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Streit zwischen Olaf Scholz und Annalena Baerbock um deutsche Außenpolitik?


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Streit zwischen Scholz und Baerbock
Ein Sturm zieht auf


Aktualisiert am 01.02.2023Lesedauer: 6 Min.
Annalena Baerbock und Olaf Scholz: Sind die beiden sich uneinig in Sachen außenpolitischer Rolle Deutschlands?Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock und Olaf Scholz: Sind die beiden sich uneinig in Sachen außenpolitischer Rolle Deutschlands? (Quelle: IMAGO/Kira Hofmann/photothek.de)
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Olaf Scholz und Annalena Baerbock ringen um die Leitplanken der deutschen Außenpolitik. Wie groß ist der Streit und was steckt hinter den Alleingängen der Außenministerin?

Es ist vorerst wieder Ruhe eingekehrt. Nach vielen Wochen Panzerstreit bemühen sich die Bundesregierung und die Ampelkoalition derzeit um Einigkeit. Die Zusammenarbeit sei eng und vertrauensvoll, heißt es von allen Seiten. Das aktuelle Ziel der Ampelkoalition ist Schadensbegrenzung, denn besonders in der Debatte um Waffenlieferungen wirkte die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) oft uneinig. Die Grabenkämpfe haben Spuren hinterlassen.

Vor allem Scholz und seine Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sind teilweise nicht auf dem gleichen Kurs im Ukraine-Krieg. In der Leopard-2-Debatte sorgte der Kanzler bei seinen Koalitionspartnern mit seinem langen Zögern für Ärger, Baerbock sorgte dagegen mit einem Panzer-Alleingang für Unmut im Kanzleramt.

Aber hinter dem Streit steckt viel mehr: In der Bundesregierung gibt es noch immer keine Einigkeit über die eigenen politischen Ziele in der Ukraine-Krise und allgemein über den Stellenwert einer wertebasierten Außenpolitik. Scholz und Baerbock streiten auch über die Leitplanken der deutschen Außenpolitik. Das wird zunehmend zum Stolperstein für die Bundesregierung. Doch woher kommt plötzlich diese Uneinigkeit?

Ärger in Paris

Der Konflikt zwischen Scholz und Baerbock spitzte sich zum Jahreswechsel weiter zu. Exemplarisch dafür stand der Festakt zum 60. Jahrestag des Élysée-Vertrages am 22. Januar in Paris. Es war die große außenpolitische Bühne, ein Feiertag für die deutsch-französische Freundschaft.

Im Mittelpunkt standen Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Baerbock hatte eher eine Nebenrolle. Es wurden viele Fotos geschossen, Hände geschüttelt, die Stimmung war ausgelassen. Besonders in der gegenwärtigen Krise war die Feier eine Atempause, auch für die Bundesregierung.

Doch das Bild der Einigkeit war trügerisch, hinter den Kulissen tobte der Kampfpanzer-Streit. Scholz wurde als Bremser wahrgenommen, auch in seinem Kabinett. Seine Zögerlichkeit sorgte für immer größeres Unverständnis, auch unter seinen Ministerinnen und Ministern. Wer hätte vor Putins Krieg erwartet, dass sich die Grünen und die FDP so einig sein könnten, in einer Forderung nach mehr schweren Waffen und schnelleren Entscheidungen? Die SPD dagegen war genervt – von der Unruhe, die unter anderem Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder Anton Hofreiter (Grüne) mit ihren Waffenforderungen verbreiteten.

Mitten in dieser Lage entschied sich Baerbock an jenem Sonntagabend in Paris, im französischen Fernsehen eine Bombe platzen zu lassen. In einem Interview mit dem französischen TV-Sender LCI verkündete die Außenministerin, dass Deutschland Leopard-Lieferungen von Bündnispartnern "nicht blockieren" werde. Das war ein bewusster Alleingang, der für Missmut im Kanzleramt sorgte.

Scholz und Baerbock verfolgen unterschiedliche Ziele

Zu diesem Zeitpunkt wartete Scholz noch auf eine Entscheidung der Amerikaner, die ihrerseits Abrams-Panzer liefern sollten. Aber der Druck auf den Kanzler wurde immer größer. Nachdem die Bundesregierung bei der Unterstützerkonferenz für die Ukraine in Ramstein nicht nur die Bündnispartner enttäuscht, sondern auch die USA verärgert hatte, kam Bewegung in die Debatte.

Trotzdem war die Panzerankündigung der Außenministerin in Paris nicht abgestimmt und entgegen der Linie des Regierungschefs. Das wird aus einem Kommuniqué deutlich, das das Auswärtige Amt zwei Tage später – am 24. Januar – an deutsche Vertretungen im Ausland verschickte. Aus dem Dokument wird ersichtlich: Scholz hatte noch nicht entschieden, ob Leopard-Panzer abgegeben werden sollen. Mehr dazu erfahren Sie hier.

Baerbock hat als Außenministerin keine Exekutivmacht, sie vertritt die Politik der Bundesregierung im Ausland. Unter Scholz' Vorgängerin Angela Merkel (CDU) wurde die deutsche Außenpolitik im Zuge der zahlreichen Krisen immer mehr im Kanzleramt gemacht. Das möchte Scholz so beibehalten.

Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel ein zentrales Ziel gesetzt: "Eine deutsche Außenpolitik aus einem Guss." Das funktioniert bisher nicht wirklich.

Baerbock und die Grünen vertreten im Angesicht des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ähnliche maximalistische Kriegsziele wie etwa Großbritannien, Polen, die baltischen Staaten oder die ukrainische Regierung selbst. Im Gegensatz zu Scholz sagt die Außenministerin, die Ukraine solle den Krieg gewinnen. Der Kanzler hingegen wiederholt regelmäßig, dass sie den Krieg nicht verlieren dürfe. Ein großer Unterschied. Denn mit einem Sieg ist die völlige Wiederherstellung des ukrainischen Staatsgebietes gemeint.

Scholz möchte sich in Bezug auf die Kriegsziele des Westens öffentlich nicht festlegen und entscheidet sehr zögerlich über Maßnahmen. "Immer besonnen", wie der SPD-Politiker es selbst ausdrückte. Baerbock würde Deutschland dagegen gerne in einer Führungsrolle sehen und beißt beim Kanzler, der keinen Schritt ohne die USA gehen möchte, oft auf Granit. Die Folge: ein andauerndes Gezerre und endlose Debatten in Deutschland über den richtigen Kurs in der Krise.

Strategische Doppeldeutigkeit kommt an ihre Grenzen

In Paris hatte die Außenministerin offenbar die Geduld mit ihrem Chef verloren. Es sei nicht die Zeit, um mit Fingern auf andere zu zeigen, erklärte Baerbock in dem TV-Interview. Damit meinte sie, dass die Bundesregierung nicht von anderen Partnern mehr Waffen für die Ukraine fordern kann, ohne selbst voranzugehen. Zur Erinnerung: Die Bundesregierung versucht zum Beispiel schon lange, die Schweiz dazu zu bewegen, Munition für den Gepard-Flakpanzer zu liefern.

Momentan schadet die unterschiedliche Krisenkommunikation von Scholz und Baerbock eher dem Ansehen Deutschlands im Ausland. Dabei war die Idee hinter dieser Strategie nicht unklug: Eine offensive Außenministerin und ein vorsichtiger Bundeskanzler holen in dieser Krise einen Großteil der deutschen Bevölkerung ab – vor allem auch die Menschen, die Angst vor einer größeren Eskalation mit Russland haben.

Diese Strategie half auch Baerbock. Sie gilt als besonders scharfe Kritikerin der russischen Kriegsverbrechen, setzte wichtige politische Signale bei ihren Besuchen in Charkiw oder Butscha, und sie möchte den russischen Präsidenten Wladimir Putin von einem Sondertribunal in Den Haag verurteilen lassen. Ihre deutliche Sprache brachte ihr große Beliebtheit in der deutschen Öffentlichkeit ein und die Grünen gewannen an Sichtbarkeit in der Regierung. Das machte Baerbock jedoch zum Feindbild der russischen Propaganda, wogegen Scholz mit Putin noch am Telefon verhandeln konnte.

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Die Strategie hat allerdings ein Problem: Niemand kann aus der Kommunikation der Bundesregierung lesen, welche Ziele Deutschland im Ukraine-Krieg tatsächlich verfolgt. Das sorgt für Irritationen in der deutschen Bevölkerung und unter den internationalen Partnern.

Deutschlands außenpolitische Irrfahrt

Die strategische Doppeldeutigkeit kommt beispielsweise dann an ihre Grenzen, wenn die Außenministerin den Bogen überspannt oder andere Botschaften kommuniziert als der Kanzler. Beispiele dafür finden sich immer wieder.

Vor Scholz' China-Besuch im November maßregelte Baerbock den Bundeskanzler öffentlich mit der Erwartung, sich an den Koalitionsvertrag zu halten und deutliche Kritik an China zu üben. Auch das sorgte für Unmut in der Ampel: Teile der SPD sehen Baerbock als Selbstdarstellerin, die den Kanzler nicht belehren sollte.

Video | Baerbock irritiert mit Aussage zum Ukrainekrieg
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Quelle: t-online

In dieser aufgeheizten Stimmung haben vergleichsweise kleine Fehler schwerwiegende Konsequenzen, das musste Baerbock vergangene Woche in einer Fragerunde vor dem Europarat in Straßburg erkennen. "Wir befinden uns in einem Krieg mit Russland", sagte die Außenministerin. Ein Versprecher mit großer Wirkung. Das Auswärtige Amt musste zurückrudern, doch Baerbocks Fehler wurde dankbar von der Kremlpropaganda genutzt, um Putins Narrativ zu bedienen: Die russische Armee befände sich in einem bewaffneten Konflikt mit der Nato. Scholz war verärgert, heißt es im politischen Berlin.

Dieser köchelnde Konflikt sorgt für immer weitere Stolpersteine für die deutsche Außenpolitik, und der nächste Sturm ist bereits aufgezogen. Unter Federführung des Auswärtigen Amtes arbeitet die Bundesregierung an einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie, an der viele Ministerien beteiligt sind. Aber die Vorstellung der Strategie verzögert sich, Kanzleramt und Auswärtiges Amt rangeln um Kompetenzen. Beide streiten um die Führung eines neuen Sicherheitsrates der Bundesregierung, eine Lösung ist jedoch nicht in Sicht.

Baerbock möchte – wie die Grünen es nennen – eine "aktive Außenpolitik" betreiben. Das funktioniert allerdings nur, wenn Scholz ihr den Raum lässt. Denn die Richtlinienkompetenz der Regierung liegt weiterhin im Kanzleramt. Aber was sind dort die Leitplanken? Ist es – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – eine wertebasierte Außenpolitik, oder verfolgt Scholz einen pragmatischeren Ansatz, der Deutschland ruhiger durch diese Wirtschafts- und Energiekrise bringt?

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Doch die Bundesregierung ist weiterhin auf der Suche nach einem außenpolitischen Kompass – für den Krieg in der Ukraine, aber auch für die Beziehungen zu China. Dabei ist ein klarer Kurs wichtig für die internationalen Partner: damit Deutschlands Außenpolitik nicht zur Irrfahrt wird.

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