kanzler darauf hingewiesen, dass Neuwahlen im Januar oder im Februar unter anderem (!) wegen der in der Vergangenheit bereits schwierigen Beschaffung von ausreichend Papier erschwert werden könnten. Daraus wurde dann kurzerhand gemacht, die Frau habe gesagt: Vorgezogene Neuwahlen gehen nicht, weil wir nicht genug Papier haben.

Ein Blick in die USA

So kann man das lesen. Allerdings nur dann, wenn man das so lesen will. Weil es der eigenen Erzählung nutzt. Und der Diskreditierung des politischen Gegners, der nicht mal vor der Beeinflussung der Bundeswahlleiterin zurückschreckt. Das funktioniert, es bleibt ja immer was hängen.

Allerdings ist der Preis hoch. Er lautet: stückweiser Verlust des eigenen Ansehens – und nicht nur das. Wenn Funktionäre und Spindoktors selbst der bürgerlichen Mitte-Parteien den Anspruch an die eigene Glaubwürdigkeit zugunsten von Reichweite und Punktsiegen senken, dann senken sie den gesamtgesellschaftlichen Anspruch. An Glaubwürdigkeit, an Fakten, an Niveau und an das Ansehen von Politik.

Wer sich mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen darüber wundert, dass jemand US-Präsident werden kann, der sagt, er könne Frauen zwischen die Beine greifen und es würde ihm nicht schaden – der sollte die Augen weit offenlassen und sehr genau hinschauen. Auf diesen kurzen und dafür womöglich umso heftigeren Wahlkampf hierzulande.

Von Brandmauern reden und zündeln

Man kann das alles so machen. Man kann eine Bundeswahlleiterin zur Unkenntlichkeit verzerren zu einer verlogenen und korrupten Frau, die alles dransetzt, dass Olaf Scholz wieder Kanzler wird. Man kann auch so wie ein SPD-Bundestagsabgeordneter ein KI-generiertes Video posten, in dem Friedrich Merz Aussagen in den Mund gelegt werden, die dieser nie getätigt hat. Dafür hat sich der Sozialdemokrat inzwischen entschuldigt – nachdem, wohlgemerkt, sein Fraktionschef Rolf Mützenich genau das im Bundestag angekündigt hatte.

Man kann das alles so machen, keine Frage. Man kann erst mal raushauen, und entschuldigen kann man sich danach ja immer noch. Und sich damit brüsten, sich ja immerhin entschuldigt zu haben. Was man dann aber nicht mehr kann: sich als bürgerlich inszenieren. Von Brandmauern reden und gleichzeitig zündeln. Dann kann man eigentlich nur noch eins: einpacken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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