Umfrage Nur ein Viertel der Firmen in Deutschland für DSGVO bereit
Gut zwei Jahre Vorbereitungszeit gab es, jetzt tickt der Countdown zur Datenschutzgrundverordnung. Doch der Großteil der Unternehmen in Deutschland wird mit der Umsetzung nicht rechtzeitig fertig
Lediglich ein Viertel der Unternehmen in Deutschland ist nach eigener Einschätzung ausreichend zum Stichtag der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) am 25. Mai vorbereitet. Das ergab eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Drei Viertel der Unternehmen werden also nicht rechtzeitig mit der Umsetzung fertig, ganz am Anfang stehen demnach noch vier Prozent.
Diese Selbsteinschätzung sei nicht gerade schmeichelhaft, sagte Verbandspräsident Achim Berg am Donnerstag. Als Gründe seien vor allem mangelndes Wissen, zu wenig Zeit und geringe Relevanz des Datenschutzes genannt worden, hieß es.
Auch die netzpolitische Sprecherin der SPD Saskia Esken sieht im Gespräch mit t-online.de die Unternehmen in der Verantwortung. Viele hätten auch dem bisher gültigen Bundesdatenschutzgesetz zu wenig Beachtung geschenkt. Dadurch hätten sie nun umso größeren Nachholbedarf.
Die DSGVO ruft das Thema Datenschutz ins Bewusstsein
Der Wirbel um die DSGVO habe dazu geführt, dass sich viele Betriebe erst "jetzt, wo es brenzlig wird" intensiv mit dem Thema Datenschutz auseinandersetzen. "Dabei werden viele feststellen, dass es Regeln gibt, an die sie sich schon länger hätten halten müssen", so Esken. Die Umsetzung der neuen EU-weiten Vorgaben gebe den Unternehmen die Gelegenheit, "auszumisten und ihre Datenverarbeitungsprozesse auf den neuesten Stand zu bringen".
Der Bitkom-Verband sieht es so: "Datenschutz ist in den Unternehmen angekommen", sagte Berg. Die meisten hätten aber mit der Umsetzung zu kämpfen. 50 Prozent der befragten Unternehmen befürchten, dass die Geschäftsprozesse komplizierter werden. Von deutlich oder "eher" Mehraufwand gehen beispielsweise 58 Prozent der Unternehmen aus. 38 Prozent schätzen, dass die Datenschutzgrundverordnung die Digitalisierung in Europa bremst. Und einen Wettbewerbsnachteil befürchten 34 Prozent. 9 Prozent sehen darin sogar eine Gefahr für das eigene Geschäftsmodell.
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Noch eine Woche Zeit
Rund eine Woche verbleibt nun noch für die Umsetzung zum 25. Mai. Doch noch immer herrsche große Verunsicherung bei den Verantwortlichen in den Unternehmen, so Berg. Bei der Auslegung des verbindlichen Regelwerks mangele es an praktischen Hilfestellungen von offizieller Seite.
Die Netzpolitikerin Esken räumte ein, dass es hier in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben habe. "Die Politik und auch die Datenschutz-Aufsichtsbehörden haben das Thema kommunikativ unterschätzt, aber vor allem hätte man mit anpacken können bei der Entwicklung von Handlungsleitfäden und Mustern", sagte sie.
Laut Bitkom erhoffe sich die Wirtschaft von den Behörden ein "kulantes Verhalten". Vier von zehn befragten Unternehmen plädierten demnach für eine verlängerte Schonfrist, die Hälfte wünsche sich, dass die Aufsichtsbehörden bei Verstößen zunächst nur zu Nachbesserungen aufforderten. "Auch für die Behörden muss das Motto zunächst einmal lauten: Helfen statt bestrafen", sagte Berg.
Die Aufsichtsbehörden wiederum versuchen derzeit, einer übermäßigen Besorgnis entgegenzuwirken. "Ich bin mir sicher, dass die Aufsichtsbehörden verantwortungsvoll mit dem Thema umgehen werden", sagt Esken. "Die Behörden haben die Vorgabe, bei der Wahl und Anwendung von Sanktionen Verhältnismäßigkeit zu wahren." Es komme in erster Linie darauf an, ob sich ein Unternehmen um Datenschutz bemühe oder dem Thema total verweigere.
Die große Angst vor der Abmahnwelle
Für den Umgang mit den von vielen Kleinunternehmern gefürchteten Abmahnungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen die DSGVO empfahl die SPD-Politikerin "Gelassenheit, Vernunft und Augenmaß". Aus rechtlicher Sicht sei tatsächlich noch unklar, ob Abmahnungen etwa nach dem Wettbewerbsrecht zulässig seien. "Das müsste exemplarisch vor Gericht geklärt werden", so Esken. Doch auch eine Klärung durch den Gesetzgeber könnte Betroffenen mehr Rechtssicherheit bieten. Im Koalitionsvertrag sei eine Novelle des Abmahnrechts bereits vorgesehen.
Viele Kleinunternehmer fürchten, dass spezialisierte Kanzleien massenhaft Abmahnungen verschicken könnten, um aus der Verunsicherung Kapital zu schlagen. "Ich gehe davon aus, dass man sie getrost liegen lassen kann", so Esken. In den seltensten Fällen lägen berechtigte Gründe für eine Abmahnung vor. Die Kanzleien würden sich aber womöglich auf kleine Betriebe und Einzelpersonen konzentrieren, die sich von Forderungen leichter einschüchtern ließen als große Konzerne.
- dpa
- eigene Recherche