Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Lügenstreit bei Bayern Die Details verschweigen sie wohl aus gutem Grund
Thomas Tuchel gewinnt sein erstes Spiel als neuer Bayern-Trainer, doch der Sieg wird von einem Riesenstreit zwischen Vorstandschef Oliver Kahn und Sky-Experte Lothar Matthäus überschattet. Wer hat recht?
Der FC Bayern hat Borussia Dortmund im Spitzenspiel verdient mit 4:2 (3:0) geschlagen und damit ein Ausrufezeichen im Meisterschaftskampf gesetzt. Die wichtigste sportliche Nachricht des Wochenendes ist allerdings längst zur Randnotiz verkommen. Sie wird überlagert von einem erbitterten Streit zwischen dem Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern, Oliver Kahn, und dem Sky-Experten und früheren Bayern-Kapitän Lothar Matthäus.
Es geht immer noch um den Trainerwechsel bei Bayern von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel – und um die Nachwirkungen. Matthäus hatte den Bayern-Verantwortlichen vorgeworfen, das "Mia san Mia" mit Füßen getreten zu haben. Damit meint er offenbar angebliche Werte des Vereins, beispielsweise einen familiären und respektvollen Umgang miteinander. Grund: Nagelsmann habe seine Entlassung aus den Medien erfahren. Die Bayern hätten sich mehr bemühen müssen, ihn als Erstes zu erreichen.
Im TV bei Sky gerieten beide vor dem Spitzenspiel heftig aneinander. In der Halbzeitpause warf Matthäus im Gespräch mit t-online dem Bayern-Boss vor: "Ich weiß, dass er lügt." Kahn sagte im TV: "Vielleicht leidet der ein oder andere an Erinnerungsverzerrung."
Viel Theater um einen Trainerwechsel, der zumindest im ersten Spiel seine Wirkung nicht verfehlt hat. Zumal Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic bei ihrer Darstellung bleiben: Sie haben nichts falsch gemacht und tragen auch keine Schuld daran, dass die Nagelsmann-Entlassung an die Öffentlichkeit geraten ist.
Haben die Bayern-Bosse doch einfach alles richtig gemacht?
Ja, Kahn wird endlich zum neuen Hoeneß
In den vergangenen Monaten wurde Oliver Kahn immer wieder vorgeworfen, zu zurückhaltend zu sein. Aber das ist vorbei. Direkt vor dem Topspiel konfrontierte er Lothar Matthäus live im TV und erinnerte an Uli Hoeneß zu seinen besten Bayern-Zeiten. Er war direkt, leicht aggressiv und vor allem überzeugender als sein Gegenüber. Kahn macht endlich das, was man von einem Bayern-Boss erwartet. Und auch sonst macht die Führungsetage des Vereins aktuell alles richtig.
Die Bayern-Bosse haben den Entschluss gefasst, dass Julian Nagelsmann nicht mehr der richtige Trainer für den Verein ist, und konsequent gehandelt. Mit Thomas Tuchel haben sie dann einen Topcoach geholt, der erfahrener, erfolgreicher und krisenerprobter ist als sein Vorgänger.
Und das alles haben sie als Tabellenzweiter nur wenige Tage vor dem Spitzenspiel gegen Dortmund entschieden. Das ist mutig und verdient Respekt. Denn hätte Bayern gegen den BVB verloren, würden nun viele kritisieren, dass sie zum falschen Zeitpunkt gehandelt und Unruhe ins Team gebracht hätten. Geht aber nicht, denn Bayern hat den BVB vom Platz gefegt.
Kahn und Salihamidzic können auch nichts dafür, dass jemand vorab die Entscheidung für Tuchel und gegen Nagelsmann an die Medien durchgestochen und damit einen korrekten Umgang von Vereinsseite mit dem bisherigen Trainer verhindert hat. Die Bayern-Bosse haben glaubwürdig versichert, dass der Fehler nicht bei ihnen lag.
Nun ist das Team wieder Tabellenführer, steht in den Viertelfinals der Champions League und des DFB-Pokals. Wenn Tuchel auch nur zwei der drei Titel holt, wird keiner mehr negativ über die Woche der Nagelsmann-Entlassung sprechen, sondern nur noch über die tolle Mannschaft, den sensationellen neuen Trainer und die genialen Manager Salihamidzic und Kahn.
Nein, der FC Bayern erinnert an schlimmste FC-Hollywood-Zeiten
War der Trainerwechsel von Nagelsmann zu Tuchel richtig? Die Frage ist nach einem Sieg gegen desorientierte Dortmunder unmöglich zu beantworten. Das wird frühestens nach eineinhalb Jahren möglich sein, in denen ganz sicher der ein oder andere Streit zwischen dem neuen Trainer und den Bossen droht.
Ganz sicher falsch war allerdings das Vorgehen von Salihamidzic und Kahn. Offensichtlich haben sie den Trainerwechsel nicht annähernd so schnell, gut und professionell über die Bühne gebracht, wie sie behaupten.
Nagelsmann hat seinen Rauswurf aus den Medien erfahren. Sowohl Nagelsmanns Berater als auch Experte Lothar Matthäus haben den Verantwortlichen Lügen vorgeworfen bei der Schilderung des Ablaufs. Und die Fans waren zunächst alles andere als überzeugt von der Richtigkeit des Trainerwechsels – zumindest besagen das nahezu alle Umfragen. Zu allem Überfluss widersprachen Joshua Kimmich und Leon Goretzka ihrem Chef Salihamidzic. Der hatte behauptet, dass es zwischen Nagelsmann und den Spielern nicht gepasst habe.
Die Interviews und Aussagen von Salihamidzic und Kahn? In Teilen eine Farce. Wenn es um die Details im Ablauf geht, mauern sie. Wahrscheinlich aus gutem Grund.
Sie haben doch angeblich "alles schon mehrfach ausführlich" erklärt. Ganz klar: Sie geben ein mieses Bild ab. Und sie treten die Werte mit Füßen, die den FC Bayern mal ausgemacht haben. So wie es Matthäus behauptet hat. Der Verein erinnert derzeit an schlimmste FC-Hollywood-Zeiten.
Für einen überraschenden und fundamentalen Trainerwechsel braucht es ein Kommunikationskonzept. Die Kommunikation bei Bayern erinnert eher an die eines Bezirksligisten.
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