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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Charles in Deutschland Das weckt peinliche Erinnerungen
Der Staatsbesuch von Charles III. weckt Erinnerungen an deutsche Peinlichkeiten. Bleibt nur zu hoffen, dass Bundespräsident Steinmeier gut vorbereitet ist.
Bei hohem Besuch sind die Fettnäpfchen nicht weit. Ein falscher Handschlag, ein fehlender Knicks: Und fertig ist die Blamage. Vor allem die Eigenheiten des britischen Königshauses dürften in den nächsten drei Tagen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor Herausforderungen stellen. Und auch Deutschlands First Lady Elke Büdenbender muss sich in Acht nehmen, schließlich soll der königliche Besuch drei Tage unfallfrei durch Berlin, Brandenburg und Hamburg begleitet werden.
Nur gut, dass Charles und Camilla schon oft in Deutschland waren und Steinmeier wegen seiner zweiten Amtszeit als erfahrener Gastgeber gilt. Da wird schon nichts schiefgehen, oder?
Erinnerungen an Peinlichkeiten sind vor allem mit einem Besuch der Queen aus dem Jahr 2015 verbunden. Ein Zeitraum, der also nicht in den Zuständigkeitsbereich Steinmeiers fällt. Wir erinnern uns: Damals war er im Kabinett Merkel als Außenminister tätig. Das Amt des Bundespräsidenten hatte in dieser Zeit Joachim Gauck inne – und er war es, der eine viel verspottete Posse Deutschlands zu verantworten hatte.
"Und das soll mein Vater sein?"
Der Fremdschammoment hat mit der Grundfarbe Blau zu tun und ereignete sich beim Empfang von Queen Elizabeth II. im Schloss Bellevue. Gauck hatte für die Monarchin ein Gastgeschenk vorbereitet, präsentierte es der Königlichen Hoheit voller Stolz – und erntete neben einem verdutzten Blick nur die zwei entwaffnenden Sätze: "Das ist eine seltsame Farbe für ein Pferd. Und das soll mein Vater sein?"
Ihr damaliger Gatte Prinz Philip versuchte, die Situation wohl mit britischem Humor zu retten, fragte grinsend: "Hast du ihn nicht erkannt?" Doch die Queen blieb ihrer Linie treu und machte aus ihrem Unmut keinen Hehl: "Nein, nicht wirklich", so ihre Antwort. Der Spott war den Deutschen in den Tagen nach dieser Übergabe jedenfalls sicher.
Die britische Zeitung "The Guardian" nannte die Überreichung "misslich", der "Telegraph" bezeichnete das Werk der Künstlerin Nicole Leidenfrost eine "grauenvolle Mischung aus verlogen-naiver Pinselführung und kommerzialisierter Glätte". Die britische Boulevardpresse ätzte außerdem, es gebe wohl kaum einen Menschen, der so viel von Pferden verstehe wie das Staatsoberhaupt der Briten. Wenn die Deutschen schon was mit Pferden machen, dann aber richtig, so der Tenor.
60.000 Euro für zwei Pferde: Ist das peinlich?
Dass dies rückblickend nicht einer gewissen Ironie entbehrt, darf dabei nicht unerwähnt bleiben. Neueste Recherchen haben enthüllt, dass Deutschland 1978 umgerechnet 60.000 Euro in die Hand nahm, um der Queen ihren Sonderwunsch zu erfüllen: Zwei Pferde sollten es als Gastgeschenk sein, ein Holsteiner und ein Schimmel. Bundespräsident Walter Scheel kam dem nach. Bleibt die Frage, was peinlicher ist: Sich ein sündhaft teures Gastgeschenk herbeizuwünschen oder aus Angst vor Zurückweisung tief in die Staatskasse zu greifen?
Am Ende steht wohl die Erkenntnis, dass die deutsch-britischen Beziehungen auf beiden Seiten mit Unzulänglichkeiten und mitunter befremdlichem Verhalten gesäumt sind.
Aber zurück ins Hier und Jetzt. Um 14 Uhr landet Charles samt seiner rund 60-köpfigen Privatdelegation am Hauptstadtflughafen BER. Geht dort alles glatt, stehen die Zeichen für einen reibungslosen Königsbesuch gut. Wenn es dem Pannenflughafen der Republik gelingt, schaffen es auch alle anderen – so der optimistische Gedanke. Obwohl: Am Freitag fährt der britische König mit seiner Gemahlin in einem regulären ICE der Deutschen Bahn von Berlin nach Hamburg. Da hilft nur noch Daumen drücken!
Der Besuch von Charles und Camilla ist hochpolitisch
Denn neben all den bunten Nebenschauplätzen eines solchen Staatsbesuches geht es auch bei König Charles III. und seiner Königsgemahlin Camilla um das große Ganze, um die Symbolik, die Botschaften. So unpolitisch das Königspaar qua der parlamentarischen Monarchie im Vereinigten Königreich auch wirken muss, so wichtig sind trotzdem die Reisen ins Ausland. Der Deutschlandbesuch komme einem "politischen Kommentar" gleich, urteilt Royalexperte Thomas Kielinger bei t-online.
Blamagen kann angesichts der dramatischen Lage in Europa niemand gebrauchen. Bilder, die den Staatsbesuch überschatten, spielen am Ende den Falschen in die Karten. Bleibt also zu hoffen, dass Steinmeier keine quietschbunten Gemälde überreicht, am BER kein Koffer mit feinster englischer Wolle abhandenkommt und der Zugführer im ICE nicht von "Verzögerungen im Betriebsablauf" sprechen muss.
- Eigene Recherchen