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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Insider im Interview Fake-Likes für Hummels: "Bots der billigsten Sorte"
Wie läuft das mit Fake-Likes, wie sie im Instagram-Account von Cathy Hummels zu Hunderttausenden zu finden sind? Ein junger Mann mit Tausenden Accounts hat geplaudert – und live eine Kostprobe geschickt.
Während der Recherchen von t-online.de zu gekauften Likes für den Instagram-Account von Cathy Hummels hatte er sich gemeldet: Er habe selbst einmal über 9.000 Instagram-Accounts betrieben. Inzwischen sind es weniger, weil er dann doch keine unseriösen Geschäfte damit machen wollte. Aber auch mit seinen verbliebenen Bots hat er t-online.de zum Beleg 1.111 Likes auf ein Bild geschickt.
Er hat auch den Kontakt zu einem Niederländer hergestellt, der groß im Geschäft ist und eigentlich reden wollte. Bis zu 30.000 "echte Likes" kann man auf seiner Internetseite mit de-Adresse beziehen. Los geht es mit 250 Likes für 95 Cent, ein 60-Tage-Abo mit 8.000 Likes pro Bild gibt’s für 450 Euro. Doch reden wollte er nur, wenn die Internetadresse seiner Firma genannt wird. t-online.de hat das abgelehnt.
Stattdessen ist nach Direktnachrichten über Twitter das Interview mit dem Deutschen zustande gekommen. Er nannte eine Handy-Nummer, man solle ihn anrufen. Es sei kein Guthaben darauf, es sei eine nicht registrierte SIM-Karte.
Du hast durch Tweets von den Recherchen erfahren und direkt erklärt, dass Cathy Hummels gekaufte Likes bekommt. Wie bist Du darauf gekommen?
Man kann sehen, dass Tausende Likes innerhalb von ein paar Minuten für ein Foto eintreffen, obwohl vorher Ruhe ist. Es ist natürlich nicht gesagt, dass sie die selbst kauft.
Das weist sie auch zurück, und sie betont auch, das nicht beauftragt zu haben. Aber dass es solche Likes gibt, hat auch das Analyseunternehmen Social Data Pro anschaulich festgestellt, weil es mehrfach in der Minute die Like-Zahl registriert. Man sieht dann plötzlich die Kurve der Likes nach oben schnellen.
Ja, und auf dem Höhepunkt einer solchen Spitze kamen die Likes fast durchweg von ausländischen Bots, oft erstellt mit Mustern im Namen, die von Programmen erstellt werden, Mustermann1234Mu, Mustermann4321Mu, … Ich habe Screenshots von der Like-Welle am 21. Juli mittags.
Ich habe die auch gesehen. Billige Bots?
Es gibt Accounts, die für ein paar Cent gehandelt werden, das sind dann indische oder arabische. Teure kosten von zwei Euro aufwärts. Die bestehen dann schon länger, haben westliche Profilbilder, und selbst Likes von anderen westlichen Accounts. In den Likes im Hummels-Profil sind mir an dem Tag hauptsächlich die indischen Accounts mit Mustern im Namen aufgefallen. Das sind tatsächlich Accounts der billigen Sorte. Zudem sind die Likes oft alle auf einmal losgeschickt worden, ohne zeitlichen Abstand, manchmal sogar erst, wenn das Bild schon Stunden online ist. Es gibt gekaufte Likes, denen man das nicht so offensichtlich ansieht, die sind aber teurer.
Und es gibt Anbieter mit Sitz in Deutschland, die "echte Likes" zum Kauf anbieten.
Natürlich sagen sie das, alles andere wäre illegal. Da sind Anbieter darunter, die auf der einen Seite echte Likes anbieten und auf der anderen Seite Proxy-Adressen, die man braucht, um viele Accounts zu betreiben.
Braucht man dann nicht viele Handys in China? Es gibt Videos, die zeigen solche Ansammlungen in Klickfabriken.
Es kann sein, dass es das dort gibt, weil es vielleicht billiger ist. Hier in Deutschland ist es aber günstiger, Fake-Likes und -Follower über Proxies einzurichten, also über fremde Adressen, bei denen dann die eigene verschleiert wird. Man sitzt vor dem PC und steuert über einen PC verschiedene PCs mit vielen Accounts gleichzeitig.
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Und Instagram tut dagegen nichts?
Instagram lässt schon nur vier Accounts pro IP laufen, deshalb braucht man ja viele Adressen oder muss sich mit dem Handy ins Netz aus- und wieder einwählen. Und Instagram passt den Algorithmus zur Erkennung immer wieder an. Im Mai hat Cathy Hummels auf einen Schlag 5.000 Abonnenten verloren, und mir sind an dem Tag 1.000 kaputt gegangen.
Du sagst, Du hast 9.000 Accounts. Wofür legt man sich die an?
Zunächst einmal: Ich habe davon vielleicht 100 oder 200 selbst angelegt, und das auch nur am Anfang. Ich habe schnell wieder damit aufgehört. Nachher beschwert sich jemand wegen Urheberrechten. Die Bilder werden ja von irgendwo geklaut. Da hoffe ich doch lieber, dass der Account-Ersteller dumm genug war, seine IP nicht richtig zu verstecken. Ich habe die im Darknet gekauft, da bekommt man Verkäufer zu Gesicht, die 100.000 Instagram-Accounts für zwei Cent pro Account anbieten.
Und dann muss man Programmierer sein, um die zu betreiben?
Nein. Das geht vergleichsweise simpel über Browsererweiterungen und Makros, das findet man alles erklärt. Oder man nutzt direkt Programme, die das alles für einen erledigen, und die auch auf Marktplätzen online gehandelt werden.
Okay, aber wozu?
Ich wollte eigentlich Geld damit verdienen, aber das Problem mit der Legalität hat mich dann doch davon abgehalten. Ich müsste als Zahlungsquelle Paypal anbieten, sonst kauft keiner bei mir. Große Anbieter machen das zwar mit Paypal, schalten aber Scheinadressen zwischen. Ich habe auch nur noch 2.000 aktiv, weil ich nicht für 9.000 Accounts Proxies bezahle. Das ist teurer als die Accounts, die mich 100 Euro gekostet hatten. Freunden schicke ich manchmal Likes.
Du könntest jetzt auch sofort Likes auf ein von mir genanntes Foto schicken?
Kurz und knapp, ja.
Wir hatten darüber ja vorher gesprochen. Wir haben einen Account angelegt und posten jetzt ein Bild, und Du schickst 1.111 Likes darauf. Bereit?
Klar.
Okay. Ich habe Dir den Link zum Bild geschickt. Aber wieso hast Du eine krumme Zahl vorgeschlagen?
Weil so eine genaue Zahl ein Beleg ist. Die bekommt man so nicht bestellt. Ich schreibe auch in die Kommentare, wer als nächster ein Like schickt.
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Ich sehe, dass ein Kommentar da sein soll, kann ihn mir aber nicht anzeigen lassen.
Mhm, weiß auch nicht, was da los ist.
Wie Anbieter in ihren Werbebotschaften den Kauf schmackhaft machen, erinnert mich an die dopenden Radprofis vor einigen Jahren. Die haben erklärt, dass sie sonst chancenlos gewesen wären und nur für Wettbewerbsgleichheit gesorgt haben.
Instagram lebt von seiner Engagement Rate, deswegen profitieren von Bots sowohl Instagram als auch seine InfluenzA.
Lass das mal nicht Cathy Hummels hören. Es heißt Influencer.
Wenn man sich durch die Foren liest, fällt schnell auf, dass Unrechtsbewusstsein quasi nicht vorhanden ist. Da gibt es zahlreiche Beiträge darüber, dass Instagram im Grunde von den Bottern lebt. Es kommt eher so rüber, als wenn diese Leute stolz sind auf das, was sie machen.
Ich bekomme unter dem Foto jetzt einen Kommentar angezeigt, kann ihn aber nicht lesen.
Ja, ich auch nicht. Weiß nicht, was da los ist. Die Likes gehen aber schneller durch als sonst. Ihr habt schon einige.
Und nun prüft Instagram, die Likes zu verbergen. Ist das das Ende des Geschäftsmodells?
Das ist nicht das Ende, das ist der Anfang von etwas noch Größerem. Wenn man keinen Eindruck zum Engagement mehr hat, wird es auch schwerer nachzuvollziehen, wie viele Follower echt sind. Und es gibt ja auch noch andere Plattformen, Spotify ist momentan wesentlich lukrativer.
Ich kriege gerade bei fast jedem Account diese Message: There was a problem logging you into Instagram. Please try again soon. Hatte ich auch noch nie. Und da fallen inzwischen sogar wieder Likes weg, weil die Nutzer gebannt werden. Die Bots kann ich danach wegwerfen, so viele auf einen neuen Account ist auch zu auffällig.
Nach 40 Minuten waren mehr als 1.080 Likes auf unser Testfoto eingetroffen. Bis die 1.111 komplett waren, verging noch eine Stunde.
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Nachdem wir den Kauf auf Twitter öffentlich gemacht hatten, gingen diverse gleichlautende Kommentare ein, die offenbar ebenfalls automatisiert abgeschickt wurden.
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Unser Gesprächspartner meldete sich dazu noch einmal:
Damit habe ich nichts zu tun. Da hat jemand Kommentare gekauft, um zu sagen, dass Likes gekauft wurden.
- Eigene Recherche
- socialdatapro.com