DSGVO-Beschwerden Datenschutzbeauftragte klagen wegen Überlastung
Die Regeln der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) überfordern nicht nur kleine Firmen und Vereine: Auch die zuständigen Behörden sind überlastet. So viele Bürgerbeschwerden wie jetzt gab es noch nie.
Der erste Monat mit der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung hat deutsche Behörden zum Teil an ihre Grenzen gebracht. Neben Beschwerden bekommen Landes-Datenschützer auch viele Nachfragen von Firmen und Bürgern zum Umgang mit den neuen Regeln, die seit dem 25. Mai greifen.
"Wir nennen uns nur noch Call-Center", sagte eine Sprecherin des hessischen Datenschutzbeauftragten Michael Ronellenfitsch. "Die Zahl der Anfragen ist extrem hoch. Vor allem bei Firmen, Kommunen und auch bei Vereinen herrschen große Unsicherheiten." Auch Privatleute wenden sich mit ihren Fragen an den Datenschutzbeauftragten und sein Team. Wie viele formale Beschwerden unter den Anfragen sind, konnte die Sprecherin nicht beziffern.
Die Datenschutzgrundverordnung hatte einen schweren Start. Dabei verspricht sie Vorteile für Verbraucher. Sogar die Schufa muss sich womöglich umstellen. Andererseits gibt es Probleme mit Abmahnungen. Auf t-online.de finden Sie viele weitere praktische Ratgeber: Wir haben zum Beispiel eine Checkliste für Vereine vorbereitet. WhatsApp-Nutzer aufgepasst: Auf dem Diensthandy verstößt WhatsApp gegen den Datenschutz – allerdings nicht erst seit Mai. Dafür wurde das Mindestalter für WhatsApp im Zuge der DSGVO auf 16 angehoben. Viele Anbieter verschicken jetzt ihre neuen Datenschutzrichtlinien. Aber es ist Vorsicht geboten, denn oft steckt Phishing dahinter. Wie Sie sich vor DSGVO-Betrug schützen, lesen Sie hier. Die wichtigsten Fakten zum neuen Gesetz erfahren Sie hier. Was ist dran an den Gerüchten, dass Fotografieren bald verboten sein soll? Alles zu den größten DSGVO-Mythen finden Sie hier. Und: Nur ein Viertel aller Unternehmen ist gut vorbereitet. Die SPD-Politikerin Saskia Esken übt Selbstkritik.
Bürger wissen nun, dass es Datenschutz gibt
Auch die Datenschützer in Nordrhein-Westfalen versinken in einer Flut von Anfragen. "Die Telefone stehen nicht mehr still", sagte ein Sprecher. Täglich nehme der mit nur einer Person besetzte Empfang rund 100 Anrufe zum Thema europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entgegen. In den Tagen rund um den Start der neuen EU-Regeln am 25. Mai seien es sogar 140 Anrufe täglich gewesen. Seit Anfang des Jahres erreichten die NRW-Datenschützer 4700 schriftliche Eingaben – im gesamten Vorjahr waren es nur knapp 4000. Allerdings fallen darunter nicht nur Beschwerden, sondern auch Beratungsanfragen.
"An einem Tag gehen jetzt so viele Beschwerden ein wie vorher in zwei Wochen", sagte ein Sprecher der Berliner Datenschutz-Behörde. Genaue Zahlen lägen noch nicht vor. Als Schwerpunkte kristallisierten sich Online-Handel und Lieferdienste für Essen heraus. Die Fälle werden nun geprüft und die Unternehmen um Stellungnahme gebeten. Viele Bürger seien im Zuge der Berichterstattung über die neuen Regeln stärker in Sachen Datenschutz sensibilisiert. "Sie haben davon erfahren, dass es Datenschutz überhaupt gibt, das war vorher bei vielen nicht bekannt."
Verbraucher haben Auskunftsrecht
Die EU-Grundverordnung soll Bürgern mehr Mitsprache dabei geben, was mit ihren Daten in Unternehmen, Vereinen oder Behörden passiert. Dazu gehören Name, Adresse, E-Mail-Adresse, Ausweisnummer oder IP-Adresse. Besonders empfindliche Daten etwa zu Religion, Gesundheit oder Sexualleben dürfen nur in Ausnahmefällen verarbeitet werden. Daten, die für den ursprünglichen Speicherzweck nicht mehr benötigt werden, müssen gelöscht werden. Zudem haben Verbraucher ein Auskunftsrecht.
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Beim Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar gingen fast doppelt so viele Beschwerden wie zuvor ein. Insgesamt wandten sich im ersten DSGVO-Monat 460 Mal Bürger an die Behörde. 260 dieser Eingänge wurden bereits ausgewertet. In 60 Prozent der Fälle beschwerten sich die Bürger über Verstöße gegen die neue Datenschutz-Grundverordnung.
In Thüringen kaum mehr Beschwerden
In Schleswig-Holstein gingen rund 400 Beschwerden ein. Einige davon richteten sich gegen mehrere Verantwortliche, sagte die Landes-Datenschutzbeauftragte Marit Hansen. "Beispielsweise ging es in einer Beschwerde um mehr als 20 mutmaßliche Datenschutzverstöße." Manchmal reichten für denselben Fall mehrere Betroffene Beschwerde ein. In einem Fall habe es vier getrennte Beschwerden gegeben.
In Thüringen dagegen gab es nach Angaben des Datenschutzbeauftragten Lutz Hasse keinen signifikanten Anstieg von Beschwerden im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung. "Allerdings haben sich die Eingangszahlen auf bis zu 500 pro Tag deshalb stark erhöht, weil sehr viele Fragen – auch von Unternehmen – zur DSGVO gestellt werden", erklärte Hasse. "Das ist sehr schön, drückt unsere Behörde aber kapazitätsmäßig ganz schön in die Knie."
- dpa