Treffen mit Bundesjustizministerin Facebook gelobt vage Besserung
Katarina Barley ist erst seit einigen Tagen Justizministerin. Der Datenskandal um Facebook wäre für sie eine Option zur Profilierung. Theoretisch. Aber können Deutschland oder die EU einen solchen Großkonzern bändigen?
Im Skandal um den Missbrauch der Daten von Millionen Facebook-Nutzern hat das Unternehmen Besserung gelobt und will alle Betroffenen informieren. Das sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) am Montag nach einem Gespräch mit europäischen Facebook-Vertretern in Berlin. Wie viele Deutsche genau von dem Datenskandal betroffen sind, blieb zunächst unklar.
An konkreten Zusagen konnte Barley dem weltweit größten sozialen Netzwerk nicht viel abringen. Der europäische Cheflobbyist des Konzerns, Richard Allan, gab sich nach dem Treffen mit der Ministerin aber betont demütig. "Wir unternehmen die notwendigen Schritte, um sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passieren kann."
Millionen Datensätze über eine einzige App gesammelt
Der Konzern ist seit Bekanntwerden des Skandals mächtig ins Schlingern geraten. Vor gut einer Woche war bekannt geworden, dass die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica illegal an Informationen von Millionen Facebook-Usern gekommen war – ohne das Wissen der Nutzer. Sie hatte die Daten von einem britischen Professor bekommen, der eine App mit einer Psychologie-Umfrage auf die Facebook-Plattform brachte.
Nach der damaligen Funktionsweise von Facebook hatte die App des Professors auch Zugang zu einigen Informationen der Freunde der rund 300.000 Umfrage-Teilnehmer bekommen, etwa deren Likes und Interessen. So sammelten sich Daten von rund 50 Millionen Facebook-Nutzern an.
Cambridge Analytica, deren Londoner Zentrale am Wochenende von Behörden untersucht worden war, ist darauf spezialisiert, potenzielle Wähler mit passgenauen Botschaften zu versorgen. Die Firma arbeitete dabei für das Lager des späteren Wahlsiegers Donald Trump.
Facebook ermittelt noch die Zahl der Betroffenen
Allan erklärte, von den 300.000 Menschen, die sich die App heruntergeladen hätten, seien schätzungsweise ein Prozent Europäer. Die genaue Zahl werde derzeit ermittelt und in den nächsten Tagen kommuniziert.
Er habe die Entschuldigung des Unternehmens für diesen Vertrauensbruch an Barley übermittelt, sagte er und versprach unter anderem, Nutzern künftig eine bessere Kontrolle über ihre Daten zu geben. "Wir haben bereits erste Schritte unternommen. Wir sind uns bewusst, dass dies erst der Anfang sein kann."
Facebook hatte sich mit seiner Kommunikation in dem Datenskandal viel Kritik eingehandelt. Konzernchef Mark Zuckerberg hatte ganze fünf Tage für ein erstes demütiges Statement gebraucht. Am Wochenende legte Zuckerberg mit ganzseitigen Entschuldigungen in Tageszeitungen nach.
Dazwischen rief die #deletefacebook-Kampagne Nutzer auf, ihr Konto zu löschen. Tesla-Chef Elon Musk ließ sämtliche Unternehmensseiten entfernen. Eine handvoll Unternehmen hatten angekündigt, vorerst keine Werbung mehr bei Facebook zu platzieren. Auch an der Börse geriet Facebook unter Druck: In der vergangenen Woche sank die Facebook-Aktie um 14 Prozent.
Auch in den USA wächst der Druck
Die US-Handelsbehörde FTC bestätigte am Montag Ermittlungen gegen Facebook. Für das Unternehmen kann es teuer werden, wenn die FTC zu dem Ergebnis kommt, dass das Online-Netzwerk nicht genug für den Schutz der Nutzerdaten getan hat.
Der geschäftsführende Direktor der FTC-Verbraucherschutzabteilung, Tom Pahl, teilte mit, die Ermittlungen würden sich auch damit befassen, inwiefern Facebook sich an "unfairen Handlungen" beteiligt habe, die seinen Nutzern erheblichen Schaden zugefügt haben könnten.
Facebook-Chef Mark Zuckerburg soll außerdem vor dem Justizausschuss des US-Senats aussagen. Der Vorsitzende des Komitees, Charles Grassley, teilte am Montag mit, er habe Zuckerberg sowie die Chefs des Google-Mutterkonzerns Alphabet und des Kurznachrichtendienstes Twitter für den 10. April zu einer Anhörung eingeladen. Zuckerberg solle sich darüber auslassen, wie Facebook in der Vergangenheit und künftig mit dem Schutz und der Überwachung von Kundendaten umgehe.
Barley zeigt Verständnis für Facebooks Verschwiegenheit
Barley ist erst seit einigen Tagen im Amt. Für sie wäre die Causa Facebook eine Möglichkeit zur eigenen Profilierung im neuen Ressort. Aber welche Chance hat sie?
Die deutsche Justizministerin räumte ein, es sei "schwierig, ganz konkrete Zusagen zu bekommen". Facebook könne schließlich nicht gezwungen werden, Geschäftsgeheimnisse offenzulegen. Genau das fordern Verbraucherschützer aber. Eine Idee: Die Plattform solle den Behörden oder Verbraucherschutzorganisationen Einblicke in ihre Algorithmen gewähren. Die Nutzer können nämlich nicht durchschauen, was mit ihren Daten geschieht und wie Profilinformationen ausgewertet werden, zum Beispiel für Werbezwecke.
Facebook wolle die Forderung nach mehr Transparenz an dieser Stelle "wohlwollend prüfen", sagte Barley nach dem Treffen mit Allan aber nur knapp. Und: "Wir werden dort weiter im Gespräch bleiben." Das ist nicht viel.
Sind die Nutzer selbst Schuld?
Zwar wird immer wieder argumentiert, dass die Mitglieder dem sozialen Netzwerk einen Großteil ihrer privaten Daten freiwillig anvertrauen. Der Skandal um Cambridge Analytica hat allerdings gezeigt, dass Facebook bisher keinerlei Kontrolle darüber ausübte, wie diese Daten von seinen Werbepartnern oder von unabhängigen Entwicklern verwendet wurden. Dies hat den Missbrauch in einer Form und einem Ausmaß ermöglicht, das sich zuvor kaum ein Nutzer vorstellen konnte.
Barley sagte, es sei entscheidend, die Menschen besser darüber aufzuklären, was mit ihren Daten passiert. Nötig seien mündige Nutzer, die ihre Rechte kennen. Soziale Netzwerke könnten kein Interesse daran haben, bei Nutzern in Misskredit zu geraten, sagte sie. "Am Ende des Tages ist Vertrauen die Währung, mit der Unternehmen wie Facebook arbeiten."
Dennoch bleibt festzuhalten, dass Facebook bisher wenig unternommen hat, um seine Nutzer vor dem möglichen Missbrauch persönlicher Daten zu warnen. Im Gegenteil: Auch der jüngste Datenskandal war dem Netzwerk seit 2015 bekannt. Doch den Betroffenen wurde nichts davon mitgeteilt. Erst jetzt, nach viel politischem und öffentlichem Druck, erfolgt langsam die Aufarbeitung.
- Nachrichtenagenturen dpa