Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Raab verkündet Comeback bei RTL Ein Mann, dem das Timing fehlt
Stefan Raab kehrt für mindestens fünf Jahre zurück ins Fernsehen. Sein neuer Sender RTL ist aus dem Häuschen. Doch das Vermächtnis der TV-Größe gerät in Gefahr.
Zunächst fühlte sich der Abend an wie ein ganz normaler Tag an einem deutschen Bahnhof: Es dauerte. Oft wanderte der Blick aufs Handy. Die Wartezeit wurde länger und länger. Alle Versammelten waren wahnsinnig genervt. Auf einmal kam er dann aber doch: der alte, ausrangierte Zug mit dem Namen Stefan Raab. Und wie.
Als er in die Halle von Düsseldorf einfuhr, wurde jedem Zuschauer schlaglichtartig klar: RTL hat keine Kosten und Mühen gescheut, um das TV-Comeback von Stefan Raab zu einem pompösen Event werden zu lassen. Feuerwerk, ein "Pa aufs Maul"-Song mit den Rappern Sido und Ski Aggu, dazu eine gigantische Show-Treppe, die von der Decke der Veranstaltungshalle hinabgelassen wurde und auf der Raab in einen weißen Mantel gekleidet unter tosendem Applaus erstmals wieder ins Scheinwerferlicht rückte.
Fünf Jahre Raab und RTL
Nach neun Jahren TV-Abstinenz steht fest: Stefan Raab ist zurück. Der durchgeknallte "TV total"-Erfinder und einst ehrgeizigste Entertainment-Tausendsassa Deutschlands will wieder in die Öffentlichkeit. Dieses Mal wird seine Fernsehheimat bei RTL liegen. Eine fünfjährige Zusammenarbeit hat Raab mit dem Sender vereinbart. Geplant sind Primetime-Shows und eine bereits am kommenden Mittwoch startende Sendung mit dem Namen "Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab". Mehr zu den Details lesen Sie hier.
Doch es gibt gleich mehrere Haken. Raabs wöchentliche, 90-minütige neue Show wird nur auf dem Streamingdienst RTL+ zu sehen sein. Das ist ein Tiefschlag für viele Fans, die nun ein Abo abschließen und damit monatlich Geld bezahlen müssen, um den Fernsehmacher zu erleben. Raab und RTL verkaufen diese Idee als einen Pakt für die Zukunft. Streaming – so die Binse – sei nun mal allgegenwärtig. Dabei verschweigen sie aber, dass diese Art der Ausstrahlung vordergründig einem Zweck dient: den gigantischen Millionenbetrag, den Raab Entertainment für den Deal einstreicht, wieder einzuspielen.
Der zweite Haken kommt unerwarteter und er passt in diesem Sinne zum Zielobjekt: der Boxweltmeisterin Regina Halmich. Denn wie bei einer guten Boxerin, die ihrem Gegner geschickt einen Schlag versetzt, fliegt auch hier die Faust aus dem Hinterhalt. Ja, man muss es so klar sagen: Der Kampf von Raab war nur ein Köder. RTL und der Showmaster haben Halmich im Ungewissen gelassen, sie herausgefordert und in den Ring gebeten, um dann diese größtmögliche Bühne in eigener Sache auszunutzen.
Ein Mittel zum Werbezweck. Eine Finte, die dafür sorgte, dass ganz Deutschland gebannt auf den Fernseher blickte. Das mag man clever nennen. Man kann es aber auch als linkes Manöver betiteln. Denn wie Regina Halmich hingehalten wurde, als Spielball der Millionen, das durfte einem schon leidtun.
DNA des Raab-Fernsehens missverstanden
Und diese Masche war nicht mal gut verschleiert. Die Macher gaben sich keine Mühe, zu verhehlen, worum es hier die ganze Zeit ging: um Raabs neues RTL-Engagement. Der Boxkampf war dafür nur Dekoration, ein schillernder, öffentlichkeitswirksamer Nebeneffekt. Denn die sechs Runden à zwei Minuten Boxen wirkten lächerlich kurz angesichts der zuvor zwei Stunden langen Werbeshow für Raabs Errungenschaften im Fernsehen.
Stefan Raab hat sich größtmögliche Verdienste um das deutsche Unterhaltungsfernsehen erarbeitet, den chaotischen, geradezu anarchischen Humor auf der Mattscheibe etabliert und die Show-Entwicklung in der TV-Branche revolutioniert. Doch daran muss hierzulande niemand mehr erinnert werden. Wer das also zwei Stunden lang zur besten Sendezeit im Fernsehen tut und sich dabei in YouTube-ähnliche Best-of-Clips verliert, der hat die DNA des Raab-Fernsehens missverstanden.
Stefan Raab war immer mehr als das, was war. Er hat immer schon Sachen geprägt, die es so noch nie gab. Er war ein TV-Tüftler, ein Entertainment-Erfinder, ein Kreativ-Chirurg am Puls der Zeit. Die quälend lange Einführung bei Raabs Comeback kam allerdings gänzlich ohne Innovation aus. Erst als der Moderator selbst ins Scheinwerferlicht trat, war zu spüren, dass hier in liebevoller Kleinstarbeit Vorbereitungen getroffen und mit detektivischer Akribie ein Geheimnis gehütet wurde.
Dieser Teil der Show war beeindruckend. Womit wir beim finalen Haken und einem möglichen Knock-out wären: Wie oft gelingt so etwas? Der Überraschungseffekt ist aufgebraucht. Millionen Menschen haben das Comeback von Stefan Raab gesehen. Sie haben IHN gesehen, wissen nun, wie er mit 57 Jahren aussieht. Allein dieser simple Umstand befriedigt schon viel Neugier – und womöglich platzt die von RTL aufgepumpte Comeback-Blase schneller, als einem Stefan Raab im Boxring die Luft ausgeht.
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Insofern ist dieses Spiel mit dem Interesse an der Figur Raab riskant. Der Entertainer mag das: "No risk, no fun – das ist mein Motto" – so hätte es ein legendäres "TV total"-Nippel getönt. Aber nicht nur RTL pokert hoch. Auch Raab selbst muss jetzt liefern. Er wird unter Beweis stellen müssen, dass er mit einer wöchentlichen Streaming-Show Abonnenten verpflichten kann. Daran wird ihn sein neuer Arbeitgeber messen.
Einer dieser vielen anderen TV-Größen
Und wir Zuschauer? Wir wollen sehen, ob er auch bis 2029 noch so ein origineller Unterhalter ist, für den er sich selbst hält. Gelingt das nicht, bleibt Raab plötzlich nicht als unerreichter König des Wahnsinns in Erinnerung, sondern nur als ein Mann, dem das Timing fehlte. Er wäre dann einer dieser vielen anderen TV-Größen, die den richtigen Zeitpunkt für einen Abgang verpasst haben.
Eigentlich stand Stefan Raab seit nunmehr einem Jahrzehnt für das genaue Gegenteil: Er ist gegangen, als es am schönsten war. Er hat es geschafft, den Absprung gemeistert. Davor konnte man nur den Hut ziehen. Jetzt droht sein Vermächtnis Schaden zu nehmen.
- RTL: "Der Clark Final Fight – Stefan Raab vs. Regina Halmich" am 14. September 2024