Datenabgleich für Rundfunkbeitrag Für Nichtzahler gibt es bald eine böse Überraschung
Der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio bekommt ab Mai Daten von den Einwohnermeldeämtern. So können die Sender Haushalte aufspüren, die noch keinen Rundfunkbeitrag entrichten. t-online.de erklärt die Hintergründe.
Seit 2013 muss der Rundfunkbeitrag bis auf einige Ausnahmen von jedem deutschen Haushalt entrichtet werden. Doch was nach einer einfachen Lösung klingt, stellt die öffentlich-rechtlichen Sender vor Herausforderungen. Schließlich ändert sich die Anschrift der Beitragszahler ständig: Wohnungsgemeinschaften werden aufgelöst, Paare trennen sich, junge Erwachsene verlassen das Elternhaus.
Dabei kann es immer wieder vorkommen, dass eigentlich beitragspflichtige Haushalte nicht oder nicht mehr vom "Beitragsservice" von ARD, ZDF und Deutschlandradio erfasst werden. Wenn aber immer mehr Empfänger keine Beiträge mehr entrichten, entgeht den Sendern viel Geld. Außerdem wäre das nicht besonders gerecht gegenüber anderen Beitragszahlern.
Um seinen Datenbestand zu aktualisieren, bittet der Beitragsservice deshalb die Kommunen um Mithilfe. Diese sollen alle Daten der Einwohnermeldeämter übermitteln, damit ein Abgleich vorgenommen werden kann. Der größte bürokratische Aufwand aber entsteht im Anschluss, wenn die aufgespürten Nichtzahler-Haushalte alle angeschrieben werden müssen.
Doch ist das überhaupt rechtens? Blüht säumigen Beitragszahlern jetzt eine Strafe? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Ist dieser Vorgang normal? Gab es so eine Datenübermittlung an die öffentlich-rechtlichen Sender schon einmal?
Ja. Die Einwohnermeldeämter übermitteln regelmäßig Informationen, wenn sich bei volljährigen Einwohnern wichtige Daten geändert haben, etwa nach Umzügen oder Sterbefällen. Dies nennt sich „anlassbezogene Meldedatenübermittlung“. Dabei werden Angaben wie Vor- und Familienname, Familienstand, Geburtsdatum, aktuelle und vorherige Adresse, Datum des Einzugs in die Wohnung oder Sterbedatum weitergegeben. Auf der Webseite des Beitragsservices können Bürger ihre Daten auch selbst eintragen, wenn sich etwas an ihrer Wohnsituation geändert hat.
Warum ist der Meldeabgleich dann überhaupt notwendig?
Unter bestimmten Umständen kann es sein, dass Beitragszahler von dem System „vergessen“ oder „übersehen“ werden. Zieht ein Beitragszahler beispielsweise aufgrund einer Trennung oder Auflösung aus einer Wohngemeinschaft aus, müsste eigentlich einer der verbliebenen Bewohner nachrücken und fortan den Rundfunkbeitrag für diesen Haushalt entrichten. Allerdings hat der Beitragsservice keinerlei Informationen darüber, wer diese Personen sind. Sofern sie sich nicht selbst als potenzielle Beitragszahler melden, entkommen sie also ihrer Pflicht.
Da der letzte große Datenabgleich nun schon ein paar Jahre zurückliegt – er fand 2013 und 2014 statt – kann man davon ausgehen, dass es inzwischen zahlreiche Wohnungen gibt, für die zu Unrecht kein Rundfunkbeitrag gezahlt wird. Deshalb sollen jetzt zum großen Abgleich die Daten sämtlicher volljährigen, in Deutschland zum Stichtag gemeldeten Personen übermittelt werden.
Gibt es dafür eine rechtliche Grundlage?
Ja. Der bundesweite Meldedatenabgleich Meldedatenabgleich ist in § 14 Abs. 9a Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgesehen. Auch der Termin im Mai steht schon lange fest.
Die Rechtmäßigkeit wurde bereits 2013/2014 durch mehrere Gerichtsentscheidungen bestätigt, unter anderem vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Nach Ansicht der Experten handelt es sich bei dem Datenabgleich um "ein erforderliches Mittel zur Herstellung von Beitragsgerechtigkeit, das einen vergleichsweise geringen Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen darstellt".
Die übermittelten Daten werden nach dem Abgleich gelöscht, spätestens aber nach einem Jahr.
Was passiert, nachdem der Beitragsservice die Daten erhalten hat?
Der Abgleich der Daten erfolgt vollautomatisch. Aber die eigentliche Arbeit beginnt erst danach, wenn diejenigen Menschen angeschrieben werden, die keiner beim Beitragsservice angemeldeten Wohnung zugeordnet werden können. Damit will der Beitragsservice im Juli beginnen und im Juni 2019 fertig sein.
Müssen die gefundenen Nichtzahler mit einer Strafe oder Nachzahlung rechnen?
Die angeschriebenen Beitragszahler müssen innerhalb von zwei Wochen auf den Brief reagieren. In ihrer Antwort können sie gegebenenfalls eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag oder eine Ermäßigung beantragen. Falls bereits ein anderer Bewohner des Haushalts den Rundfunkbeitrag bezahlt, muss dies durch die Angabe der entsprechenden Beitragsnummer belegt werden. In diesem Fall hat sich die Sache erledigt und alle Daten werden gelöscht.
Wird hingegen festgestellt, dass der Empfänger tatsächlich beitragspflichtig ist, wird für ihn ein neues Konto beim Beitragsservice erstellt. Die versäumten Beiträge werden rückwirkend in Rechnung gestellt. Entscheidend ist dabei das bei den Behörden angegebene Einzugsdatum. Die Forderung kann aber höchstens bis zum 1. Januar 2016 zurückreichen. Bei einem Jahresbeitrag von 210 Euro können so maximal 525 Euro für zweieinhalb zurückliegende Jahre zusammenkommen.
Auch wenn der Angeschriebene nicht auf den Brief reagiert, werden die Rundfunkgebühren automatisch rückwirkend in Rechnung gestellt.
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Wie viele Wohnungen sind beim Beitragsservice gemeldet? Wie viele neue könnten hinzukommen?
Ende 2016 waren rund 39,1 Millionen Wohnungen beim Beitragsservice gemeldet. Wie sehr sich die Zahl der beitragspflichtigen Wohnungen in Deutschland seit dem letzten Meldedatenabgleich verändert hat, lässt sich aufgrund fehlender Erfahrungswerte und Statistiken nicht genau sagen. Deshalb gibt der Beitragsservice auch keine Prognose dazu ab, wie viele neu anzumeldende Wohnungen durch den neuen Abgleich realistisch sind.
Wie oft wird es einen Meldedatenabgleich künftig geben?
Der Meldedatenabgleich in diesem Jahr ist insgesamt der zweite nach 2013/2014. "Ob ein regelmäßiger Meldedatenabgleich, etwa einmal pro Beitragsperiode alle vier Jahre, erforderlich ist, wird sich erst nach der Auswertung beantworten lassen", sagt Beitragsservice-Geschäftsführer Stefan Wolf. "Im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist festgelegt, dass die Länder den Meldedatenabgleich evaluieren. Die Rundfunkanstalten werden den Ländern die dafür erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen."
Kommt durch den Meldedatenabgleich mehr Geld rein, als dafür ausgegeben wird?
Der Beitragsservice rechnet mit Kosten von zwölf Millionen Euro für die Datenlieferungen und den anschließenden Versand der Schreiben an diejenigen, bei denen unklar ist, ob sie Beitrag zahlen müssen.
Die finanziellen Effekte des Meldedatenabgleichs sind nach Auskunft des Beitragsservices nicht valide abschätzbar.
"Die spannende Frage ist, finden wir Wohnungen, für die zu Unrecht noch kein Rundfunkbeitrag entrichtet wird und wie viele", erläutert Wolf. Eine erste Prognose will der Beitragsservice im Frühjahr 2019 vornehmen. Die abschließenden Ergebnisse sollen 2022 vorliegen.
Bekommt der Beitragsservice die Daten alle auf einmal?
Nein. Die Einwohnermeldeämter beginnen mit der Datenlieferung am 7. Mai. Der Beitragsservice geht davon aus, dass der Großteil der Meldesätze bis Anfang Juli eingeht. "Wir rechnen mit einzelnen Nachlieferungen bis Ende des Jahres", erklärt Wolf.
Der Stichtag 6. Mai hat nach Angaben des Beitragsservice vor allem technische Gründe. Das Datum sei in Abstimmung mit den Meldebehörden und den großen Rechenzentren von Ländern und Kommunen festgelegt worden.
Rechnet der Beitragsservice mit Protesten gegen den Datenabgleich?
Bisher gibt es aus Sicht der Einrichtung in Köln keine Hinweise auf Proteste in größerem Umfang. "Das Beitragssystem und seine Regelungen sind inzwischen weitestgehend bekannt, auch der Meldedatenabgleich findet nicht zum ersten Mal statt", sagt Wolf. "Insofern gehen wir davon aus, dass der überwiegende Teil derjenigen, die wir anschreiben werden, sehr sachgerecht reagieren wird."
Welche Bedeutung hat der Meldedatenabgleich?
Der Beitragsservice versteht den Meldedatenabgleich als wichtige Aufgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt. So werde sichergestellt, dass sich alle Bürger an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beteiligen.
"Mit der Umstellung der Rundfunkfinanzierung von der Gebühr auf den Beitrag stand immer die Frage im Raum, ob das neue System dauerhaft für Gerechtigkeit und konstante Erträge sorgen wird", sagt Wolf. "Aufgrund fehlender Erfahrungswerte im Vorfeld der Systemumstellung konnten das weder der Gesetzgeber noch die Rundfunkanstalten mit letzter Gewissheit sagen. Der Meldedatenabgleich dient nun unter anderem der Überprüfung dieser Fragen."