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Praxisversuch: So raffiniert bauten die Römer ihre Kühlschränke


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Archäologie
So raffiniert bauten die Römer ihre Kühlschränke


14.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Römisches Gastmahl: Bereits in der Antike ließen sich eiskalte Speisen und Getränke konsumieren.Vergrößern des Bildes
Römisches Gastmahl: Bereits in der Antike ließen sich eiskalte Speisen und Getränke konsumieren. (Quelle: akg-images/dpa)
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In heißen Sommern mussten die alten Römer nicht auf kalte Getränke verzichten. Wie sie ihre Kühlschränke konstruierten, wollen Forscher jetzt in der Praxis herausbekommen.

Zu den unterschätzten Annehmlichkeiten des Lebens gehört der Kühlschrank. Ohne ihn wäre das Bier im Sommer auf mehr als 20 Grad Celsius temperiert, Gemüse, Wurst und Käse würden binnen weniger Stunden verderben. Es ist noch keine 100 Jahre her, dass die elektrischen Geräte auch für Privathaushalte ein erschwinglicher Luxus wurden. Und doch erinnert sich heute kaum noch jemand, wie man jemals ohne sie leben konnte.

Entsprechend ratlos waren der Schweizer Archäologe Peter-Andrew Schwarz von der Universität Basel und sein Team, als sie in den Ruinen der Römerstadt Augusta Raurica am Ufer des Rheins einen etwa vier Meter tiefen, mit Trockenmauerwerk ausgekleideten, Schacht entdeckten.

Eis aus den Bergen geliefert

Zunächst hielten sie das Erdbauwerk für ein einfaches Lebensmittellager. Doch könnte es vielleicht mehr gewesen sein als das? Immerhin ist bekannt, dass die Römer durchaus wussten, wie man auch im Sommer in den Genuss von Eis kommt. Kaiser Nero besorgte es sich auf die brachiale Tour: Er schickte Sklaven in die Albaner Berge, deren höchste Gipfel auch im Hochsommer noch schneebedeckt sind. Mit dem Schnee, den sie ihm mitbrachten, kühlte er angeblich nicht nur seinen Wein, sondern auch sein Badewasser.

"Ingeniosa luxuria" nannten die Kritiker dieses Lebensstils seine Eis-Eskapaden: "erfindungsreiche Genusssucht". Wer nicht genügend Sklaven für eine ständige Versorgungskette hatte, bunkerte stattdessen in unterirdischen Kammern das Eis des Winters.

Randvoll mit Schnee

Könnte es sich auch bei dem Schacht von Augusta Raurica um einen solchen Kühlschrank handeln? Um das herauszufinden, startete Schwarz mit seinen Studenten eine Versuchsreihe. In einem ersten Test im Winter 2015/16 füllten sie an einem Tag den Erdschacht randvoll mit Schnee. Doch so hatten es die Römer offensichtlich nicht getan. Die Temperaturen im Inneren des Schachtes sanken nicht einmal in den verbleibenden Wintermonaten unter den Gefrierpunkt.

Im darauffolgenden Jahr kühlten die Kälteforscher den Schacht sukzessive runter, indem sie den Schnee nicht auf einmal, sondern portionsweise einfüllten. Zusätzlich platzierten sie Eisblöcke zwischen den Schneeschichten. Die waren in dem Fall zwar industriell hergestellt. Doch im 1. und 2. Jahrhundert wäre es für jeden Bewohner von Augusta Raurica ein Leichtes gewesen, an Eisblöcke zu kommen.

Eis schmolz erst im Juni

Damals führte der Rhein im Winter noch große Eisschollen. Wer welche haben wollte, musste nur einen großen Kescher hineinhalten und sie herausfischen. Erst als in den 1920er-Jahren die ersten großen Kraftwerke am Rheinufer den Betrieb aufnahmen, blieb der Fluss ganzjährig eisfrei. Das Schnee-/Eisgemisch kühlte schon deutlich besser als der lose Schnee des Vorjahres. Das letzte Eis schmolz erst im Juni.

In diesem Sommer erprobten die Archäologen nun eine dritte Variante. Und zwar jene, mit der die Einwohner der Baleareninsel Mallorca noch bis 1927 ihren sommerlichen Bedarf an Eis deckten. Dort gab es, hoch an den Nordflanken der Serra de Tramuntana, die sogenannten Cases de Neu: Schneehäuser. In diese schachtartigen Räume schaufelten nach heftigen Schneefällen die Nevaters, die "Schneemänner", das weiße Gold. Damit sie es leichter einsammeln konnten, hatten sie im Sommer Trockensteinmauern errichtet, an denen sich nun hohe Schneewehen auftürmten.

Erfrischung für die Reichen

Für die meisten der Nevaters war es nur ein Nebenjob. Im kurzen Winter, der in der höchsten Bergkette Mallorcas meist nicht länger als zehn bis vierzehn Tage dauert, zogen sie in kleine Hütten direkt neben den Cases de Neu. Waren die Winterstürme vorbei und die Erdschächte gefüllt, konnten sie den Schnee sich selbst überlassen – bis der Sommer kam und die Menschen auf der östlichen Sonnenseite der Insel Lust auf Abkühlung verspürten. Dann verluden die Nevaters Eisportionen auf Maultiere, und belieferten die erfrischungsbedürftigen Reichen in der Hauptstadt Palma – aber auch die Krankenhäuser und die Fischhändler.

Die lange Haltbarkeit des Winterschnees erreichten sie vor allem mit zwei Tricks. Zum einen verdichteten sie den losen Schnee in den Erdräumen zu festem Eis. Zum anderen zogen sie immer wieder Schichten aus Stroh oder Schilf zwischen den Schnee. Die darin enthaltenen Luftpolster wirkten als zusätzliche Isolation.

Austern in Hülle und Fülle

Mit der mallorquinischen Methode wollen es nun auch Peter-Andrew Schwarz und seine Kollegen versuchen. "Wir werden jeweils 20 bis 30 Zentimeter hohe Schneelagen einfüllen, diese gut verdichten und mit Stroh abdecken, bevor wir dann die nächste Schneelage einfüllen", sagt Schwarz gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Im August wollen die Forscher dann kontrollieren, ob noch Eis in ihrem Schacht vorhanden ist.

Das wäre dann zwar immer noch kein Beweis, dass es sich bei dem gefundenen Erdloch tatsächlich um einen römischen Kühlschrank handelt. Aber es würde zumindest zeigen, dass eine Kühlung von Lebensmitteln bis weit in den Sommer hinein möglich war. Dazu passen auch die vielen Austernschalen, die in Augusta Raurica gefunden wurden – knapp 600 Kilometer vom nächsten Küstengewässer entfernt.

Wein und Co.

Selbst wenn im 1. und 2. Jahrhundert nach Christus die Transportwege im römischen Reich bereits so gut waren, dass die Austern schnell an ihren Zielort gelangten, mussten sie zwischen Ankunft und Weiterverkauf auf dem Markt unbedingt gekühlt werden. "Die antiken und ethnografischen Quellen zeigen tatsächlich, dass nicht nur Liebhaber von gekühltem Wein als Abnehmer für das Eis infrage kommen, sondern beispielsweise auch Fisch- und Austernhändler, Käseproduzenten und Metzger", bestätigt Schwarz den kommerziellen Nutzen der Anlage.

Schon beim Versuch im letzten Winter bewegte sich die Temperatur im unteren Teil des Schachtes während des Schmelzens des Schnees zwischen Januar und Mai zwischen 5 und 15 Grad, die Luftfeuchtigkeit schwankte zwischen 90 und 100 Prozent. Damit war die Kühlanlage sogar für empfindliche Saisonware geeignet: "Dies bezeugt, dass solche Schächte auch für die Einlagerung von Obst wie Äpfel oder Birnen und Gemüse wie Kohl, Fenchel oder Karotten genutzt werden konnten."

Gut möglich, dass es im Stadtgebiet auch noch weitere Kühlschränke gab – bisher sind lediglich rund 80 Prozent von Augusta Raurica ausgegraben. Die Stadt ist ein Glücksfall für die Archäologen. Bei einem Erdbeben im Jahr 250 nach Christus wurde sie weitgehend zerstört – und die Ruinen wurden kaum wieder überbaut. So gilt sie heute als best erhaltene römische Stadt nördlich der Alpen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen, sda
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