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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hunderttausende Fakes Analyse enthüllt: Falsche Likes auf Cathy Hummels’ Instagram-Profil
Cathy Hummels steht im Herzregen und sucht nach Erklärungen: Eine neue Analysemethode bringt ans Licht, dass seit Wochen ein großer Teil der Instagram-Likes im Account der Influencerin gekauft ist.
Deutschlands Vorzeige-Influencerin Cathy Hummels hatte einen Termin mit Markus Söder, als es mal wieder besonders kräftig Herzen regnete. Sie plauderte am 11. Juli im blau-weiß-goldenen Ministerpräsidentenzimmer des Prinz-Carl-Palais mit dem bayerischen Ministerpräsidenten beim "Digital Lunch" über Authentizität und Transparenz. In ihrem Instagram-Account bekamen gleich drei ältere Bilder auf wundersame Art Unterstützung: durch Fake-Likes. Sie habe sie nicht gekauft und bisher nicht bemerkt, lässt Cathy Hummels erklären. Aber es gibt offenbar Hunderttausende davon.
Das zeigt eine t-online.de exklusiv vorliegende Analyse. "Es gibt keine andere Erklärung dafür", sagt E-Commerce-Unternehmer Claus-Georg Matusche. Er wertet seit Monaten bei ausgewählten Accounts permanent aus, wie sich Likes und Follower entwickeln. Beim Account von Cathy Hummels zeigen die Zahlen einen Effekt, für den er folgenden Vergleich aufstellt: "Wenn Frau Hummels Comedian wäre, kämen Lachsalven Minuten nach der Pointe."
Nach schlechten Erfahrungen Analyse entwickelt
Hummels ist aber Influencerin, lässt Menschen teilhaben an ihrem Leben als Moderatorin, Mode-Ikone, Mutter, Yoga-Fan und Frau an der Seite von Fußballstar Mats Hummels. Jemand wie sie, mit 500.000 Abonnenten auf Instagram, ist eine interessante Werbepartnerin, vor allem wenn es viele Reaktionen auf die Postings gibt. Wie Instagram funktioniert, lesen Sie hier. Allerdings gehen Auftraggeber davon aus, dass das Engagement in den Accounts echt ist.
Diese Erwartung an Influencer hatte auch Matusche, als die Unternehmen von ihm und Partnern Verträge mit Influencern eingingen. Es ging um Marketing für Firmen, die seinen Angaben nach mit der eigenen Uhrenmarke und mit Luxusartikeln rund zehn Millionen Euro im Netz umsetzen.
Mehrere Zehntausend Euro im Monat investiere man in Influencer-Marketing. "Und für jeden Euro müssen sie mindestens drei Euro Umsatz machen, um Kostendeckung zu erreichen." Doch die Ergebnisse waren zum Teil enttäuschend, und der Verdacht lag nahe: Bei Influencern wird geschummelt.
Um das aufzuspüren, wurde das Programm entwickelt, das nun auch die Fake-Likes bei Cathy Hummels ans Licht gebracht hat. Mehrfach in der Minute werden Kennzahlen von Instagram-Accounts abgefragt. Dafür muss das Programm einen Facebook-Mechanismus austricksen, der solche automatisierten Abfragen verhindern soll. Vielleicht geht die Software auch deshalb über die Möglichkeiten bisher bekannter Dienste hinaus. Für die Jagd auf Fakes haben Matusche und zwei Partner ein eigenes Unternehmen, Social Data Pro, gegründet.
"Manipulation nirgendwo so eindeutig wie im Hummels-Account"
Der technisch Verantwortliche, Hans Eggert, berichtet, die grafische Verteilung der Likes sei bei einigen der untersuchten internationalen Accounts "wild" gewesen. Bei den meisten deutschen Influencern mit großer Reichweite sei sie langweilig. In den Minuten nach dem Posting schnelle die Like-Zahl stark nach oben, dann verflache der Zuwachs allmählich. Das sei typisch. Werbung oder Nennung andernorts kann zu neuen, vergleichsweise flachen Anstiegen führen.
Im Instagram-Profil von Cathy Hummels schießt die Like-Zahl dagegen immer wieder plötzlich nach oben, wenn die Herzen eigentlich nur noch reintröpfeln. Für einige Minuten brummt es – und bricht dann wieder ab. "Anzeichen für Manipulation haben wir auch bei einigen anderen gesehen, aber keine, die so eindeutig oder vergleichbar sind mit dem Account von Frau Hummels", so Eggert.
Ein Beispiel: Bei einem Posting zu ihrer Dirndl-Serie gab es in den ersten rund 73 Minuten 3.539 Likes. Innerhalb von nur 13 Minuten kamen mehr als 4.700 hinzu. Nach sechs Minuten Ruhe mit nur wenigen Likes hagelte es innerhalb von vier Minuten noch einmal 506 Likes, dann zeigte die Kurve den erwartbaren Verlauf.
"Die Kurve ist hochgradig ungewöhnlich, das sieht nicht nach authentischen Likes aus", sagt auch Robert Levenhagen, Gründer der Kölner Firma InfluencerDB, die Unternehmen unter anderem umfangreiche Daten zur Bewertung von Influencer-Profilen auf Instagram bereitstellt. Die zu der Untersuchung eingesetzte Methodik sei schlüssig.
Hummels: vielleicht ein Neider
Hans Eggert von Social Data Pro schließt bei Hummels’ Account auch aus, dass es andere Erklärungen als gekaufte Pakete von Likes geben könnte. Das Phänomen war bei Hummels seit Beginn der Untersuchung bei vielen Postings zu beobachten, bei vergleichbaren untersuchten deutschen Influencern nicht, so Eggert.
Hummels könne sich das ihrem Anwalt zufolge nicht erklären, "da sie ausschließen kann, selbst Instagram-Likes gekauft zu haben." Wer dann? Darüber könne sie nur spekulieren, so Jurist Moser: Es könnten Unbekannte sein, die sie ungewollt und ungefragt unterstützen wollen – "was dann allerdings die gegenteilige Wirkung hätte."
Es könne auch sein, dass Neider ihr schaden wollten, so ihr Anwalt: Es könne "ja jeder für wenige Euro eine beliebige Anzahl an Likes für beliebige Posts erwerben."
Keine Fake-Likes während Urlaub von Mitarbeiterin
Auffällig ist allerdings, dass nach den Daten von Social Data Pro im Zeitraum vom 16. Juni bis zum 7. Juli bei Hummels’ Fotos die verdächtigen Peaks fehlen. Das fällt nach Recherchen von t-online.de fast auf den Tag genau zusammen mit dem Urlaub einer zeitweiligen Mitarbeiterin von Cathy Hummels. Die Frau weist jedoch zurück, Likes für sie gekauft zu haben: "Ich habe mit der Thematik nichts zu tun", sagte sie t-online.de. Laut Hummels’ Anwalt Moser könne Cathy Hummels "ausschließen, jemals diese Frau oder andere gebeten oder beauftragt zu haben, Likes zu kaufen."
Aus Sicht des Anwalts hat Hummels auch gar keinen Grund: Als "erfolgreiche Unternehmerin und Werbepartnerin mit einer halben Million Followern und Posts mit in der Regel fünfstelliger Like-Zahl", habe sie das nicht nötig.
Für Werbekunden seien vor allem Anzahl und Qualität der Follower als Zielgruppe und die Kommentare entscheidend. Like-Kauf "würde keinen wesentlichen Mehrwert bringen", so ihr Anwalt. Ihre eigene Glaubwürdigkeit habe einen hohen Stellenwert. "Like-Kauf widerspricht ihren grundsätzlichen Wertvorstellungen und Prinzipien."
Fehlentscheidungen wegen Fake-Likes
Mindestens zehn der gut 60 auffälligen Postings haben die angesprochene, "in der Regel fünfstellige Like-Zahl" allerdings nach den Daten der Analyse nur dank fragwürdiger Herzen erreicht. Zudem sind die Likes in ihrem Account trotz der rätselhaften Schübe nach einer Auswertung des Tools Likeometer.co für einen Prominenten in ihrer Liga unterdurchschnittlich.
"Wir schätzen, dass seit Anfang Mai für diese 60 auffälligen Postings zusammen mindestens 200.000 Likes für Fotos von Cathy Hummels gekauft worden sind", sagt Eggert von Social Data Pro. Matusche sieht das Problem darin, dass falsche Likes zu falschen Schlüssen führen können. "Das kann im Marketing eine Fülle an Fehlentscheidungen nach sich ziehen, weil es eine falsche Vorstellung vermitteln kann, was bei den Followern am besten ankommt." Hummels habe solche Fragen noch nicht mit ihren Partnern beraten, weil sie erst durch die Recherchen von t-online.de davon erfahren habe, so ihr Anwalt.
Instagram selbst äußert sich zum Hummels-Fall nicht, ein Sprecher sagte aber: "Der Einsatz von Apps von Drittanbietern, die durch unechte Likes, Kommentare und Abonnenten die Popularität eines Accounts vergrößern sollen, ist nicht erlaubt." Instagram entwickle "fortlaufend Technologien, um nicht authentische Aktivitäten auf Instagram zu unterbinden."
Matusche sagt, Leidtragende von gekauften Likes seien die Werbetreibenden, aber auch andere Influencer: Firmen mit gekauften Followern oder Likes über die Eignung als Werbepartner zu täuschen, sei unlauter und könne Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Influencern darstellen. "Deshalb halten wir es auch für so wichtig, Fake-Likes wie hier objektiv nachzuweisen."
InfluencerDB-Gründer Levenhagen ist mit seinem Unternehmen in einer Studie zu der Schätzung gelangt, dass der weltweite Schaden für die Wirtschaft durch tricksende Influencer bei 500 Millionen Euro liegt. Global sei in jedem vierten Profil von Influencern mit unsauberen Mitteln nachgeholfen worden. "Unternehmen wundern sich, dass Kampagnen nicht funktionieren und geben Influencer-Marketing auf, obwohl es ein sehr erfolgreiches Mittel sein kann."
Branche erwartet fast eine Milliarde Euro Umsatz
Werbekunden seien durch Presseberichte und eigene Erfahrungswerte sensibilisiert, berichtet Stephan Doktorowski, Vorsitzender des vor zweieinhalb Jahren gegründeten Bundesverbands Influencer-Marketing e.V. "Community Credibilität ist auch ein wichtiges Thema für die Agenturen, und der größte Teil der Branche ist sehr weit darin, entsprechende Metriken anzuwenden."
Das heißt: "Es werden professionelle Tools eingesetzt, damit Fake-Follower und Fake-Likes eben nicht zu ineffizientem Einsatz von Budgets führen." Viele Unternehmen setzten nur noch Influencer mit mindestens 60 Prozent deutschen Followern ein. Weitere Faktoren bei der Analyse können die Entwicklung der Engagement-Raten sein, etwa auch, was wie kommentiert wird oder wie die Frequenzen einzelner Aktivitäten ausschauen.
Und der Markt boomt. Doktorowski schätzt, dass der in Studien für 2020 prognostizierte Umsatz von einer Milliarde Euro im deutschsprachigen Raum bereits in diesem Jahr erreicht werden könnte.
Als selbst ernannte Vorkämpferin Cathy Hummels geht vorneweg: Bei ihr ist immer wieder der Satz "Influencer ist keine Grippe!" zu lesen, und sie scheut auch juristische Auseinandersetzungen nicht. Im April hatte sie einen Prozess gewonnen, nachdem sie eine Abmahnung wegen vermeintlich fehlender Werbekennzeichnung nicht akzeptierte.
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Ihre Abonnenten fragen regelmäßig, was sie trägt und zeigt. Und sie will ohne Werbehinweis Produkte empfehlen können, wenn dafür keine Gegenleistung erfolgt. Man müsse seine Meinung frei äußern dürfen. Deshalb saß sie auch mit Söder und Merkels Digitalministerin Dorothee Bär zusammen, um für eine klare gesetzliche Regelung zu werben. Danach schrieb sie: "Es lebe die Transparenz!"
- Eigene Recherchen
- socialdatapro.com