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Boris Beckers TV-Beichte: Tennis-Legende bekennt sich schuldig


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Emotionaler TV-Auftritt
Ihm ist alles zuzutrauen

  • Steven Sowa
MeinungEin Kommentar von Steven Sowa

Aktualisiert am 21.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Boris Becker während eines Interviews für "Sat.1 Spezial" (20. Dezember ab 20:15 Uhr)
Tennislegende unter Tränen: Boris Becker schildert die Umstände der Trennung von seinen Liebsten – und wie es zum Urteilsspruch kam. (Quelle: Glomex)
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Boris Becker hat seine Schuld eingeräumt und Tacheles geredet. Dieses Interview wird nicht nur Fernsehgeschichte schreiben. Es ist ein Wendepunkt.

Immer wieder ringt er um Fassung. Tränen schießen ihm in die Augen, er wedelt mit den Händen, sichtlich um Beherrschung bemüht. Diesen Boris Becker hat die Öffentlichkeit noch nie gesehen: verletzlich, nahbar, verändert. Ein Mann mit 55 Jahren, der nach rund sieben Monaten Gefängnis eine Wandlung durchgemacht hat.

Eine Wandlung, die glaubhaft wirkt und so öffentlich vorgeführt wird, wie es das so zuvor im Fernsehen noch nicht gegeben hat. Dieser Becker spielt kein Spiel, kein Wimbledon-Finale und keine gut eingeübte Unschuldsbekundung.

Das wird gleich zu Anfang des am Dienstagabend bei Sat.1 ausgestrahlten Fernsehinterviews mit Moderator Steven Gätjen klar. Seine erste Antwort in dem Gespräch gibt die Richtung vor: "Natürlich war ich schuldig", räumt er ein – und bekennt damit erstmals öffentlich seine Schuld, im Insolvenzverfahren Millionen verschwiegen zu haben.

Er spricht von "Todesangst", vom "Kampf ums Überleben"

Zu zweieinhalb Jahren Haftstrafe hatte Richterin Deborah Taylor ihn Ende April am Southwark Crown Court verurteilt. Becker hatte auf unschuldig plädiert. Doch es nützte nichts. Er verschwand umgehend hinter Gittern, war für 236 Tage aus der Öffentlichkeit verschwunden: keine Bilder, keine Aussagen, nur Gerüchte und Statements seines Anwalts. Bis jetzt.

Fünf Tage nach seiner vorzeitigen Haftentlassung stellt sich Boris Becker nun einem TV-Interview. Er sieht schlanker aus, kantiger, hat im Gefängnis deutlich an Gewicht verloren. "Ich habe nichts getrunken, nichts geraucht, wochenlang, monatelang sehr wenig gegessen", erzählt er.

Mit 97 Kilo sei er rein in den Knast, jetzt wiege der 1,91 Meter große Becker noch um die 90 Kilogramm. Er spricht von "Todesangst", vom "Kampf ums Überleben", von einem Mithäftling, der ihn umbringen wollte und seinen Zweifeln, ob Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro ihm während der Haftzeit treu bleiben würde.

Wer dabei nun allzu viel Pathos oder gar Heuchelei vermutet, liegt falsch. Es ist ein beeindruckendes wie berührendes Stück Fernsehgeschichte. Boris Becker lässt die Hosen herunter, zeigt schonungslos offen seine Schwächen – und eine zutiefst menschliche Seite. Oder hat es so etwas schon jemals gegeben? Ein gefallener Held, der sich den Fragen der Öffentlichkeit stellt und dabei selbst private Details nicht ausspart?

Gewiss, auch Uli Hoeneß hat nach der Anklage wegen Steuerhinterziehung Tränen vor der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München vergossen. Aber das hier ist eine andere Hausnummer. Hier gewährt ein Prominenter Einblicke in die Intimsphäre, wie es nicht zu erwarten war. Hier macht ein Star klar Schiff. Natürlich wird Boris Becker mit diesem Interview Geld verdienen, von seiner TV-Transparenz profitieren.

"Dieser Gefängnisaufenthalt hat mich zurückgeholt"

Doch mit welcher Emotionalität und Klarheit Becker zu Werke geht, überrascht. Episoden aus dem Knast waren erwartbar. Er hätte daraus eine mitleiderregende Tränenshow machen können. Hat er aber nicht. Als seine Augen das erste Mal feucht werden, rot anlaufen, bittet er um eine Auszeit. Mindestens drei weitere Male versucht er die Fassung zu wahren. Dieser Mann war Tennisspieler, kein Hollywoodstar. Was Zuschauer zu sehen bekommen, ist die offenherzige Seelenschau einer Berühmtheit.

Becker ist erst seit fünf Tagen in Freiheit, sein Nervenkostüm entsprechend dünn gefüttert. Er darf vorerst nicht wieder in die Wahlheimat Großbritannien zurück, hat weiter mit seiner Insolvenz zu kämpfen und sieben Monate lang seinen Jüngsten nicht gesehen. "Ich wollte nicht, dass ein zwölfjähriger Sohn seinen Vater im Gefängnis besucht", erklärt Becker in dem Interview. Von Amadeus' Entwicklung in dieser Zeit hat er nichts mitbekommen.

Wir sehen also auch einen vierfachen Familienvater, der zu sich gefunden hat, der Reue zeigt – und in dem sogar der Wunsch gereift ist, mehr Kinder zu bekommen. In der Haft habe er Zeit zum Nachdenken gehabt, die Lehre des Stoizismus studiert, die auf innere Gelassenheit und Vernunftentscheidungen zielt. Er habe dadurch Eigenschaften an sich wiederentdeckt, die er als Tennisspieler gehabt habe – wie Disziplin und Präsenz im Moment. "Dieser Gefängnisaufenthalt hat mich zurückgeholt", sagt Becker und spricht von einer "zweiten Chance".

Boris Becker war ganz unten. Das hier ist seine Wiederauferstehung. Und es ist das vielleicht stärkste Comeback, das er je hingelegt hat. Das zeigt allein die Demut, mit der er nun in die Zukunft blickt. "Ich habe Ideen, aber ich bin vorsichtig geworden mit meinen Aussagen", betont Becker.

Dieser neue Stoizismus tut ihm sichtlich gut. Gelassenheit, sich frei machen von Neigungen und Affekten, rationale Entscheidungen treffen: Boris Becker ist all das plötzlich zuzutrauen.

Verwendete Quellen
  • Sat.1: "SAT.1 Spezial. Boris Becker" vom 20. Dezember 2022
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