Zu langsames Internet Millionen Verbraucher dürfen Rechnung mindern
Wer kennt das nicht? Monatlich bezahlt man für Highspeed-Internet, doch oft tröpfeln die Daten nur in Zeitlupe aus der Leitung. Ab Dezember können Verbraucher deshalb stattliche Summen einbehalten, so Verbraucherschützer.
Schnelles Internet ist heute wichtiger denn je: nicht nur für den gepflegten Netflixabend. Auch Arbeit oder Uni erfordern – gerade jetzt, während der Pandemie – oft auch zu Hause eine stabile Internetverbindung. Doch Millionen Kunden machen die Erfahrung, dass ihnen von ihrem Internetanbieter viel weniger Leistung geboten wird als ursprünglich bei Vertragsabschluss versprochen.
Das zeigen auch die Daten der Bundesnetzagentur. Nutzer, die deren Messwerkzeuge unter breitbandmessung.de nutzten, bekamen in der überwiegenden Mehrheit nicht die Leistung, die sie bezahlten. Im Messzeitraum 2019/2020 kamen gerade einmal 24 Prozent der Tester auf 100 Prozent der vertraglich zugesicherten Leistung. Gut ein Viertel der User erhielt sogar nicht einmal die Hälfte.
Tun konnten Kunden bislang in solchen Fällen wenig. Zum 1.12. ändert sich das aber, denn dann tritt die Novelle des Telekommunikationsgesetzes in Kraft. Sie erlaubt bei "erheblichen, kontinuierlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Abweichungen bei der Geschwindigkeit [...] zwischen der tatsächlichen Leistung der Internetzugangsdienste und der vom Anbieter der Internetzugangsdienste [...] angegebenen Leistung" (§ 57 Abs. 4 TKG), die eigene Zahlung entsprechend zu mindern oder den Vertrag "außerordentlich ohne Einhaltung der Kündigungsfrist" zu kündigen.
Kunden mindern ihren Rechnungsbetrag anteilig
Bei der Minderung sollen die Kunden die Zahlung in dem Verhältnis herabsetzen, in dem die tatsächliche von der vertraglich vereinbarten Leistung abweicht. Heißt auf Deutsch also: Erhält man regelmäßig nur die Hälfte der versprochenen Internetgeschwindigkeit, muss man auch nur noch die Hälfte dafür zahlen – oder kündigt den Vertrag gleich ganz.
Wichtig ist dabei allerdings, das fehlende Tempo richtig zu messen und zu dokumentieren. Wie das geht, erfahren Sie hier.
Dass dieses neue Verbraucherrecht erhebliche Folgen für Millionen Kunden und damit auch für die Internetanbieter haben dürfte, zeigt nun eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV).
Für die Auswertung haben sich die Verbraucherschützer die Daten der Bundesnetzagentur aus dem Jahresbericht 2020 angeschaut, der auf knapp einer Million valider Messungen beruht. Hier wurden nun die vier großen Anbieter Telekom, Telefónica, Vodafone und 1&1 hinsichtlich versprochener und tatsächlicher Leistung verglichen.
Sie legten ihr Augenmerk vor allem auf die Verträge in den unteren Bandbreiten zwischen 2 und unter 50 Mbit/s sowie in den hohen Bandbreiten im Bereich zwischen 200 und unter 500 Mbit/s. Anschließend wurde errechnet, um welchen Betrag Nutzer ihre monatliche Internetrechnung ab Dezember senken können – und kamen dabei auf erhebliche Summen.
Ergebnisse der Verbraucherschützer
Telekom
- Im Bandbreitenspektrum zwischen 2 bis 49 Mbit/s zahlen laut Untersuchung die Hälfte der Kunden mehr als 30 Prozent zu viel für ihren Internetanschluss. Das bedeute monatliche Einsparungen zwischen 9,25 und 15,90 Euro, schreibt der VZBV. Ein Drittel der Nutzer erhalte nicht einmal die Hälfte der Leistung und könnte entsprechend 15,21 bis 23,89 Euro weniger pro Monat zahlen.
- Im Bereich 200 bis 499 Mbit/s bekomme ein Drittel der Nutzer nicht einmal 37,7 Prozent der zugesagten Leistung. Hier können je nach Vertrag Summen von knapp 29 Euro und mehr im Monat einbehalten werden.
Vodafone
- Besonders groß sei die Diskrepanz zwischen Versprechen und Leistung hier etwa im Bereich von 8 bis 18 Mbit/s. Die Hälfte der Nutzer bekomme nur gut 60 Prozent der Leistung. Sie zahlen also selbst in diesen günstigen Tarifen noch mindestens 8,82 Euro zu viel.
- Im Bereich 200 bis unter 500 Mbit/s erhält jeder dritte Kunde nur ein Drittel der versprochenen Leistung – monatlich werden somit 20 bis 26,67 Euro zu viel gezahlt, die künftig einbehalten werden dürften.
Telefónica
- Bitter ist es hier vor allem für Kunden, die Bandbreiten von 8 bis unter 18 Mbit/s gebucht haben. 20 Prozent der Nutzer bekommen hier ebenfalls nur ein Drittel der versprochenen Leistung, zahlen damit laut VZBV etwa 17,72 Euro zu viel.
- Schlecht schneidet bei Telefónica aber auch der Bereich 25 bis unter 50 Mbit/s ab. Jeder zweite Kunde erhält hier weniger als die Hälfte der versprochenen Leistung, was mindestens 16,04 Euro monatlich zu viel sind.
- Der Bereich 100 bis unter 200 Mbit/s ist ebenfalls nicht wirklich leistungsfähig: VZBV zufolge bekommt hier jeder fünfte Kunde weniger als die Hälfte der vertraglich zugesicherten Leistung und zahlt entsprechend mindestens 20,63 Euro zu viel im Monat.
1&1
- Auch 1&1 verkauft offenbar häufig mehr Leistung, als das Unternehmen im Alltag dann liefern kann. Im Bereich 8 bis unter 18 Mbit/s erhält die Hälfte der Kunden über ein Drittel weniger als die versprochene Leistung. Mindestens 8,64 Euro werden hier in Monat zu viel gezahlt.
- Der Bereich 200 bis unter 500 Mbit/s enttäuscht die Kundenerwartungen ebenfalls vielfach: Die Hälfte der Vertragsnehmer bekommt nur knapp zwei Drittel der zugesicherten Geschwindigkeit – und zahlt damit mindestens 14,60 Euro zu viel. Richtig bitter ist es für 10 Prozent der Kunden, die weniger als 13,1 Prozent des versprochenen Tempos erhalten. Sie dürfen bald ihren monatlichen Rechnungsbetrag um mindestens 34,75 Euro mindern.
Die Ergebnisse zeigen erneut, dass Werbeversprechen und tatsächlich erbrachte Leistung bei den Internetanbietern oft noch erheblich auseinanderklaffen. Mit der Novelle des TKG haben Verbraucher aber ein scharfes Schwert, um sich gegen diese Minderleistung zu wehren.