Veröffentlichung erschüttert Royals Das millionenschwere Geheimnis hinter Prinz Harrys Skandalbuch
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eine Schlagzeile explosiver als die andere. Harrys Memoiren sorgen seit Tagen für Zündstoff. Damit das gelingen konnte, hat sich der Prinz Hilfe geholt.
Wie aufsehenerregend die Autobiografie von Prinz Harry ist, zeigt ein Blick auf die Schlagzeilen der vergangenen Tage. Seit einer Panne auf dem spanischen Buchmarkt sickern immer mehr Details aus dem Buch an die Öffentlichkeit. Und eine Geschichte ist dabei konfliktträchtiger als die andere. Ein (unvollständiger) Überblick:
Harry schildert intime Details, schreibt: Er und sein Bruder William seien beschnitten. Bei Williams Hochzeit mit Kate im Jahr 2011 sei er gezwungen worden, bei einer "unverschämten Lüge" mitzuspielen: In Wahrheit, so Harry, war er gar nicht der Trauzeuge seines Bruders. Immer wieder schießt der jüngere gegen den älteren Bruder, wie es die ersten Auszüge nahelegen. William soll Harry niedergeschlagen haben: "Er packte mich am Kragen, zerriss meine Kette und warf mich zu Boden."
König Charles III. wird in dem Buch offenbar als herzlos beschrieben, habe seinen Sohn Harry nach dem Tod der Mutter Diana nicht in den Arm genommen. Über die heutige Königsgemahlin Camilla falle die wenig schmeichelhafte Zuschreibung, sie sei eine "böse Stiefmutter".
All das stammt also von einem Autor namens Prinz Harry?
Neben den Attacken auf die Familie drehe sich vieles um die seelischen Probleme des Prinzen. Harry sei mit der gleichen Geschwindigkeit wie Diana in ihrem Todesjahr 1997 durch den Unglückstunnel in Paris gerast – ein Versuch im Alter von 23 Jahren, den Verlust der Mutter zu verarbeiten. Er habe mit 17 Jahren Koks konsumiert, später Pilze probiert, außerdem Marihuana geraucht und wurde bei seiner ersten sexuellen Erfahrung als "junger Zuchthengst gedemütigt".
All das stammt also aus der Feder eines zweifachen Vaters? Einem 38-jährigen Mann aus königlichem Hause? So jedenfalls steht es auf dem Buchcover. Es zeigt ein prominentes Gesicht, rotbrauner Bart, entschlossener Blick, darüber der Autorenname: Prinz Harry.
Doch hinter den rund 500 Seiten verbirgt sich ein Geheimnis. Keines, das noch nicht gelüftet wurde – aber eben eines, das den wenigsten Lesern bewusst sein dürfte. Das Buch hat einen Ghostwriter. J.R. Moehringer hat die Autobiografie Harrys geschrieben. Wer am Ende welchen Anteil an den Geschichten hat, den feinen Formulierungen, den Nuancen: Darüber schweigt sich die Verlagsbranche traditionell aus. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass über die Arbeit der Ghostwriter nicht viele Worte verloren werden.
Dabei stammen in aller Regel sehr viele der wohlbedachten Wörter aus ihrer Feder. Und bei J.R. Moehringer besteht kein Zweifel an seiner Fähigkeit, biografische Erzählungen mit dem nötigen Schliff zu versehen, sie spannend und außergewöhnlich erscheinen zu lassen.
Harrys Ghostwriter ist ein Spezialist für Vatergeschichten
J.R. Moehringer ist Pulitzerpreisträger. Er hat 2005 mit "Tender Bar" seine eigene Biografie veröffentlicht, 2021 wurde sie von George Clooney verfilmt. Er erzählt darin unter anderem die Geschichte eines Jungen auf der Suche nach Ersatzvätern, weil sein eigener sich aus dem Staub gemacht hat. Doch die bislang populärste Geschichte aus Moehringers Werkesammlung dreht sich nicht um seinen eigenen Lebenslauf, sondern um den des Tennisspielers Andre Agassi. In "Open" verleiht Moehringer der Tyrannei des Vaters und den psychischen Auswirkungen auf Sohn Andre einfühlsame bis explosive Worte. Er beschönigt nichts – und lässt dabei ein bis heute nahezu beispielloses, biografisches Psychogramm entstehen.
Es ist also kein Zufall, dass sich Prinz Harry eben diesen Autor für sein Buch ausgesucht hat. Dem weltweit größten Verlag Penguin Random House soll diese Kombination aus preisgekröntem Genie und der potenziell wahnsinnigen Geschichte eines Prinzen angeblich 20 Millionen Dollar wert gewesen sein.
Die Gebühren für solche Kooperationsprojekte sind stets ein gut gehütetes Branchengeheimnis. Manche Ghostwriter sollen sich mit Gagen um die 50.000 US-Dollar begnügen, andere hingegen Hunderttausende einstreichen, so schreibt es die "New York Times". Moehringers Ruf dürfte ihm vorauseilen, seine Honoraransprüche entsprechend hoch sein. Doch der ehemalige Zeitungsreporter ist für seine Diskretion bekannt. Er verrät nicht einmal, das wievielte Ghostwriter-Projekt Harrys "Reserve" für ihn ist: Über Geld wird er angesichts dieser Verschwiegenheit also erst recht nicht sprechen.
"Er ist halb Psychiater"
Für seine Arbeit an der Agassi-Biografie soll er ein Haus neben dem Tennisstar bezogen haben, lebte dort angeblich zwei Jahre. Stundenlang sollen der Autor und der Sportler zusammen am Esstisch gesessen haben, nur ein Tonbandgerät zwischen ihnen. "Er ist halb Psychiater", sagte Nike-Co-Gründer Phil Knight der "New York Times". Moehringer hatte 2016 über ihn Memoiren mit dem Titel "Shoe Dog" verfasst. "Er bringt dich dazu, Dinge zu sagen, von denen du wirklich nicht gedacht hättest, dass du sie tun würdest."
Angesichts dieser Aussagen verwundert es dann doch ein bisschen weniger, dass der Inhalt von Harrys Buch so viel Aufsehen erregt. Auch wenn dabei nicht vergessen werden darf, dass ein guter Autor nur den Stoff veredeln kann, den der Protagonist bereit ist zu liefern. Und selbst wenn schließlich die Tinte trocken ist, gilt: Eine Veröffentlichung gibt es nur dann, wenn der Autor des Buchtitels seine Genehmigung erteilt. Und dieser ist, so viel wissen wir dank des Covers sicher: Prinz Harry und nicht J.R. Moehringer.
- penguinrandomhouse.com: "Reserve"
- niemanstoryboard.org: "Featured Fellow: J.R. Moehringer"
- nytimes.com: "When the Writing Demands Talent and Discretion, Call the Ghostwriter" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa