Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.50 Jahre deutscher "Playboy" Hand aufs Herz: Wer liest die Texte?
Schmuddelige Altherrenphantasie, Männermagazin, längst aus der Zeit gefallen: Der "Playboy" war und ist vieles. Eines war er jedoch nie – zu ignorieren.
Erinnern Sie sich, als Sie zum ersten Mal ein "Playboy"-Heft in den Händen hielten? Jenes sagenumwobene Magazin, das mit klarer Bildsprache keinen Hehl daraus macht, worum es sich oft im menschlichen Gehirn – evolutionsbedingt mehrheitlich im männlichen – dreht? Hand aufs Herz: Waren es die Fotos oder die Reportagen und Interviews, die Sie einen Blick riskieren ließen? Ohne Umschweife: Während meines ersten Rendezvous mit dem "Playboy" lag mein Interesse ausschließlich bei den Fotos der leichtbekleideten Damen.
Meine Begegnung mit dem "Playboy" war reiner Zufall. Ich war zwar kein kleines Kind mehr, aber Jahre davon entfernt, volljährig zu sein, als ich eines Tages im Schlafzimmer meiner Eltern herumstöberte. Und da lag er – auf der Bettseite meines Vaters, begraben unter einem Stapel von "Perry Rhodan"-Romanen: der "Playboy"! Es war die August-Ausgabe 1984. Eine Jubiläumsausgabe – zwölf Jahre deutscher "Playboy".
Perry Rhodan war damals für mich der Coolste überhaupt, schließlich war er im fiktiven Perryversum der erste Mensch auf dem Mond. Aber in jenem Moment war die Dame mit der Achtzigerjahre-Frisur, die mich vom Hochglanzcover barbusig ansah, um Längen interessanter als der Weltraum-Held.
Als die Sexwelle über Deutschland rollte
31 Jahre vor meinem Zufallsfund beschloss ein Mann in den USA, sein eigener Chef zu werden. Der zu diesem Zeitpunkt 27-jährige Hugh Hefner, der für eine Kinderzeitschrift als Vertriebsleiter arbeitete, legte mit einem Startkapital bestehend aus nur wenigen tausend Dollar den Grundstein für seine Idee eines Herrenmagazins. Das Cover des allerersten "Playboy" aus dem Jahr 1953 ziert ein Foto von Marilyn Monroe. Der frischgebackene Herausgeber hatte es für 500 Dollar einem Verlag für erotische Kalender abgekauft. Der Rest ist eine amerikanische Erfolgsgeschichte.
Am 1. August 1972 war es dann auch in der damaligen BRD soweit. Gaby Heier lächelte vom Cover der ersten deutschen "Playboy"-Ausgabe. Im Zuge der Sexwelle, die Europa überrollte, sah sich auch die deutsche Gesellschaft mit einem Zeitgeist konfrontiert, der nicht überall auf Akzeptanz und Gegenliebe stieß. Nackte Haut stand für Sünde, dunkle und schmuddelige Ecken und somit für nicht weniger als die Verrohung einer ganzen Generation. "Also, nee, nee! Sowas Anstößiges wollen wir nicht sehen! Wir sind ordentliche Leute", hört man aufgebrachte Passanten in Dokus über diese Zeit auf die Frage antworten, was sie denn über den "Playboy" denken. Den Siegeszug des Magazins konnten die Empörten damit natürlich nicht aufhalten – im Gegenteil.
Katarina Witt machte die ganze Republik wuschig
Dieser Tage feiert der deutsche "Playboy" sein 50-jähriges Jubiläum. Ein halbes Jahrhundert, in dem ca. 20 Millionen Hefte über den Ladentisch gingen und 605 Playmates die Cover zierten.
Viel hat sich seit den Siebzigern und meiner August-Ausgabe von 1984 verändert. Die Fotos sind nach Jahrzehnten des Wandels glatter, aber nicht unerotischer geworden. War Ingrid Steeger schon 1975 eine der ersten deutschen Promis, die für das Magazin blankzog, gehört es mittlerweile zum festen Aushängeschild des einstigen Skandalblatts, auch Prominente auf den Covern zu präsentieren.
Nicht selten in seiner Ära wurde dem Heft das Aus prophezeit. Und spätestens mit dem Internet schien der Untergang so sicher, wie die Stürmung der Kioske, als Kati Witt lasziv vom Cover blickte und gefühlt die halbe Republik wuschig machte. Doch Zeiten ändern sich: Die US-Print-Ausgabe wurde im Frühling 2020 eingestellt. Das mag ein Stück weit Corona geschuldet sein, aber auch den nachhallenden Enthüllungen um den 2017 verstorbenen Hugh Hefner, dem unter anderem ein frauenfeindliches, gar repressives Klima bescheinigt wurde. Der deutsche "Playboy" aber ist immer noch da!
Happy Birthday deutscher "Playboy"!
Einige werfen dem Magazin vor, in der Vergangenheit festzustecken und ein von Männern generiertes falsches Frauenbild zu fördern. Andere sehen im "Playboy" eine Art Freiheit für die Frau, bei der die Weiblichkeit gefeiert wird. Neutral betrachtet hat jede Seite ihre Berechtigung, denn wie unsere Gesellschaften und Kulturen ist auch die Menschheit in einem permanenten Umbruch und Wandel.
Und um unsere Natur zu verleugnen, sind wir einfach noch nicht klug genug. Ich jedenfalls wünsche dem deutschen "Playboy" alles Gute zu seinem 50. Geburtstag und bedanke mich auf diesem Wege für einen wunderschönen Spätsommer im Jahr 1984, der mir hinsichtlich des anderen Geschlechts erstmalig die Augen geöffnet hat.
- RTL+: "Mythos Playboy"
- eigene Recherche