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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hass-Botschaften im Netz Anschlagsvideos bringen Facebook und YouTube an die Grenzen

In Hanau soll ein Mann
Neun Menschen, seine Mutter und sich selbst soll Tobias R. am späten Mittwochabend getötet haben. Weitere Personen wurden bei dem Angriff auf eine Shisha-Bar und ein Café im hessischen Hanau verletzt. Kurz nach der Angriffsserie verdichten sich die Hinweise auf ein rassistisches Motiv.
Eine persönliche Webseite des mutmaßlichen Täters gab Einblicke in seine Gedankenwelt. Inzwischen wurden alle Inhalte gelöscht, die Seite existiert dem Anschein nach nicht mehr. Zuvor konnte t-online.de die Dokumente und Videobotschaften jedoch sichten, hier finden Sie eine Zusammenfassung der Erkenntnisse.
Server-Betreiber reagierte schnell auf Polizei-Ersuchen
Seine Internetseite hatte der Attentäter bei dem Webhosting-Service Ionos (früher 1&1) eingerichtet. Als die Polizei Frankfurt am Donnerstagmorgen um 9.30 Uhr anrief und das Unternehmen über das grausame Verbrechen in Hanau und die damit im Zusammenhang stehende Webseite informierte, reagierten die Verantwortlichen umgehend.
Nach einer schriftlichen Bestätigung durch die Polizei verschwand der wirre Text des Mannes, die Seite wurde vom Netz genommen. "Sie kann aus dem Internet nicht mehr erreicht werden, und es könnte sich auch kein möglicher Komplize mehr einloggen", sagte Ionos-Sprecher Andreas Mauer zu t-online.de. Zugleich seien alle Inhalte bei Ionos für die Strafverfolgungsbehörden gesichert.
Soziale Netzwerke kämpfen gegen Neu-Uploads
Auch Plattformen wie Facebook und YouTube haben die Ereignisse in Hanau in Alarmbereitschaft versetzt: Nach einem Verbrechen wie diesem verbreiten sich Falschmeldungen wie Lauffeuer. Verschiedene politische Lager versuchen, die Tat für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Auch die Hass-Botschaften des mutmaßlichen Täters finden Verbreitung. Auf YouTube war ein Video von Tobias R. noch am Donnerstagvormittag auf manchen Kanälen zu finden.
Facebook, YouTube, Twitter und Co. stufen derartige Inhalte als Verstoß gegen die Community-Regeln ein und versuchen, sie zu löschen. Damit soll auch die Gefahr von Nachahmungstaten eingedämmt werden. Die Bemühungen sind eine Folge der der bitteren Erfahrungen mit dem antisemitischen Attentat von Halle und vor allem dem Terroranschlag in Christchurch. Die Netzwerke arbeiten jetzt enger zusammen und tauschen Erkenntnisse aus.
Social-Media-Giganten schließen sich zusammen
Dazu haben sich die großen Social-Media-Plattformen in einer Art Dachorganisation zur Terrorbekämpfung zusammengeschlossen. Das "Global Internet Forum to Counter Terrorism" (GIFCT) kann nach einem Terrorakt veranlassen, dass bei allen Mitgliedern ein Protokoll ausgelöst wird. Bislang hat die Organisation im Fall von Hanau allerdings noch darauf verzichtet.
Im Unterschied zum Angriff auf eine Synagoge in Halle sind im Video keine Livebilder der Tat zu sehen. In Deutschland wurde damals, im Oktober 2019, das Protokoll erstmals ausgelöst. Der Angreifer hatte seine Tat mit einer Helmkamera gefilmt und als Livestream übertragen.
Die als Terror-Propaganda klassifizierten Bilder, Texte oder Videos werden über einen sogenannten Hashwert identifiziert, einer Art digitalem Fingerabdruck einer Datei. Dieser wird in einer gemeinsamen Datenbank der sozialen Netzwerke gespeichert. Versucht jemand, den unerwünschten Inhalt erneut irgendwo hochzuladen, schlägt die Filtersoftware der Plattformen Alarm und verhindert den Upload.
Verbreitung von Täter-Videos soll strenger bestraft werden
Allerdings funktioniert die Technik nicht perfekt: Sobald die Nutzer größere Änderungen an dem Video vornehmen, scheitert die Erkennungssoftware.
Das machte auch die Löscharbeiten nach den rassistischen Terror-Anschlägen von Halle und Christchurch zu einem Kampf gegen Windmühlen. Nach Informationen von t-online.de sind in der Datenbank inzwischen mehrere Dutzend Varianten des Halle-Videos hinterlegt. Von dem Angriff auf Moscheen in Neuseeland sind sogar mehr als 300 verschiedene Versionen blockiert.
Damit wird es Nutzern immer schwerer gemacht, noch Szenen der Angriffe auf Moscheen hochzuladen. Noch Wochen später waren aber Variationen der Aufnahmen durch das Netz gegeistert. In Neuseeland wurden Nutzer, die das Video geteilt hatten, teilweise zu hohen Strafen verurteilt.
Auch in Deutschland soll die Verbreitung von Hass und Hetze im Netz künftig härter bestraft werden. Dazu sollen mehrere Gesetze angepasst werden. Am Mittwoch hatte das Kabinett einen entsprechenden Paketentwurf von Bundesjustizministerin Christina Lambrecht (SPD) verabschiedet.
- Eigene Recherche