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Georgine Kellermann: ARD-Journalistin über ihre Befreiung als Transfrau


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ARD-Journalistin über ihr Leben als Transfrau
"Ich heiße Georgine, ich bin eine Frau"


Aktualisiert am 05.06.2024Lesedauer: 5 Min.
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Georgine Kellermann: "Von einer Sekunde auf die andere war er abgemeldet." (Quelle: Fußwinkel, Annika)
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Lange war sie der Öffentlichkeit als ARD-Korrespondent Georg Kellermann bekannt. Erst im Alter von 62 Jahren machte sie öffentlich, dass sie eine Frau ist. Nun erzählt Georgine Kellermann von ihrem langen Weg zu sich selbst.

Ihr blonder Zopf ragt über einen roten Liegestuhl. Man sieht bereits von Weitem, dass sie eine große Frau ist. Sie sitzt im Garten hinter dem Gebäude des Verlags, in dem ihr neues Buch erscheint. Es ist heiß, bis zu 27 Grad sollen es an diesem Tag Mitte Mai in Berlin noch werden. Georgine Kellermann trägt eine weiß-blau gestreifte Bluse, eine Dreiviertel-Hose, Sandalen mit Absatz und dezenten Lippenstift.

Ihr Beruf war es, die Geschichten anderer Menschen zu erzählen. Über Jahrzehnte beschäftigte sie sich damals offiziell als Auslandskorrespondent mit politischen Themen, im Lokaljournalismus mit den Sorgen und Nöten der Region. Erst 2019 war es an der Zeit, dass Georgine Kellermann, damals 62 Jahre alt, ihre eigene Geschichte erzählte. Mit t-online hat sie nun darüber gesprochen, warum es ihr so lange schwerfiel, sie selbst zu sein und wovor sie am meisten Angst hatte.

"Heute lebe ich selbstverliebter"

Sie sei heute glücklicher denn je, sagt sie, bereits kurz nachdem sie ihre kleine Pause im Garten beendet und sich t-online im Verlagshaus vorgestellt hat. "Was mich antreibt, ist die Liebe zum Leben. Ich habe immer gerne gelebt, aber heute lebe ich noch lieber, intensiver, verliebter und selbstverliebter." Sie lacht, und zwar so, dass ihre Augen klein werden und der Mund groß. Sie lacht aus vollem Herzen.

Auf die Frage, wer ihre Vorbilder seien, nennt sie ihre Mutter – weil sie ihre Alkoholkrankheit besiegt habe. "Sie hat es geschafft, trocken zu werden, und das ist eine Lebensleistung, die man nicht genug würdigen kann", erklärt Georgine Kellermann. Sie habe die Auswirkungen der Alkoholsucht ihrer Mutter gesehen: "Es war eine fürchterliche Situation und ich machte mir Sorgen, dass es mir einmal ähnlich gehen würde." Bis jetzt spüre sie davon jedoch nichts, auch wenn sie eine leidenschaftliche Weingenießerin sei, sagt sie.

Georgine Kellermann zeigt sich verständnisvoll, wenn sie von ihrer Mutter spricht. Sie habe Georgine als Kind einmal dabei ertappt, wie sie heimlich ihre Kleider und Pumps anprobierte. Die Mutter habe nicht gewusst, wie sie damit umgehen sollte. Transsexualität sei damals in den Sechzigerjahren kein Thema gewesen, das öffentlich besprochen wurde. Trotzdem habe sie immer zu ihrem Kind gestanden.

"Deadname"

Viele transgeschlechtliche Menschen legen ihre alten Namen, die sogenannten "Deadnames", ab. Georgine Kellermann schreibt dazu in ihrem Buch: "Ich bin da eine Ausnahme. Meine Zeitungsartikel sowie meine Filme und Hörfunk-Produktionen liegen in vielen Archiven. Ich kann nicht den größten Teil meiner Arbeit, auf die ich stolz bin, wegwerfen, nur weil der Name, den mir meine Eltern gaben, darüber steht." Daher finden Sie auch in diesem Artikel häufiger den Namen Georg, wenn es um Georgine Kellermanns Vergangenheit geht.

Georg war ihre Rolle, dahinter steckte immer Georgine

Nach außen hat Georgine Kellermann über 60 Jahre die Rolle des Georg gespielt, die ihr im Nachhinein nicht immer sympathisch gewesen sei. So gab Georg in der Schule etwa den Klassenclown, später den stereotyp-männlich gelesenen Journalisten. Im Privaten hingegen offenbarte sie sich schon früh bei Freunden, später im Beruf weihte sie einige Kolleginnen ein. "Wer mit mir befreundet war, wusste, wer ich bin. Die Rolle auch im Privaten spielen zu müssen, das hätte ich nicht gekonnt", sagt Georgine Kellermann. "Als ich der ersten Kollegin beim WDR davon erzählte, habe ich noch gezittert. Aber je öfter ich mich Menschen öffnete, desto leichter fiel es mir."

Menschen wie Astrid, ihre langjährige Lebenspartnerin und heutige beste Freundin, bestärkten sie darin, Georgine in die Öffentlichkeit zu tragen. Trotzdem fiel es ihr selbst oft schwer, das Haus als Frau zu verlassen. Zu Hause konnte sie sein, wer sie war. Wenn sie als Georgine auf die Straße ging, begleitete sie die Angst, entdeckt zu werden.

Georgine Kellermann liebte ihren Job

Sie sei zwar in Pumps zu Hause ins Auto gestiegen, aber habe die Schuhe gewechselt, bevor sie ausstieg, um ins Büro zu gehen. Sie streifte die Rolle des Georg über, während sie in die Herrenschuhe schlüpfte: "Wie viel Energie und Kraft ich aufwandte, um diese Rolle zu spielen. Diese Energie hätte ich auf so viele andere Dinge verwenden können." Sie hätte viel früher auf Astrid hören sollen, sagt Georgine Kellermann heute.


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"Meine größte Sorge war, dass ich nicht mehr tun kann, was ich liebe, wenn ich werde, wer ich bin."


Georgine KellerMann


"Meine größte Sorge war, dass ich nicht mehr tun kann, was ich liebe, wenn ich werde, wer ich bin.", so beschreibt Georgine Kellermann das Gefühl, das sie daran hinderte, die Rolle des Georg abzulegen. Damit meint sie vor allem ihren Job im Journalismus. In den Achtzigerjahren hat es in der Branche nur wenige Frauen gegeben. Als Georgine hätte sie niemals dieselben Chancen gehabt, die ihr als Georg geboten wurden: Georg drehte unter anderem eine Reportage über Skinheads, berichtete im Bosnienkrieg über die Menschen in einem psychiatrischen Krankenhaus und fand sich in Ruanda neben 16-Jährigen mit Kalaschnikows im Arm im Bus sitzend.

Im September 2019 traf Georgine Kellermann am Frankfurter Flughafen zufällig eine Kollegin, die sie mit "Herr Kellermann?" grüßte. Sie wollte über ihren Geburtstag nach San Francisco fliegen, trug bei der Reise bereits ein feminines Outfit. Anstatt sich zu verstecken, habe sie ihre Kollegin korrigiert: "Nein, ich bin eine Frau." Dass diese nicht mit Entsetzen, sondern mit der simplen Antwort "Cool" reagierte, habe einen Schalter umgelegt. Noch während ihrer Reise erstellte sie eine Facebook-Seite, in der sie erklärte und mit Bildern zeigte, wer sie wirklich ist. "Ich heiße Georgine, ich bin eine Frau."

Hass und Angriffe als Lebensrealität

Ihre Kolleginnen und Kollegen beim WDR nahmen die Nachricht positiv auf. Doch im Internet erfährt Georgine Kellermann – wie auch im echten Leben – immer wieder Hass und gewaltvolle Reaktionen. Einmal sei sie am Bahnhof in Ratingen von einem Mann beschimpft und bedroht worden. Er sei ihr hinterhergelaufen und habe sich den Zeigefinger wie ein Messer an die Kehle gehalten. Erst als die Situation vorbei war, habe Georgine Kellermann die Angst gespürt und gezittert.

Georgine Kellermann wehrt sich. Besonders, wenn es nicht nur um sie selbst geht. Bereits mehrfach hat sie sich auf X (ehemals Twitter) gegen die AfD und Feinde der Demokratie positioniert.

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Wenn CDU-Politiker Friedrich Merz Kanzler werden würde, wäre sie zwar nicht glücklich, aber es wäre eine demokratische Wahl, die CDU eine demokratische Partei – im Gegensatz zur AfD. Angela Merkel wird von Georgine Kellermann als starke Frau und Rollenmodell bezeichnet: "Ich bin der Meinung, die Merkel-Jahre waren nicht die schlechtesten."

"Manchmal reagiere ich über"

Sie müsse aber daran arbeiten, dass sie manchmal überreagiere und Schimpfworte benutze, die sie lieber nicht benutzen sollte. "Das zeigt sich auch im Straßenverkehr, wenn mir jemand die Vorfahrt nimmt", sagt sie.

Mag sein, dass ihr aufbrausendes Verhalten, ihr auch deshalb unangenehm ist, weil dieses in der Gesellschaft als männlich konnotiert gilt. Weil Georg wahrscheinlich so reagiert hätte. Als t-online ihr zum Abschluss die Frage stellt, ob sie sich je von Georg verabschiedet hat, wirkt sie überrascht: "Nein, der arme Kerl. Von einer Sekunde auf die andere war er abgemeldet. Vielleicht trinke ich heute Abend einen Sekt: Auf Georg!"

Viele Ihrer Antworten sind nicht neu. Sie hat sie schon oft gegeben, im Fernsehen, in Podcasts, auf X und ausführlich in ihrem Buch "Georgine – Der lange Weg zu mir selbst". Trotzdem schwingt in Georgine Kellermanns Aussagen jedes Mal etwas Besonderes mit: die Hoffnung auf Veränderung.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Georgine Kellermann
  • Kellermann, Georgine: "Georgine – Der Lange Weg zu mir selbst" (2024, Ullstein)
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