Interview mit Dieter "Maschine" Birr "Vor dem Tod habe ich keine Angst"
Schon 1984 sang Dieter "Maschine" Birr mit den Puhdys "Es ist keine Ente, wir spielen bis zur Rockerrente". 2016 verabschiedeten sich die Ostrocker von den Bühnen dieses Landes. Doch der 72-jährige Frontmann macht weiter und veröffentlicht ein Soloalbum.
Im Interview mit t-online.de verrät Maschine, wie lange er noch Musik machen will. Er erzählt von Höhepunkten und Peinlichkeiten seiner langen Karriere. Und er spricht über den Tod.
Die Puhdys sind seit Anfang des Jahres im Ruhestand. Du hättest dich auch aufs Altenteil legen können. Warum machst du solistisch weiter?
Weil ich mit Leib und Seele Musiker bin und sonst gar nicht wüsste, was ich machen sollte. Es macht mir einfach Spaß kreativ zu sein, neue Dinge auszuprobieren, mit neuen Musikern zusammenzuarbeiten.
Was macht Maschine, wenn er nicht Musik macht?
Bücher lesen. Fernsehen. Im Garten liegen.
Welche neuen Meere, um mal mit einer Zeile aus deinem Lied "Neubeginner" zu sprechen, willst du noch überqueren?
Neue musikalische Wege mit neuen Leuten beschreiten und dabei vielleicht in ganz andere Sphären eintauchen. Das ist total spannend. Eigentlich muss ich ja niemandem mehr was beweisen. Aber dennoch fange ich nochmal ganz neu an. Die Puhdys kannte ja inzwischen fast jeder. Das bedeutet aber nicht, dass das bei mir als Einzelperson genauso ist.
Zahlreiche Kollegen machen auf dem Album mit. Unter anderem Dirk Michaelis, Heinz Rudolf Kunze, aber auch Ela von Elaiza. Wie kam gerade diese junge Musikerin dazu?
Wir arbeiten im selben Studio. Da habe ich sie gefragt, ob sie nicht einen Text für mich hat. Sie hatte gleich Text und Musik. Und dann haben wir den Song "So viel erlebt" auch zusammen gesungen. Ich schreibe zwar auch selber Texte. Aber für mich ist das immer eine ganz schön nervende Anstrengung. Das ist harte Arbeit. Heinz Rudolf Kunze schreibt dir drei, vier Texte am Tag. Und zwar jeden Tag.
Gibt es Musiker, mit denen du gerne mal zusammenarbeiten würdest?
Keith Richards. Aber das ist natürlich eine Illusion.
Stimmt es, dass zu DDR-Zeiten die Musiker von Puhdys, Karat, Silly und City nicht gerade miteinander befreundet waren?
Nein. Das ist ein Klischee. Sowas wird meisten von den Fans verbreitet. Mit Fritz Puppel von City bin ich schon ewig befreundet. Uwe Hassbecker von Silly spielt jetzt in meiner Band. Kann sein, dass nicht jeder die Musik des anderen mochte. Aber wir waren immer freundschaftlich miteinander verbunden.
Die Puhdys waren 1989 ja schon einmal auf Abschiedstour und haben sich 1992 wieder zusammengefunden. Was war damals der Grund für die Wiedervereinigung. Die Zeiten kurz nach der Wende waren doch sicher schwierig?
Als wir 1989 Schluss machten, ahnte ja keiner, dass im selben Jahr die Wende kommt. Ich gründete eine neue Band – Maschine und Männer. Nach der Wende interessierte sich aber keiner mehr für Ostmusik. Schon gar nicht für eine unbekannte Band wie Maschine und Männer. 1992 haben wir dann wieder angefangen, weil es wieder spannend wurde und die Leute nach uns fragten. Als ich eines Abends bei mir um die Ecke zu einer Imbissbude ging um Pommes zu holen, standen da ein paar Punks. Die erkannten mich und fragten: "Wann spielt ihr denn wieder?". Ich sagte "bald" und sie antworteten: "Wird ja auch langsam mal wieder Zeit." Dabei habe ich immer gedacht, die finden unsere Musik doof.
Punks als Puhdys-Fans…
Als ich später Till Lindemann und Paul Landers von Rammstein kennenlernte, outeten die sich auch als Puhdys-Sympathisanten. Früher hatten wir zu diesen Musikern keinen Kontakt. Wir haben ja nie mit diesen Bands wie Feeling B zusammengespielt.
1986 - vor 30 Jahren - erschien dein erstes Soloalbum namens "Intim". Auf dem Cover sitzt du in der Badewanne. Ist dir das heute peinlich?
Nein.
Und das Video zum Song, in dem du mit einer Frau auf dem Sofa kuschelst, während du ihr das Lied vorsingst…
Auch nicht. Das ist ja meine Frau. Damals war ich doch froh, überhaupt ein Video drehen zu können. Das hat alles das Fernsehen bezahlt.
Ist dir überhaupt irgendetwas peinlich, wenn du auf deine Karriere zurückschaust?
Am peinlichsten ist mir der Song "Jodelkuh Lotte" vom zweiten Album. Das Stück ist so albern und ich möchte es nie wieder hören müssen.
Was war das absolute Highlight deiner Karriere?
Da gibt es so viele, weil es alles Wendepunkte in meinem Leben waren. Der erste eigene Titel. In ein Studio zu gehen und die eigene Musik aufzunehmen. Der erste Fernsehauftritt. Die ersten Konzerte im Westen und die Auslandstouren. Daran habe ich nie gedacht, als ich noch in einer Amateurband gespielt habe.
Worüber kannst du lachen?
Über mich selber. Über bescheuerte Witze. Und aus Freude, wenn ich meine Kinder und meine Enkel sehe.
Was lässt dich aus der Haut fahren?
Ungerechtigkeiten aller Art. Gewalt. Ich kann mich an einen Auftritt in Treptow erinnern. Das war noch vor der Zeit mit den Puhdys. Wir gingen nachts zur S-Bahn und sahen eine ganze Meute, die einen Schwarzen verprügeln wollte. Ich bin dazwischen gegangen, obwohl die andern in der Überzahl waren. Aber dann kam ein Militärfahrzeug vorbei und die Typen sind abgehauen. Ob ich sowas heute noch machen würde, weiß ich nicht. Ich würde versuchen anders zu helfen.
Was sagst du zu den jüngsten Wahlergebnissen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern?
Die Menschen haben Ängste. Wir leben aber in einer Demokratie. Man muss die Wähler ernst nehmen.
Wie findest du die Stimmung im Land?
Ich bin besorgt. Aber nicht nur was die Stimmung bei uns angeht, sondern generell in der Welt. Der ganze Terrorismus. Ich stehe voll hinter den Menschen, die Angst um ihr Leben haben und deshalb aus ihrer Heimat fliehen. Ich stelle mir das so schrecklich vor. Aber die andere Seite ist: Das Ganze muss hier irgendwie anders geregelt werden. Ich weiß nur nicht wie.
Du gehst mit dem neuen Album auf große Tour. Wie hältst du dich dafür fit?
Mit Fahrrad fahren und Liegestützen. Ich bin gesund. Meine Devise lautet: "Ich werde nicht krank." Dafür habe ich auch gar keine Zeit.
Wie lange willst du noch auf der Bühne stehen?
Ich spiele weiter solange ich kann. An den Moment des Aufhörens denke ich noch nicht. Ich hoffe nur, dass ich eines Tages mal keine Lust mehr zum Spielen habe. Damit der Abschied nicht so schwer fällt. Wird aber nicht passieren. Andersrum wäre es viel schlimmer. Du willst noch, kannst aber nicht mehr. Aus welchen Gründen auch immer.
Du bist jetzt 72. Hast du dir schon mal Gedanken über den Tod gemacht?
Nicht direkt. Nein. Ich beschäftige mich eigentlich mehr mit dem Leben. Aber ich habe schon viele Beerdigungen miterlebt und auf zwei davon als Redner gesprochen. Eine war die Beerdigung meine Mutter. Da habe ich gesagt: "Tod ist wie schlafen, nur dass man keine Träume mehr hat." Vor dem Tod habe ich keine Angst, aber ich freue mich auch nicht darauf.
Welche Träume hast du?
Dass es noch eine Weile so weitergeht. Ich bin zufrieden, wenn alles so bleibt wie es ist und sich dann ganz langsam steigert. Ich bin gesund, habe eine tolle Familie, tolle Kinder, tolle Enkel. Alles wunderbar.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lars Schmidt.
Das Album "Neubeginner" von Maschine erscheint am 30. September.
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Maschine auf Tour:
Datum | Stadt | Location |
---|---|---|
20.01. | Leipzig | Haus Auensee |
21.01. | Jena | Sparkassenarena |
22.01. | Wernesgrün | Brauerei |
24.01. | Erfurt | Stadtgarten |
25.01. | Frankfurt/Main | Batschkapp |
27.01. | Hannover | Capitol |
28.01. | Hamburg | Große Freiheit |
29.01. | Rostock | Moya |
31.01. | Magdeburg | Altes Theater |
01.02. | Cottbus | Stadthalle |
03.02. | Potsdam | Lindenpark |
04.02. | Frankfurt/Oder | Messehalle |
05.02. | Dresden | Alter Schlachthof |
07.02. | Zwickau | Ballhaus |
09.02. | Halle/Saale | Händelhalle |
10.02. | Freiberg | Tivoli |
11.02. | Görlitz | Landskron Brauerei |
12.02. | Berlin | Columbiahalle |