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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Überraschung bei Australian Open Nach der Sensation lief sie sofort zu ihm
Madison Keys besiegte im Finale der Australian Open auch die Dämonen ihrer Vergangenheit. Dabei half ihr vor allem ihr Coach. Der spielt eine besondere Rolle.
Aus Melbourne berichtet Christoph Cöln
Als die Sensation perfekt war, lief Madison Keys zu ihrer Trainerbox und umarmte ihren Coach. Die US-Amerikanerin hatte gerade die Titelverteidigerin, Aryna Sabalenka, bei den Australian Open in einem mitreißenden und von Anfang bis Ende hochklassigen Finale entthront. Nun liefen ihr Tränen über das Gesicht. Ganz fest drückte sie ihren Trainer Bjorn Fratangelo an sich, der flüsterte ihr etwas ins Ohr. Madison Keys nickte immer wieder.
Sie hatte es geschafft. Aber sie hätte das Kunststück, der Weltranglistenersten den Grand-Slam-Titel des Jahres zu entreißen, nicht geschafft ohne die spezielle Betreuung, die sie genießt. So sagte sie es hinterher bei der Siegerrede auf dem Centre Court der Rod-Laver-Arena. "Mein Team hat an mich geglaubt, als ich es selbst nicht mehr getan habe." In dem Team spielt Fratangelo unbestritten die Hauptrolle, denn er ist gleichzeitig Keys Ehemann.
Keys ist eine unwahrscheinliche Siegerin. Sie gewann in Melbourne ihren ersten Major-Titel überhaupt in ihrer Karriere. Die vor dem Turnier an Weltranglistenplatz 19 rangierende Amerikanern ist bereits 29 Jahre alt. Zwar ließ sie immer mal wieder mit guten Ergebnissen aufhorchen, aber dass sie in dieser unglaublichen Form nach Melbourne kommen würde, hatten wohl die wenigsten Experten angenommen.
Coach steht mit Tränen in den Augen am Rand
Auch sie selbst hatten Zweifel geplagt, wie sie einräumte. "Das vergangene Jahr war so hart für mich, ich hatte einige schwere Verletzungen und habe zeitweise nicht mehr daran geglaubt, dass ich noch einmal große Turniere gewinnen kann."
Tatsächlich hatte sie pünktlich zum ersten Höhepunkt des Tennisjahres ihre Form gefunden. Just vor den Australian Open konnte sie beim Adelaide International triumphieren. In Melbourne beeindruckte sie dann mit einer besonderen Resilienz. Egal, wie knifflig die Spielsituationen waren, in denen sie steckte, sie fand immer eine Lösung. Gegen jede Gegnerin – auch gegen die Favoritin Sabalenka, die sie mit ihrem variablen, druckvollen Powerplay zeitweilig zur Verzweiflung trieb.
Das hat auch mit einer ungewöhnlichen Konstellation in ihrem Team zu tun. Mit Bjorn Fratangelo ist Keys seit November 2024 verheiratet. "Besonders danken möchte ich meinem Mann, wo ist er?", sagte sie auf dem Centre Court, während sie die Trophäe in der Hand hielt. Die Außenseiterin war so von ihren Emotionen überwältigt, dass sie ein wenig die Orientierung verloren hatte. Die unterlegene Sabalenka half ihr aus und zeigte ihr, auf welcher Seite des Courts Fratangelo stand. Der hatte ebenfalls Tränen in den Augen.
Keys: "Das Blöde ist, er kritisiert mich ganz schön oft"
Auf ihn konnte sie sich auch im Endspiel verlassen. Beim Stand von 4:4 im dritten und entscheidenden Satz drohte sie, ein Break zu kassieren. Sabalenka hatte eine starke Phase, die Aufschläge der Belarussin bereiteten Keys zunehmend Probleme. Nachdem sie wieder mal einen Return ins Netz geschlagen hatte, ging sie zur Trainerbox und schaute Fratangelo Hilfe suchend an.
Der machte wilde Gesten. Er versuchte seiner Frau klarzumachen, wie sie Sabalenkas Aufschlag annehmen und die Bälle zurückspielen solle. Keys nickte. Dann ging sie zurück zur Grundlinie und gewann das Match.
Der 31-jährige Fratangelo war selber Tennisprofi. Er gewann auf der Junior Tour 2011 die French Open gegen Dominic Thiem, dann aber geriet seine Karriere ins Stocken. Über einige Hauptrundenteilnahmen bei Grand Slams und Weltranglistenplatz 304 kam er nicht mehr hinaus. Als Trainer ist er dafür umso wertvoller. Wie Madison Keys von der Beziehung zu dem Amerikaner profitiert, schilderte sie schon nach dem Viertrundensieg über Jelena Rybakina.
"Der Vorteil ist natürlich, wir sehen uns oft. Wir verbringen viel Zeit miteinander", so die 29-Jährige im On-Court-Interview mit Jelena Dokic. Die hatte Keys gefragt, wie es denn so ist, wenn der Coach auch der Ehemann ist. "Das Blöde ist, er kann mir natürlich auch viel häufiger sagen, was nicht so gut läuft. Das mag ich eigentlich nicht so gern. Ich nicke dann meistens nur, er weiß dann, dass ich es kapiert habe" sagte sie.
Gegen Sabalenka eine herzzerreißende Niederlage
Die kritische Begleitung ihres Mannes, der in der Funktion als Coach enormen Einfluss auf das Spiel der Amerikanerin hat, ist nicht zu unterschätzen. Auch die Arbeit der anderen Teammitglieder, die sie betreuen. Keys Spiel kam bei diesen Australian Open auf ein neues Niveau. Die Varianz ihrer Schläge, die Nervenstärke und die extreme Power und Präzision, mit der sie ihre Grundlinienrallys durchzog, beeindruckten die Experten.
Allerdings unterliefen ihr auch immer mal wieder einfache Fehler in Phasen, in denen sie eigentlich das Momentum auf ihrer Seite hatte. Da schienen bisweilen die Dämonen ihrer Vergangenheit durch. Keys hatte gegen Sabalenka schon einmal eine herzzerreißende Niederlage erlebt. 2023 im Halbfinale der US-Open, da gewann sie auch den ersten Satz souverän, verlor dann aber zweimal im Tiebreak denkbar knapp. Sie brauchte lange, um diese Niederlage zu verarbeiten. "Ich wollte so etwas nicht noch mal erleben, ich wollte mich nicht noch einmal fragen, warum ich bei diesem oder jenem Ball nicht mehr riskiert habe."
Seit Samstag ist das Trauma der Madison Keys besiegt. Als sie nach dem Triumph im Spielertunnel stand, umringt von ihrem Team, und die Trophäe im Arm hielt, kam ihr Mann und umarmte sie noch mal lange. Dann schaute er seine Frau mit dem Pokal an und sagte: "Den kann dir jetzt niemand mehr nehmen."
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- Pressekonferenz mit Madison Keys