Formel-1-Weltmeister Händewaschen mit Hamilton: Rettungspakt für Formel 1
London (dpa) - Mit ernstem Gesicht steht Lewis Hamilton am Waschbecken. Ein paar mahnende Worte zur Corona-Pandemie in die Kamera, dann macht der Formel-1-Weltmeister den Wasserhahn an.
"Es ist sehr, sehr ansteckend, also nehmt es ernst", sagt der 35-Jährige, nachdem er sich gewissenhaft die Hände gewaschen hat. Hamiltons kurze Video-Anleitung ist nur ein Sinnbild dafür, wie sich auch in der vermeintlichen Glitzerwelt der Formel 1 gerade die Prioritäten verschoben haben. Auch für die Rennserie geht es derzeit weniger um Zeitenjagd und Reifenmischungen, sondern eher ums Überleben.
Hamilton meldete sich nun erneut zu Wort, weist Sorgen um seine eigene Gesundheit zurück. Zu Gerüchten um eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus schreibt der Mercedes-Pilot bei Twitter: "Ich wollte Euch wissen lassen, dass es mir gut geht, ich mich gesund fühle und zweimal pro Tag trainiere. Ich habe null Symptome." Vor zwei Wochen war der Brite bei einer Veranstaltung mit Schauspieler Idris Elba und Sophie Grégoire Trudeau, der Frau des kanadischen Premierministers Justin Trudeau, gewesen. Beide hatten später mitgeteilt, dass sie mit Sars-CoV-2 infiziert sind.
Im Kern der Formel 1 ist die Coronakrise schon weit vor Hamiltons beruhigender Botschaft vom Wochenende angekommen. Als ein Mitarbeiter des McLaren-Rennstalls in der Vorwoche positiv auf das Virus getestet wird, muss auch die Königsklasse des Motorsports die Vollbremsung machen. Wenige Stunden vor dem Start des ersten Trainings beim Saisonauftakt in Melbourne - alle Teams sind dafür um die halbe Welt gereist - wird der Große Preis von Australien abgesagt.
Bis dahin waren die Krisen-Manager der Formel 1 immer wieder stur falsch abgebogen. Doch nach dem Chaos von Melbourne finden die Entscheider des PS-Spektakels den richtigen Kurs. In mehreren Schaltkonferenzen wird ein Notfall-Paket aktiviert, dass die Zukunft des Vollgas-Zirkus sichern soll. "Wir sind sehr dankbar für den kooperativen Charakter der Diskussionen und den vollkommenen vereinten Gedanken aller Beteiligten, 2020 Rennen zu fahren, sobald die aktuelle globale Lage es zulässt", übermittelt Formel-1-Chef Chase Carey.
Zuvor haben Geschäftsführung, Teambosse und Weltverband alle sieben Rennen bis Ende Mai gestrichen, sogar das Glamour-Gastspiel in Monaco wird es in diesem Jahr nicht geben. Dass kurz vorher Reifenpartner Pirelli noch eine Mitteilung zu den vom Veranstalter nominierten Gummimischungen für die Stadtrundfahrt durch Monte Carlo versendet, bleibt eine schnell überholte Randnotiz.
Viel wichtiger sind die weiteren Beschlüsse der Chefetage. So wird die nach langem Streit verordnete Regel-Revolution kurzerhand um ein Jahr auf 2022 verschoben. Eigentlich sollten die Autos in der nächsten Saison schwerer und etwas langsamer werden, auch eine veränderte Aerodynamik war vorgesehen. Auf diese Weise wollen die Regelhüter für mehr Überholvorgänge und Spektakel sorgen.
Doch fast alle scheuen jetzt die hohen Investitionen für die Entwicklung neuer Boliden, nur Ferrari zögert lange mit der Zustimmung zur Verschiebung der Reform. Im kommenden Jahr soll nun weiter mit den aktuellen Autos gefahren werden, neben den Regeln für das Chassis werden wohl auch weitere wichtige Bauteile eingefroren.
Zugleich einigen sich die Bosse darauf, dass die Budgetgrenze von 175 Millionen US-Dollar (157 Millionen Euro) pro Saison wie geplant im kommenden Jahr greifen soll. Gedacht war sie eigentlich als Schutz für die mittleren und kleineren Teams, die gegen die Finanzkraft des Top-Trios Mercedes, Ferrari und Red Bull zuletzt chancenlos waren. Im Angesicht der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise könnte nun aber ein Kostenlimit durchaus auch im Sinne eines Branchenriesen wie Mercedes sein, wenn beim Autobauer hausintern das Engagement in der Formel 1 wieder auf den Prüfstand kommt.
"In den kommenden Wochen und Monaten müssen wir uns neuen Herausforderungen stellen, die wir mit der gleichen Energie und Entschlossenheit angehen werden, wie wir es auf der Rennstrecke machen", schreibt Mercedes-Teamchef Toto Wolff in einem offenen Brief an die Fans. Ob die Formel 1 wirklich wie erhofft im Juni wieder die Motoren heulen lassen und dann in einem Notprogramm mit möglichst vielen Grand-Prix-Wochenenden ohne große Pausen bis Jahresende den nächsten Weltmeister kürt, ist völlig unklar.
Vorerst bleibt daher auch dem gewieften Motorsport-Manager Wolff nur, sich dem Wunsch seines Superstars Hamilton anzuschließen: "Bitte bleibt sicher, folgt den Ratschlägen der Experten, haltet Abstand und wascht eure Hände."