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EM 2024 I ARD-Expertin Schult: "Das ist jetzt die große Kunst"


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Almuth Schult über Heim-EM
"Dann ist das Turnier schnell vorbei"

  • Melanie Muschong
InterviewVon Melanie Muschong

10.06.2024Lesedauer: 7 Min.
Almuth Schult: Sie ist als Expertin für die ARD während der EM tätig.Vergrößern des Bildes
Almuth Schult: Sie ist als Expertin für die ARD während der EM tätig. (Quelle: IMAGO/Oliver Zimmermann/imago-images-bilder)
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Der Sommer hat mit Fußball-EM und Olympischen Spielen sportlich viel zu bieten. Almuth Schult spricht über die Großereignisse – und gibt ihre Einschätzung ab.

Almuth Schult gehört zu den bekanntesten Fußballerinnen des Landes. Die 33-Jährige hat nach der Geburt ihres dritten Kindes vor wenigen Monaten ihr Comeback in der 2. Bundesliga beim HSV gegeben und wird während der Fußball-Europameisterschaft als Expertin für die ARD tätig sein.

Mit t-online hat Schult über das anstehende Großereignis des DFB-Teams gesprochen und zudem einen Ausblick auf die Olympischen Spiele mit Beteiligung der deutschen Frauen-Fußballmannschaft gegeben.

t-online: Almuth Schult, wenn Sie Ihrem Leben aktuell einen Buchtitel geben würden, welcher wäre es?

Almuth Schult: Das ist eine überraschende Frage. Tatsächlich diskutiere und erzähle ich lieber, als dass ich schreibe.

Dazu passt, dass Sie als TV-Expertin tätig sind. Was macht diese Rolle für Sie aus?

Für mich ist es eine Möglichkeit, auch außerhalb des aktiven Sports sehr dicht am Fußball dran zu sein. Es macht mir Spaß, die Sportart, die ich liebe, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich freue mich, bei der Europameisterschaft nun auch im Stadion und nicht nur im Studio zu sein. Das lässt einen noch mehr an Stimmung und Emotionen partizipieren. Bei einem Heimturnier ist es vor allem etwas Besonderes.

Im Vorfeld ist eine lange nicht mehr gekannte Euphorie zu spüren. Wie erklären Sie sich den Stimmungsumschwung?

Julian Nagelsmann hat durch seine letzte Länderspielmaßnahme Euphorie geschürt. Er hat viele mit der Nominierung überrascht, sie aber letztendlich gerechtfertigt. Durch seine Person ist die Nationalmannschaft für manche Fans noch einmal attraktiver geworden.

Wie hat er das geschafft?

Viele konnten sich in den letzten Jahren nicht mehr mit der Nationalmannschaft identifizieren, weil sie so unerfolgreich war. Nagelsmann hat den Ausblick gegeben, dass er weiß, warum das passiert ist und er den Schlüssel dafür gefunden hat. Schauen wir mal, ob er es dann auch umsetzen kann. Er hat auf jeden Fall Erwartungen geweckt.

Welche Erwartungen haben Sie?

Ich hoffe, dass die Fans und die Nationalmannschaft wieder enger zusammenrücken. Man hat in den letzten Monaten schon das Gefühl gehabt, dass das passiert ist. Aber ob es sich bewahrheitet, wird man sehen. Sportlich kann alles passieren. Sie haben gezeigt, dass man schmerzliche Niederlagen gegen Österreich und die Türkei erleiden, aber auch Frankreich und Holland schlagen kann. In den letzten Jahren hat die Konstanz gefehlt, die man in einem Turnier braucht. Die ist unheimlich wichtig, weil es viele Spiele in kurzer Zeit sind. Das ist jetzt die große Kunst, dies auf den Platz zu bekommen. Das ist möglich, aber mit schlechter Tagesform ist so ein Turnier auch schnell vorbei.

Nach der EM ist vor Olympia. Dort kämpfen die Frauen um den Titel.

Die Konkurrenz ist groß. Es sind nur zwölf Mannschaften. Es ist wie eine kleine Weltmeisterschaft eines ausgewählten Kreises. Deutschland trifft in der Gruppe bereits auf die USA. Das werden schwere Spiele. Aber theoretisch ist alles möglich, und ich drücke ihnen die Daumen, dass sie um eine Medaille mitspielen werden. Sie haben es als Ziel ausgegeben und es ist möglich, kommt aber auch auf die Tagesform an. Auch bei den Frauen hat die Konstanz in den letzten Monaten gefehlt. Ich hoffe, dass Bundestrainer Horst Hrubesch es hinbekommt, dass die Mannschaft in einen Flow kommt.

Sie haben selbst gesagt, Sie würden gerne noch einmal Olympische Spiele erleben. Warum?

Olympia ist deswegen besonders, weil es nicht nur um den Fußball geht. Es ist ein allgemeines Sportevent und das Größte auf der Welt. Dazu hat es noch einen historischen Hintergrund. Es kommt aus der Antike. Jeder lernt schon in der Schule etwas darüber. Man merkt mit den anderen Sportlern im olympischen Dorf einfach, dass es ein großes Privileg ist, dabei sein zu dürfen. Auch mit den anderen Nationen und Kulturen.

Sie sind mit der deutschen Mannschaft 2016 in Rio de Janeiro Olympiasiegerin geworden.

Ich habe dort viele Kontakte geknüpft zu Menschen, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Es ist etwas Herausragendes. Man kann versuchen, es zu beschreiben, aber man muss es erlebt haben. Deswegen war es ein Traum von mir, noch einmal teilzunehmen. Allerdings ist er in sehr weite Ferne gerückt. Dafür hätte ich früher einen Verein finden müssen und dann in der Bundesliga und nicht in der 2. Liga spielen müssen.

Sie stehen seit April wieder auf dem Platz. Hat sich ihr Comeback beim HSV nach ihrem dritten Kind so angefühlt wie früher der erste Schultag nach den Sommerferien?

Es fühlte sich tatsächlich ähnlich an, also wirklich so wie nach den sechs Wochen Sommerferien früher. Ich war sehr schnell wieder im Trainingsalltag und fühlte mich auf dem Platz wohl. Aber ich musste mich auch neu zurechtfinden, weil ich, sagen wir mal, in eine neue Klasse gekommen bin mit dem neuen Verein. Ich musste die Mädels kennenlernen.

Waren Sie nervös?

Nervös war ich nicht. Aber das war auch sonst selten bei Spielen zuvor der Fall. Ich war immer nur nervös, wenn ich das Gefühl hatte, dass ich schlecht vorbereitet war.

Sie pendeln von Ihrem Heimatort rund zwei Stunden pro Fahrt. Wie vertreiben Sie sich da die Zeit?

Normalerweise führe ich zum Beispiel Interviews oder Hintergrund-Telefonate auf der Fahrt. Ich höre natürlich auch gerne Fußball-Podcasts, um dahingehend auf dem Laufenden zu bleiben. Aber es sind ebenfalls Telefonate mit Freunden und Familie dabei.

Würden Sie sich als wissbegierigen Menschen bezeichnen?

Ich versuche, immer informiert zu sein, ja. Es gibt aber auch Wochenenden, die ich nacharbeiten muss, weil ich da die Spiele komplett verpasst habe. Ich merke, dass es mir etwas gibt, mich weiterzubilden. Wenn man auf der Stelle tritt und nichts Neues lernt, ist es glaub' ich gegen die Natur des Menschen.

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Wie ist die Familie für Sie aktuell mit Leistungssport zu vereinbaren?

Es ist eine Herausforderung, aber im Großen und Ganzen klappt es ganz gut. Der Kleine begleitet mich nahezu immer, und die Mannschaft wie der Verein sind sehr, sehr aufgeschlossen. Egal, ob ich ein oder drei Kinder mitbringe. Sie freuen sich, wenn die Kinder in der Kabine rumspringen und eine andere Stimmung reinbringen.

Was ist die größte Herausforderung?

Es ist viel Organisation, um meine Trainingseinheiten mit meinem Job und dem meines Mannes zu vereinbaren. Gerade, wenn mal jemand krank wird, dann gerät erst einmal alles aus den Fugen, aber wir haben glücklicherweise auch eine große Familie im Hintergrund, die hilfsbereit ist. Was wirklich sehr anstrengend ist, ist die Fahrerei. Nach Wolfsburg zu meinem Ex-Verein bin ich gerne und ohne Probleme gependelt, aber da war es eine gute Stunde. Jetzt sind es mindestens zwei Stunden. Das ist für eine Übergangsphase und zum Ausprobieren gut, aber vermutlich nicht für ein ganzes Jahr mit 4-5 Pendeltagen pro Woche.

Deshalb haben Sie offengelassen, wie es mit dem HSV weitergeht?

Wir wollten erst einmal schauen, wie der Rückeinstieg in den Leistungssport funktioniert. Wie klappt es körperlich? Wie mit den Kindern? Haben wir daran Spaß? Dann müssen wir hinterher schauen, was sich für eine ganze Saison auftun würde und wie wir es organisieren müssten, dass es funktioniert. In der 2. Liga herrscht kein Profitum, das heißt, ich muss meinen Job nebenher machen und ich mache ihn auch gerne. Das ist aber natürlich mehr Belastung und weniger Regenerationszeit.

Hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren etwas für Mütter im Leistungssport getan?

Ich habe das Gefühl, dass die Vereine und Verbände da aufgeschlossener geworden sind. Es gibt zudem immer mehr Mütter. Nicht nur im Fußball, sondern auch in anderen Sportarten. Es sind bestimmt zwanzig verschiedene Sportarten, in denen in den letzten vier Jahren Sportlerinnen Mütter geworden sind in Deutschland. Viele sind erfolgreich in ihre Sportart zurückgekehrt. Das ist sehr, sehr schön zu sehen. Wenn man von den meisten Müttern Interviews liest oder hört, sagen diese aber auch, dass es noch Verbesserungspotenzial gibt.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Zum Beispiel Gesa-Felicitas Krause (Hindernisläuferin, Anm. d. Red.). Sie hat in einem Interview öffentlich gesagt, dass sie von ihrem Verband nicht die gewünschte Unterstützung bekommen hat. Das ist schon sehr schade, weil es nicht jeder selbst so organisieren kann wie sie.

Müssten sich Verbände und Vereine da übergreifend mehr austauschen?

Es muss allgemein in der Gesellschaft einen Austausch und eine Veränderung geben und auch den Willen dazu. Wir sind auch noch nicht in jedem anderen Beruf so weit, dass es so einfach miteinander zu vereinbaren ist. Es gibt viele Mütter, die in anderen Berufen davon berichten, dass es Vorurteile gibt und dass sie das Gefühl haben, sie können selbst nicht vorbehaltlos in eine Mutterschaft gehen. Es sollte so sein, dass Frauen da keine Nachteile haben, weil unsere Gesellschaft ohne Nachwuchs nicht funktionieren würde. Und auch unser Sozialsystem nicht. Dafür müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass auch Mütter ihrem Beruf nachgehen können und es den Kindern und Familien gut geht. Nur so wird das Sozialsystem und Rentensystem weiter fortgeführt werden. Ansonsten haben wir irgendwann ein Problem.

Haben Sie in Ihrer Tätigkeit als TV-Expertin das Gefühl, dass Frauen anders bewertet werden als Männer?

Das ist leider immer noch mal der Fall. Es normalisiert sich so langsam. Es werden immer mehr Frauen als Kommentatorinnen, Expertinnen oder Moderatorinnen eingesetzt. Das finde ich auch sehr gut. Es kommt darauf an, dass man nicht vorurteilsbehaftet ist, sondern auch jeder Frau eine Chance gibt. Darin gibt es noch Potenzial.

Wenn Sie eine Sache im Fußball ändern könnten, was wäre es?

Im Fußball wird immer sehr viel von Respekt und Fairplay gesprochen, aber das wird oft nicht so gelebt, wie es sein könnte. Von klein auf lernen manche von Trainern, dass man bei einem Foul liegen bleiben und lauter schreien muss, um eine Schiedsrichterentscheidung für sich zu bekommen. Oder am besten schnell den Arm heben, damit man den Einwurf bekommt. Das ist schade, weil wir das im Fußball deutlich besser machen könnten. Andere Sportarten machen es vor. Wenn man im Futsal (Variante des Hallenfußballs, Anm. der Red.) den Ball wegschlägt, bekommt man sofort eine Strafe und wird nicht nur ermahnt. Im Handball wird sich nach jedem Foul entschuldigt. Wenn es etwas Bösartiges war, dann wird das geklärt. Es gibt keine Rudelbildung. Auch im Hockey wird geduldig gewartet, bis der Videoassistent seine Entscheidung getroffen hat. Ich denke, wir können von vielen Sportarten etwas lernen und es so in die Gesellschaft übertragen.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Almuth Schult
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