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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sänger Marco Wanda "Ich finde das regelrecht anmaßend und peinlich"
Wanda sind in Österreich längst Kult. Und auch hierzulande ist der Banderfolg groß. Sänger Marco Wanda verrät t-online, wofür er den Ruhm aufgeben würde.
Marco Wanda sitzt in Wien vor seinem Bildschirm, die Beine zeitweise übereinander geschlagen. Zwischen seinen Sätzen zieht er immer mal wieder an einer E-Zigarette. Der Sänger ist total entspannt, Interviews gehören für ihn zum Alltag. Schließlich ist er als Mitglied der Band Wanda schon einige Jahre im Showbusiness.
t-online lässt der österreichische Rockstar im Interview einmal hinter die Kulissen schauen. Er plaudert aus, weshalb ihm die Corona-Zwangspause so gutgetan hat, wie er auf seine Anfänge als Bühnenstar zurückblickt – und was das Wäscheaufhängen für ihn zu einem "richtigen Erlebnis" macht.
t-online: Auf Ihrem neuen Album ist der Song "Eine Gang". Darin singen Sie über Zusammenhalt. Wie sehr halten Wanda zusammen?
Marco Wanda: Wir stehen füreinander ein und ich habe das Gefühl, es vertieft sich nur. Es muss wachsen, es gibt Konflikte, die muss man auskämpfen, aber wir hören uns zu, wir nehmen uns ernst. Wir haben eine Art neue Achtsamkeit für uns entdeckt. Wir schauen, dass wir auch die Bedürfnisse der anderen wahrnehmen, nicht nur gnadenlos unsere eigenen.
Als Band müssen sie aber jüngst einen schweren Schicksalsschlag verkraften. Keyboarder Christian Hummer ist gestorben. Das gaben seine Kollegen wenige Tage nach dem t-online-Interview mit Marco Wanda auf ihrem Instagram-Kanal bekannt. Der 1990 geborene Hummer war bereits Monate zuvor krankheitsbedingt nicht mehr bei Auftritten dabei gewesen.
Hat Sie dieser Zusammenhalt auch durch die Corona-Zeit gebracht?
In der Lockdown-Phase gab es keine Band, insofern waren wir alle in unser Privatleben zurückgeworfen. Und haben festgestellt, dass wir keines haben.
Was fängt man mit so einer Erkenntnis an?
Ich hatte das erste Mal die Chance, mich mit meinem Leben abseits der Band und der Tourneen zu beschäftigen. Wieder mal für mich kochen lernen, Wäsche waschen. Dinge, die ich als Rockmusiker zehn Jahre lang eher nicht gemacht habe. Ich persönlich habe durch Corona gelernt, was meine ehrlichsten Bedürfnisse sind. Mir kamen diese Lockdowns teilweise entgegen. Ich war aber auch privilegiert, ich lebe in einer großen Wohnung.
Das klingt schon ganz anders als das, was viele andere Künstler sagen. Vielen ging es nicht gut wegen Corona.
Ich finde das so lächerlich, Verzeihung. Ich finde das regelrecht anmaßend und peinlich. Ich meine, wenn jemand alleinerziehend mit vier Kindern in einer 40-Quadratmeter-Wohnung dahockt – das ist hart. Aber mit einem Konto voller Tantiemen hat man das Recht zu jammern verloren. Aber das ist nur meine Meinung.
Also ist Ihr Album kein Produkt der Corona-Zwangspause?
Schon auch, aber ich lebe als Liedermacher nicht vom ständigen Kontakt mit Menschen. Das habe ich nie wirklich gebraucht. Die Logik einer Kneipe kann ich mir auch zu Hause ausmalen, dafür muss ich nicht die ganze Zeit dort sein. Ich schreibe eher immer über innere Prozesse, deswegen hat sich mein Schreiben durch Corona eigentlich überhaupt nicht verändert.
Wie war es, das erste Mal nach Corona wieder auf der Bühne zu stehen?
Es war sehr bewegend, denn das erste Mal für uns war ein Benefizkonzert für die Opfer des Ukraine-Krieges im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Von zwei Jahren Pause wurden wir unmittelbar in einen historischen Moment geworfen, vor 45.000 Menschen, als Vorband des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, der eine Rede gehalten hat, dass mir die Tränen gekommen sind. Ich hätte mir eine tragischere Rückkehr und gleichzeitig eine schönere nicht vorstellen können.
Sie sind schon einige Jahre im Geschäft. Was hat sich seit den Anfängen getan?
Wenn ich mir jetzt Konzerte anschaue aus der Anfangszeit, sehe ich einen wahnsinnig unsicheren Typen, der das mit Lederjacke und Tom-Cruise-Blick überspielen möchte. Ich habe mich immer so panisch an diesem Mikrofonständer festgehalten. Ich habe gemischte Gefühle, wenn ich an diese Anfangszeit denke.
Auf der einen Seite wollten Sie berühmt sein, auf der anderen Seite scheint es Ihnen etwas unangenehm zu sein. Wie passt das zusammen?
Ich habe mittlerweile in Wien und auch generell in Österreich den Rang eines Kulturschatzes. Ich gehe durch die Stadt und komme mir manchmal vor wie ein Politiker, weil die Leute mir die Hand schütteln oder sich verbeugen.
Verbeugen?!
Ja. Ich habe sogar mal erlebt, dass jemand auf die Knie gefallen ist und mich quasi angebetet hat. Ich gehöre jetzt zu diesem Land, ich bin ein Besitz der Allgemeinheit geworden. Das ist bewegend, faszinierend, aber manchmal auch total out of place. Wenn man in Schlapfen und Jogginghose einkaufen geht, ist es echt befremdlich, wenn sich jemand auf die Knie wirft.
Könnten Sie sich vorstellen, etwas anderes zu machen, nicht berühmt zu sein?
In Verbindung mit einer Frau oder Kindern, ja. Aber es ist ein Teufelskreis, denn das, was ich liebe, ist Musikmachen und das ist auf dem Niveau, auf dem ich es machen will, immer mit Berühmtheit verbunden. Das werde ich niemals davon befreien können. Diesen Pakt geht man ein.
Also kam während der Corona-Zeit nicht der Gedanke auf, dass ein Leben ohne Band vielleicht besser wäre?
Ich glaube, das haben wir alle eine Zeit lang gedacht. Es war auch eine Zeit lang schön. Aber es würde ohne nicht funktionieren. Vor allem, wie gesagt, nicht allein. Liebe macht einiges möglich. In Verbindung mit dem richtigen Menschen kann ich mir ein völlig anderes Leben vorstellen, auch an einem anderen Ort.
Ein anderer Wohnort als Wien?
Ich habe zehn Jahre darum gekämpft, mir hier neben der Karriere ein Leben aufzubauen, und ich habe es das erste Mal geschafft. Ich kann mir ein Leben außerhalb Wiens momentan nicht vorstellen, wenn dann in Italien. Ich bin so ein Typ, ich habe wenig Fashion, aber dafür fünfmal das gleiche Hemd. (lacht) Das ist für mich ein Riesenerfolg und da möchte ich gerne weitermachen. Ich habe auch gelernt, wie man einen Wäscheständer korrekt bekleidet. Dass man nämlich die jeweilige Wäscheart zusammen auf eine Seite packt, zum Beispiel. Das schaut dann fantastisch aus. Es ist ein richtiges Erlebnis, wenn man das so macht. (lacht)
Sie singen viel über Wien. Wie sehr beeinflusst Sie die Stadt und was wäre mit Ihrer Musik, wenn Sie tatsächlich nach Italien ziehen würden?
Wien bietet eine gewisse Sicherheit in der Identität. Gerade als Musiker hast du automatisch eine gewisse Identität, wenn du hier Musik machst, weil die Kultur so üppig, so kraftvoll und schon immer hochkarätig besetzt gewesen ist. Aber wo es sich dann so richtig in der Musik einmischt, das ist schwer. Ich würde sagen, gerade so etwas wie die Wiener Klassik oder der Austropop beeinflusst uns so viel wie etwa die indigene Kultur in Amerika die amerikanischen Musiker beeinflusst hat.
Wie würden Sie Österreich und Deutschland in Bezug auf Ihren Erfolg vergleichen?
Hier ist es natürlich viel heftiger. Aber in Deutschland werden wir mittlerweile viel öfter als früher auf der Straße erkannt. Auch wenn wir dort sicher nicht den Rang von Prominenten haben. Auch weil wir wenig im Fernsehen stattfinden. In Österreich waren wir jahrelang Dauergast im Fernsehen. Und Fernsehen macht immer noch sehr berühmt, das darf man nicht unterschätzen. Aber vom Publikum her ist es dieselbe Intensität. Wir haben ein tolles Publikum, es ist ein geiler Haufen.
Würden Sie in Deutschland denn auch den Schritt ins Fernsehen gehen?
Wenn das Thema passt oder wenn man über etwas sprechen möchte, was einem wichtig ist oder bewegt. Rein der Popularität wegen würde ich mich nicht ins Fernsehen setzen. Das ist irgendwie sinnlos.
- Eigenes Interview mit Marco Wanda