Kampf gegen Fake News EU will unabhängige Faktenchecker fördern
Im Kampf gegen Falschnachrichten im Internet setzt die EU-Kommission auf Selbstregulierung und Aufklärung statt Gesetze. Sie hofft auf schnelle Erfolge und ist sogar bereit, Geld zu investieren.
Die Verbreitung von Falschmeldungen in den sozialen Netzwerken sind ein großes Problem für die Politik. Die EU-Kommission will aber vorerst auf verbindliche Vorschriften verzichten, wenn die großen Onlineunternehmen freiwillige Anstrengungen unternehmen und sich einem Verhaltenskodex unterwerfen. Gleichzeitig machten die Kommissare am Donnerstag klar: Härtere Gesetze sind deshalb noch lange nicht vom Tisch.
"Die Kommission gibt den sozialen Netzwerken und Onlineplattformen eine Chance, das Problem ein für alle mal zu lösen", sagte Digitalkommissarin Mariya Gabriel am Donnerstag in Brüssel. Die Kommission will ihrerseits Qualitätsmedien und Faktenprüfer stärken, um verlässliche Informationen für Bürger zu sichern.
Angesichts der rasanten Ausbreitung von Falschnachrichten im Netz hatte das Europaparlament im Juni 2017 die Kommission aufgefordert, gesetzliche Maßnahmen zu prüfen. Die Behörde entschied sich nach eigenen Angaben dagegen, weil ein Gesetzgebungsverfahren zu lange dauern würde. "Es ist keine Zeit zu verlieren", sagte Gabriel. "Mit Blick auf die Europawahlen 2019 müssen wir besonders wachsam sein."
Falschnachrichten: eine ernste Gefahr für die Demokratie?
Desinformationskampagnen könnten nach Einschätzung von Experten die Kampagne vor dem Brexit-Referendum in Großbritannien und den US-Wahlkampf 2016 beeinflusst haben. Der für Sicherheit zuständige EU-Kommissar Julian King sagte: "Fake News sind eine echte Gefahr für den Zusammenhalt und Stabilität unserer Gesellschaften." Manipulationen ausländischer Akteure könnten ernste Folgen für die Sicherheit haben. So nenne die russische Militärdoktrin Informationskriege ausdrücklich als Tätigkeitsfeld. "Wir sind im Prinzip in einer Art Schlacht, aber es ist eine andere Art von Schlacht, eine ohne Regeln", sagte King.
Der gewünschte Verhaltenskodex soll bis Juli gemeinsam mit Onlineunternehmen und Medien erarbeitet werden. Er soll nach dem Willen der Kommission unter anderem vorsehen, dass Onlineplattformen ihre Werbekunden genauer prüfen und die Personalisierung von politischer Werbung einschränken. Bezahlte politische Inhalte sollen kenntlich gemacht werden. Zudem sollen die Unternehmen ihren Nutzern den Zugang zu vertrauenswürdigen Informationen und die Unterscheidung erleichtern. Ein "Markierungssystem" soll sicherstellen, dass die Aktivitäten sogenannter Bots nicht mit von Menschen eingestellten Inhalten verwechselt werden.
Die Selbstregulierung der Branche soll bereits bis Oktober "messbare Wirkung" bringen, fordert die Behörde. Bleibe der Erfolg aus, seien gesetzgeberische Maßnahmen gegen "einige Plattformen" möglich.
Europäisches Faktenchecker-Netzwerk
Die Kommission setzt große Erwartungen in Faktenprüfung und will ein unabhängig arbeitendes europäisches Netzwerk solcher Fact Checker fördern, die sich zu hohen Standards verpflichten. In deren tägliche Arbeit werde man sich nicht einmischen, betonte Gabriel. Man wolle auch nicht wie ein "Wahrheitsministerium" selbst Inhalte aussortieren, versicherten beide Kommissare.
Die Pläne zur Stärkung von Qualitätsmedien bleiben vage. Die Kommission kündigte eine neue Ausschreibung zur Produktion und Verbreitung hochwertiger Inhalte über die EU an. Zudem werde sie Initiativen für Medienfreiheit, Pluralismus und Qualitätsjournalismus unterstützen. Die EU-Staaten würden ermutigt zu "horizontalen Unterstützungsmaßnahmen, um Marktversagen zu begegnen, das die Nachhaltigkeit von Qualitätsjournalismus beeinträchtigt", hieß es.
Der europäische Verbraucherverband Beuc lobte, dass sich die Kommission des Problems der Falschnachrichten annimmt. Doch lasse die Behörde eine wichtige Ursache außer Acht, nämlich die Geschäfte mit falschen und reißerischen Informationen. "Onlineplattformen machen Geld mit der Werbung, die neben Fake-News-Artikeln, Videos und Posts gezeigt wird", moniert der Verband. Da sich die Kommission nicht näher damit befasse, wirkten ihre Bemühungen halbherzig.
- dpa