Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
EM-Zuschauer für dumm verkauft? Das ist ein Skandal
Flitzer auf dem Platz, Pyrotechnik und umstrittene Szenen auf den Rängen: Die Veranstalter der EM haben alle Hände voll zu tun, um die Ordnung im Stadion zu gewährleisten. TV-Zuschauer bekommen vieles davon gar nicht mit. Ein Fehler?
Die Fußball-EM 2024 ist sportlich ein Highlight und bietet auch darüber hinaus viel Diskussionsstoff. Doch nicht alles davon wurde auch im Fernsehen gezeigt. Etwa die vielen Flitzer, die bei fast jeder Partie den Rasen stürmten. Und die verbotenen Pyrotechnik-Choreografien, die auf den Rängen gezündet wurden. Oder der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der sich das Viertelfinale seiner Nation im Stadion ansah. Genauso wenig wie die vielen türkischen Fans, die auf den Zuschauerrängen in Berlin den rechtsextremen Wolfsgruß zeigten.
Die Uefa entschied sich für eine restriktive Berichterstattung, blendete diese Bilder aus. Die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Das führt zu der Frage:
Ist es richtig, dass das Fernsehen einigen Aktionen abseits des Fußballs keine Bühne bietet?
Ja, der Sport darf nicht ausgenutzt werden
Es ist richtig, dass die Uefa "Flitzer" und Pyrotechnik im Fernsehen nicht zeigt. Das ist für den Verband der einzige Weg, um dazu beizutragen, dass solche Aktionen für potenzielle Nachahmer weniger attraktiv werden. Und das wiederum fördert die Sicherheit und Ordnung im Stadion, weil weniger Menschen versucht sind, unbefugt das Spielfeld zu betreten oder gefährliche Pyrotechnik zu zünden.
Und es ist ebenso richtig, dass einigen Politikern in brisanten Situationen auf der Tribüne keine zusätzliche Bühne geboten wird. Gleiches gilt für politische Statements von Fans, wie beispielsweise das Zeigen des rechtsextremen Wolfsgrußes. Der Sport darf nicht ausgenutzt werden, er muss seine verbindende Kraft behalten. Politische Konflikte dürfen nicht in den Arenen ausgetragen werden. Sonst wird es mehr und mehr solcher Aktionen geben – und das macht auf Dauer den Fußball kaputt.
Der Fokus sollte weiter auf dem Spielgeschehen und den Leistungen der Sportler bleiben. Das ist Sinn und Zweck der Veranstaltung – und vor allem im Sinne der Zuschauer. Bei der EM wird Fußball gespielt, nicht mehr und nicht weniger. Alles andere nervt und gehört dort nicht hin.
Nein, das ist ein Skandal
Es sind Szenen, die ein Spiel mindestens kurzzeitig in den Schatten stellen – gerade ein langweiliges: Flitzer versuchen, Selfies mit Stars zu machen, auf der Tribüne werden Pyrotechnik und Bengalos gezündet, Zuschauer zeigen einen streitbaren Gruß oder ein Plakat, ein umstrittener Politiker macht es sich bequem.
Während 70.000 Menschen im Stadion nur in eine Richtung, nämlich zum Ort des Geschehens blicken, bekommt der Zuschauer vor dem Fernseher davon rein gar nichts mit. Die Uefa, von der die Fernsehbilder auch für ARD und ZDF kommen, tut einfach so, als gäbe es diese Aktionen nicht. Sie verkauft den Zuschauer schlichtweg für dumm. Und das ist ein Skandal.
Ist das Fernsehpublikum um 21 Uhr nicht ohnehin überwiegend erwachsen? Wozu gibt es denn Kommentatoren, Moderatoren und Experten, deren Job nichts anderes ist, als alles und jeden permanent einzuordnen? Was soll denn passieren? Dass jemand im Wohnzimmer aufspringt, durch die Stadt flitzt oder einen brennenden Bengalo aus dem Fenster hält, weil er das gerade im TV gesehen hat und so geil findet? Dass Werbung auf einem T-Shirt ist, für die der Flitzer nicht bezahlt hat? Das ist doch lächerlich.
Wer jemandem oder etwas keine Bühne geben will, statt eine Einordnung zu liefern, ist ohnehin meist auf dem falschen Weg. In diesem Fall ist das nichts anderes als unzulässige Zensur.
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