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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Echo-Mitbegründer Stein zum Skandal "Voormanns Aktion? Als ob in China ein Sack Reis umfällt"
Die Echo-Verleihung war für Musikexperte Thomas M. Stein nur schwer zu ertragen. Im Interview verrät der 69-Jährige, warum er die Diskussion um die Texte von Farid Bang und Kollegah für überzogen hält, welchen Vorwurf er den Verantwortlichen macht und weshalb die Rückgabe des Lebenswerk-Echos von Klaus Voormann niemanden interessiert.
Thomas M. Stein gilt nicht erst seit seiner Jury-Tätigkeit bei "Deutschland sucht den Superstar" in den Jahren 2002 und 2003 als ausgewiesener Musikexperte. Schon 1982 war Stein in der Schallplattenbranche tätig und entwickelte den Echo als Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Musikindustrie mit, der er von 1990 bis 2000 war.
t-online.de: Herr Stein, das Drama um die Echo-Verleihung 2018 begann schon im Vorfeld mit den Antisemitismus-Vorwürfen gegen die Rapper Farid Bang und Kollegah. Wie bewerten Sie die Diskussion?
Thomas M. Stein: Beim Rap darf man nicht alles auf die Goldwaage legen. Ich bin nicht der Meinung, dass Farid Bang und Kollegah prädestinierte Antisemiten sind. Ich glaube, dass hier jetzt viel hineininterpretiert wird, was vorher gar nicht geplant war. Aber jetzt haben sie es nun einmal gesungen, jetzt wird es so interpretiert und jetzt müssen sie damit fertig werden.
Schlussendlich wurden die Skandal-Rapper mit einem Echo in der Kategorie "Hip Hop/Urban National" ausgezeichnet. Halten Sie diese Entscheidung für falsch?
Naja, wenn die so viele Platten verkauft haben, steht ihnen die Auszeichnung ja zu. Die Frage ist nur: Warum haben es der Bundesverband Musikindustrie und die Geschäftsführung überhaupt so weit kommen lassen? Es war vor der Echo-Verleihung bekannt, dass es starke Kritik gibt. Und da muss ich vorher reagieren und nicht hinterher so tun, als wenn ich jetzt gerade überrascht wurde und keine Alternative habe. Ich mache dem Bundesverband und der Geschäftsführung den Vorwurf, nicht reagiert zu haben.
Wurde mit den Vorwürfen und den damit zusammenhängenden Diskussionen zu leichtfertig umgegangen?
Bei allen Kommentaren, die ich im Nachhinein gelesen habe, ist nichts dabei, was bei mir den Eindruck erweckt, man hätte sich ernsthaft damit auseinandergesetzt. Und sich hinter einem Ethikrat verstecken? Das kann ja jeder. 'Ein Ausschuss hat getagt und die haben die falsche Entscheidung getroffen. Da können wir jetzt auch nichts dafür.' Man muss auch mal seine eigene Meinung durchsetzen und vertreten können.
Wie der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Musikindustrie jetzt angekündigt hat, soll das Konzept der Preisverleihung überarbeitet werden.
Wie will man denn die Kriterien verändern? Der Echo ist eine Auszeichnung für die Anzahl der verkauften Tonträger. Da muss ich entweder von vornherein sagen, solche Texte kommen nicht vor – dann hätten die Toten Hosen mit einigen Texten aber auch nicht vorkommen dürfen – oder ich muss mich anders positionieren.
Thomas Michael Stein wurde am 28. Februar 1949 in Stuttgart geboren. Stein war als Musikpromoter und TV-Redakteur tätig, bevor er in die Schallplattenbranche wechselte und u. a. als Geschäftsführer bei der Bertelsmann Music Group Europe arbeitete. Von 1990 bis 2000 war er Vorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Musikindustrie und entwickelte den Echo als einer von fünf Geschäftsführern mit. Einem größeren Publikum wurde der 69-Jährige als Juror in den ersten zwei Staffeln von "Deutschland sucht den Superstar" sowie als regelmäßiger Gast bei "Die ultimative Chartshow" bekannt.
Wie könnte das gelingen?
Es muss sich jemand vom Verband hinsetzen und die Produkte anhören. Es muss dem Ausschuss vorgeschlagen werden, was prämiert wird und was nicht – egal, wie die Verkaufszahlen sind. Aber jetzt so tun, als hätte man es nicht gehört? Das ist für mich ein Unding. Mit so einem Vorgehen schmälert man die Leistung der gesamten Musikindustrie.
Klaus Voormann hat seinen Lebenswerk-Echo aus Protest über die Auszeichnung von Farid Bang und Kollegah zurückgegeben. Ist diese Reaktion angemessen?
Ob Klaus Voormann den Lebenswerk-Echo zurückgibt oder nicht, ist wie wenn in Hongkong ein Sack Reis umfällt. Er hat ihn verdient und wenn ich etwas verdient habe, dann kann ich mich damit auch stolz zeigen. Dass im Umfeld dieses Preises etwas passiert, das nicht seinen Vorstellungen entspricht, damit muss er leben.
Man kann jetzt kein Pauschalurteil gegen alles bilden. Gegen alle Klassiker, gegen alle Jazzer. Und alle, die den Preis nicht zurückgeben, müssten sich ja theoretisch schlecht fühlen. Das halte ich für überzogen.
Die anhaltende Diskussion hat dem Ansehen des Echo alles andere als gut getan. Wie muss es jetzt weitergehen?
Es muss Ruhe einkehren. Man muss allen Beteiligten die Chance geben, sich selbst noch mal zu sortieren. Vielleicht kommen Farid Bang und Kollegah auch dazu. Ich habe den Eindruck, dass Kollegah ein ganz vernünftiger Mensch sein kann. Ich vermute einmal, dass sie mit diesem Ausmaß auch nicht gerechnet haben.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Thomas M. Stein.