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Vom "Deppen der Nation" zum Olympia-Helden


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Wie Olympia eine Karriere prägt
Vom "Deppen der Nation" zum Olympia-Helden


07.02.2018Lesedauer: 4 Min.
Lillehammer 1994: Markus Wasmeier wird mit zwei Goldmedaillen zur deutschen Olympia-Legende.Vergrößern des Bildes
Lillehammer 1994: Markus Wasmeier wird mit zwei Goldmedaillen zur deutschen Olympia-Legende. (Quelle: Sammy Minkoff/imago-images-bilder)
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Kaum eine Sportlerkarriere ist so von Olympia geprägt, wie die des Markus Wasmeier. t-online.de hat den einzigen deutschen Alpin-Olympiasieger der Herren besucht und einen außergewöhnlichen Menschen mit einer außergewöhnlichen Biographie kennengelernt.

Olympische Spiele in Calgary,1988. Der Super-G der Herren steht auf dem Programm. Der Top-Favorit kommt aus Deutschland und heißt Markus Wasmeier.

Seit 1985 ist der junge Mann vom Schliersee in aller Munde. Im WM-Riesenslalom fuhr der damals 21-jährige Wasmeier mit einem wilden Ritt zu WM-Gold und wurde so zum ersten deutschen Ski-Weltmeister seit Franz Pfnür 1936.

"Wildwest-Wasi" (Bild), "Wahnsinnsmeier" (Stuttgarter Zeitung) oder "Gigante Wasmeier" (Gazetta dello Sport) . . . Medien und Öffentlichkeit hatten einen neuen Sport-Helden auserkoren, Lobeshymnen und Schulterklopfer von allen Seiten inklusive.

Drei Jahre später stand fest: Jetzt muss der "Wasi" auch bei den Olympischen Spielen Gold gewinnen. Das ist das Sport-Highlight des Jahres und Deutschland noch ohne alpinen Olympiasieger bei den Herren. Nach Platz sechs in der Abfahrt wartete seine Parade-Disziplin. Der Super-G.

Wasmeier stand im Starthaus, voller Fokus auf die Piste von Nakiska. Nach nur einem Tor platzte der große Traum. Der damals 24-Jährige fädelte ein und schied aus.

"Das hat mich vorübergehend zum Deppen der Nation gemacht", beschreibt der 54-Jährige das Rennen in seinem Buch "Dahoam" und ergänzt im persönlichen Gespräch: "Auch wenn ich es erst Jahre später realisiert habe: Dieser Fehler war ein wichtiger Impulsgeber für meine weiteres Leben."

Aus "Wahnsinnsmeier" wird der "Versager"

Wasmeier lernte die Schattenseiten eines Sportlerlebens kennen. Viele Schulterklopfer wendeten sich ab, in der Presse wurde aus dem ‚Wahnsinnsmeier‘ der "Versager". Die Leistungen wurden schlechter, der öffentliche Druck nahm zu. Doch Wasmeier reifte in dieser schweren Zeit.

"Die Niederlage von Calgary hat mich stark gemacht und den Menschen Markus Wasmeier entscheidend geprägt". Seine Stimme wird ernster, er konkretisiert die Lehren, die er aus seinen ersten Olympischen Spielen gezogen hat.

Dann bin ich im "Rennfahrer-Modus"

Ob Verletzungen, sportliche Rückschläge oder die Krebserkrankung seiner Frau. Er hat gelernt, mit schwierigen Lebensphasen umzugehen. "Dann bin ich im Rennfahrer-Modus und stehe gefühlt wieder im Starthaus. Ich fokussiere mich auf meine Aufgaben und denke nur noch lösungsorientiert", sagt Wasmeier.

Bei einem genaueren Blick in seine Biographie wird klar, was er damit meint. Trotz starken Gegenwindes hat Wasmeier seinen großen Traum verwirklicht und in seiner Heimat Schliersee ein eigenes Freilicht-Museum eröffnet. Das Museum vermittelt Natur, Tradition und Handwerk, und ist zu einer echten Erfolgsgeschichte geworden.

Seine Frau Gitti kommt während des Gesprächs vom Einkaufen zurück und macht einen erfrischenden Eindruck. Sie hat den Krebs überwunden. "Was wir in dieser Zeit als Familie gelernt haben, hält bis heute vor: der Gedanke, noch bewusster zu leben. Sich mehr auf Dinge zu besinnen, die wirklich wichtig sind", sagt Wasmeier.

Für den Menschen Wasmeier sind das Familie, Freunde und Heimat. Für den Rennfahrer Wasmeier waren das Vorbereitung, Konzentration und Lockerheit.

Und die fand er in Lillehammer. Wasmeier gehörte weiterhin zu Deutschlands stärksten Alpin-Fahrern, gewann unter anderem die Kandahar-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen und den Super-G in Lake Louise. Bei Olympia 1992 in Albertville war er der Top-Favorit in der Abfahrt, dominierte die Trainingsläufe und schrammte mit dem vierten Platz nur hauchdünn an einer Medaille vorbei.

"Das wird nix mehr mit dem Wasmeier"

An die frühere Dominanz konnte er aber im Vorfeld der Olympischen Spiele 1994 nicht anknüpfen, zudem machte ihm ein schwerer Trainingsunfall aus dem Vorjahr zu schaffen. Mit 31 Jahren gehörte er schon zum alten Eisen im Skizirkus. Entsprechend reiste er als Außenseiter nach Norwegen. Und machte Lillehammer zu seinen Spielen.

In der Abfahrt belegt er den 36. Platz. Die Experten waren sich einig: "Das wird nix mehr mit dem Wasmeier". Doch sie sollten sich täuschen.

Vier Tage nach der Abfahrt stand der Super-G auf dem Programm. Wasmeier war gut vorbereitet, Konzentration ist bei Skifahrern ohnehin eine Grundvoraussetzung. Entscheidend aber war, dass er an diesem Tag die noch fehlende Komponente gefunden hatte.

Wasmeier gelingt die Sensation

"Mich würde heute nichts aus der Bahn bringen, gar nichts", beschreibt er in seinem Buch jenen Tag, der im Februar 1994 sein Leben veränderte. Er hatte die Lockerheit wiedergefunden! Und wurde Deutschlands erster Alpin-Olympiasieger bei den Herren.

Er riskierte alles auf der Piste von Kvitfjell und kam mit der Startnummer vier acht Hundertstel vor dem favorisierten Amerikaner Tommy Moe ins Ziel. 88 Minuten musste Wasmeier warten, ehe sein großer Triumph perfekt war.

"Eine Wiederauferstehung am Berg von Kvitfjell" titelte die "Süddeutsche Zeitung", ein amerikanischer Kollege Wasmeiers sprach vom "größten Comeback seit Lazarus". Wasmeier selbst von "einem der emotionalsten und schönsten Momente in seinem Leben". Aus dem Deppen von Calgary war der Olympia-Held von Lillehammer geworden.

Und vier Tage später stand auch noch der Riesenslalom auf dem Programm. Mit Ausnahme des WM-Titels von 1985 hatte Wasmeier in dieser Disziplin nie ein Rennen gewonnen. Doch bei diesen Olympischen Spielen war alles möglich.

Wasmeier landete im ersten Durchgang auf dem dritten Rang, im zweiten Lauf legte er noch einen drauf und sicherte sich vor dem Schweizer Urs Källin und dem Österreicher Christian Mayer sensationell die Goldmedaille.

"Das ist für mich die Krönung der Krönung", sagte Wasmeier anschließend in die TV-Mikros. Mit einer Sensation hatte seine Karriere begonnen, mit einer Sensation ging sie zu Ende.

Höchstleistung auch nach der Karriere

Wasmeier beendete im Frühjahr 1994 seine Laufbahn, wurde im Dezember als erster männlicher Skifahrer zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt und widmete sich fortan seiner Familie und zahlreichen Aktivitäten außerhalb des Leistungssports.

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20 Jahre war er als TV-Experte für die ARD tätig, ist bis heute Markenbotschafter für die Modemarke seines engen Freundes Willy Bogner und engagiert sich ehrenamtlich für die Stiftung „Kindergesundheit“. 2007 eröffnete er in seiner Heimat das „Markus Wasmeier Freilichtmuseum Schliersse“.

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