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Heimliche Parallelen zwischen Politik und Zauberei


Täuschen, tricksen, tarnen
Die heimlichen Parallelen zwischen Politik und Zauberei

t-online, Susanne Reininger

Aktualisiert am 20.12.2016Lesedauer: 4 Min.
Kein braves "Mädchen": Merkel war stets eine Meisterin der Tarnung.Vergrößern des Bildes
Kein braves "Mädchen": Merkel war stets eine Meisterin der Tarnung. (Quelle: Reuters-bilder)
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Was macht Trump so unberechenbar? Wie tricksen Merkel, Gabriel und Co.? Die schlitzohrigen Ablenkungsmanöver der Politstars ähneln in verblüffender Weise dem Trick-Repertoire professioneller Zauberer. Das beweist der Magier Harry Keaton, auch mit Beispielen in unserer Fotoshow.

Vor kurzem erschien Keatons neues Buch im FAZ-Verlag. Im Gespräch mit t-online enthüllt der promovierte Linguist und prominente Unterhaltungskünstler einige heimliche Parallelen zwischen Politik und Zauberei.

t-online: Herr Keaton, Ihr neues Buch trägt den Titel "Wie der Minister die Jungfrau zersägte". Mit einem Fuchsschwanz kommen Politiker ja gewöhnlich nicht zur Arbeit. Auf welchen Zaubertrick spielen Sie damit an?

Harry Keaton: "Die zersägte Jungfrau ist ein beliebter Klassiker unter den Zaubertricks. Er demonstriert einen kalkulierten Tabubruch: Eine unberührte, hilflose Frau wird brutal ermordet. Ein kurioser Effekt, der schon 100 Jahre alt ist und Brutalität in reinster Form symbolisiert. Populisten wie Donald Trump beherrschen den 'Tabubruch-Trick' meisterhaft: Etwa seine Drohungen, ein Einreiseverbot für Muslime zu verhängen und an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen."

t-online.de: Ein fragwürdiges Mittel, um Wählerstimmen zu gewinnen…

Harry Keaton: "… aber ein effektvolles. Wir Magier können uns Tabubrüche leisten, der Polit-Außenseiter Donald Trump ging damit auf Stimmenfang und machte den Tabubruch zu seinem Wahlkampfthema. Das hat ja auch bestens funktioniert: Politisch inkorrekte Aussagen und Parolen haben immer eine große Zugkraft bei unzufriedenen Wählern. Doch in der Realität sind sie nur schwer oder gar nicht einzuhalten. Dazu müsste der designierte US-Präsident die Verfassung ändern, in der die absolute Nichteinmischung des Staats in die Angelegenheiten einer Religion festgeschrieben ist."

t-online.de: Aber da hat Trump mit seinem kalkulierten Tabubruch zaubertechnisch nicht auch die Grundregel der Magie missachtet? "Sage nie vorher, was Du tun wirst!", lautet Kapitel 1 Ihres Buchs.

Harry Keaton: "Im Grunde: ja. Politik und Zauberkunst treffen hier auf die gleiche magische Grundregel und das gleiche Dilemma: Sagt ein Politiker zu wenig, wird er vielleicht nicht gewählt. Sagt er zu viel, fliegt es ihm später um die Ohren. Auch aufgrund seines Versprechens 'Read my lips: no new taxes' (Lest es von meinen Lippen ab: Keine neuen Steuern) gewann George H. W. Bush die Wahl zum 41. Präsidenten der USA. Doch aufgrund der Wirtschaftsflaute und dem Gegenwind der Demokraten musste Bush die Steuern sogar erhöhen. Auf dem deutschen Politparkett war Hans-Dietrich Genscher ein Meister des Ungefähren. Angela Merkel, die als Naturwissenschaftlerin gelernt hat, sehr präzise und klar zu denken, verwendet als Politikerin in der Öffentlichkeit oft nebulöse Aussagen. Auch ihre Parole 'Wir schaffen das!' enthält ja keine konkrete Message. Die Frage ist ja nicht, was man sagt, sondern wer die Macht hat."

t-online.de: Unterliegt der Politiker da einer Illusion von Macht und Tatkraft?

Harry Keaton: "Meist sind die Zwänge einfach zu groß. Wir Zauberer tun ja nur so, als ob wir zaubern könnten. Wir behaupten, wir können jemanden schweben lassen, aber die Schwerkraft können wir nicht ausschalten. So ähnlich ist es auch in der Politik. Man muss Illusionen auch finanzieren, etwa durch Material und Technik. Der Politiker hat nicht die Macht, die wir ihm zutrauen. Er inszeniert sich gern als Macher, läuft aber oft genug den realen Gegebenheiten hinterher."

t-online.de: Ist das nicht auch eine Frage des Timings, zu welchem Zeitpunkt parteipolitische Aussagen lanciert werden?

Harry Keaton: "Timing ist das A und O in der Zauberei, aber auch in der Politik. Da ist Angela Merkel herausragend. Wie ihr einstiger Ziehvater, Altbundeskanzler Helmut Kohl, wirkt sie wie eine Aussitzerin. Doch wenn es darauf ankommt, agiert 'Kohls 'Mädchen‘ unglaublich flexibel, schnell und wendig. Sie beobachtet sehr genau, wo Strömungen sind, für welche Themen es Mehrheiten gibt. Das hat sie verinnerlicht. Auch ihre Zauberformel 'Wir schaffen das!' platzierte sie zur rechten Zeit. Im Sinne der Machtsicherung war das nicht klug, aber sie wusste: 'Hier trägt mich die Sympathiewelle, die Stimmung in der Bevölkerung!' Als Kanzlerin hat sie ja auch die Aufgabe, Optimismus zu verbreiten."

t-online.de: Magier und Minister brauchen ihre Bühne – und ein Publikum, beziehungsweise Wähler. Welche Rolle spielen wir bei diesen politischen Zauberformeln und magischen Effekten?

Harry Keaton: "Es ist paradox. Aber wir Wähler wollen auch ein Stück weit getäuscht werden. Wir wollen glauben, dass die Politiker immer nur hehre Ziele haben, dass ein Aufschwung im Osten ohne Steuererhöhung möglich ist. Wir Wähler tragen mit zur Täuschung bei. Wir würden niemanden wählen, der uns sagt: Wir müssen die Rentnern kürzen, das geht so nicht weiter! Der Mensch ist so geschaffen, dass ihn nicht die Wahrheit fasziniert, sondern der Schein."

t-online.de: Das heißt, wir können Täuschungen und Unglaubwürdiges gar nicht enttarnen?

Harry Keaton: "Wenn man Bundestagsdebatten verfolgt, ist es unglaublich schwer zu erkennen: Was stimmt und was ist richtig? Viele Politiker leben von der Hoffnung: 'Das haben die Leute doch in ein, zwei Jahren sowieso wieder vergessen!'. Da hilft einfach nur ein gutes Gedächtnis. Und aufwendige Recherchen. Aber das ist für Menschen im Berufsleben kaum zu schaffen."

t-online.de: Herr Dr. Keaton, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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