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Papst Franziskus: Nach seinem Tod beginnt die Ego-Show


Beschämend statt bescheiden
Jetzt schlägt die Stunde der Selbstdarsteller

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 22.04.2025 - 16:55 UhrLesedauer: 3 Min.
Papst Franziskus beim Selfie mit zwei italienischen Comedians 2024: Prominente aus aller Welt wetteifern nach seinem Tod um Aufmerksamkeit.Vergrößern des Bildes
Papst Franziskus beim Selfie mit zwei italienischen Comedians 2024: Prominente aus aller Welt wetteifern nach seinem Tod um Aufmerksamkeit. (Quelle: Vatican Media/imago-images-bilder)
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Franziskus war ein bescheidener Papst. Und was machen viele nach seinem Tod? Sie zeigen ihn – und vor allem sich selbst.

Die Nachricht vom Tod des Papstes war kaum öffentlich, da begann es bereits, das bekannte Muster: Ein großer Mensch stirbt – und andere nutzen den Moment, um sich öffentlich zu erinnern. Mit Posts. Mit Fotos. Mit sich. Möglichst prominent, möglichst gut ausgeleuchtet, möglichst nah am Verstorbenen. Die Geste: vermeintlich ehrend. Die Botschaft: "Schaut her, wen ich kannte!" Pietät? Offenbar ein Fremdwort, dessen Bedeutung die wenigsten kennen – oder googeln.

Dabei war Franziskus einer, der den allzu großen Protz ablehnte. Er stellte sich in die Nachfolge von Franz von Assisi, der für sein einfaches Leben verehrt wird. Statt in den päpstlichen Residenzen lebte er im Gästehaus des Vatikans. Ein demonstratives Bekenntnis seiner Bescheidenheit. Franziskus wollte denjenigen dienen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Er wollte die Schwächsten in den Mittelpunkt stellen. Nicht sich selbst.

Und nun? Kämpfen andere nach seinem Tod um Sichtbarkeit – mit ihm. Posten Fotos, auf denen sie selbst zentral, frontal und fotogen abgelichtet sind, während der Papst im Bildausschnitt bestenfalls angeschnitten, gern auch nur von hinten zu sehen ist.

Lassen Sie es uns einmal in aller Deutlichkeit festhalten: Da tragen Menschen mit jemandem den Kampf um Aufmerksamkeit aus, der den Kampf gegen den Tod verloren hat. Und merken gar nicht, wie sehr sie dabei verlieren. An Anstand und an Ansehen. Der Grat zwischen Gedenken und Ego-Show ist schmal – und wird offenbar umso schmaler, je größer das eigene Ego ist.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz". Mehr

Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich ist es viel persönlicher, sich nach dem Tod eines Menschen an gemeinsame Erlebnisse zu erinnern. Darüber zu berichten kann trösten, inspirieren, ein vielschichtiges Bild entstehen lassen. Aber braucht es dafür wirklich ein Foto mit dem Toten?

Dass es anders geht, zeigen viele Beispiele. "Ich werde niemals seine absolute Präsenz vergessen", schrieb jemand auf X – ohne Rang, Namen und übersteigertes Selbstdarstellungsbedürfnis. So simpel. So angemessen. So sehr im Sinne dessen, was Franziskus ausgemacht hat.

Das ist individuell, das ist emotional – und, ganz wichtig: Das ist ohne Weiteres möglich, ohne das Schlaglicht auf sich selbst zu richten. Ohne gierig die Gelegenheit dafür zu nutzen, sich selbst zu inszenieren. Oder präziser ausgedrückt: die Gelegenheit zu missbrauchen.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wer sich zur Selbstdarstellung nicht zu schade war?
Ganz ehrlich: Eine kurze Internetsuche reicht. Die Beispiele sind zahlreich – und müssen an dieser Stelle nicht erneut in den Mittelpunkt gerückt werden. Nur so viel: Sie werden überrascht sein, wer sich alles hat hinreißen lassen. Menschen, die mächtigste Ämter auf dieser Welt innehatten. Oder haben.

Ich habe Pietät übrigens gegoogelt: "Pietät (lateinisch pietas 'Frömmigkeit, Pflichtgefühl') steht für den besonders gegenüber den Gefühlen oder den religiösen Wertvorstellungen anderer entgegengebrachten ehrfürchtigen Respekt, auch Taktgefühl, oftmals in Bezug auf die Verstorbenen."

Tja. Eigentlich ganz einfach, oder?

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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