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Katar und das Ahrtal: Die boykottierte WM-Million


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Ärger um die Fußball-Million
Niemand will das "Blutgeld" aus der Wüste


Aktualisiert am 17.11.2022Lesedauer: 8 Min.
Spende oder Sponsoring: Katar ist mit dem Scheck an die Ahr gekommen. Jetzt ist das Geld wenig gefragt.Vergrößern des Bildes
Spende oder Sponsoring: Katar ist mit dem Scheck an die Ahr gekommen. Jetzt ist das Geld wenig gefragt. (Quelle: obs, PantherMedia/Z Jan, Montage: Ulrike Frey)

Eine Million Euro aus Katar stehen bereit, damit Kinder nach der Flut wieder trainieren können. Aber Geld stinkt manchmal eben doch.

In der Katarischen Botschaft in Deutschland stellte man auf ein großes Ereignis ein und der Botschafter war zur Eröffnung angekündigt. Die Bauarbeiten waren rechtzeitig abgeschlossen, der Fußball kann rollen. Am Sonntag wurde ein Kleinspielfeld in Hönningen im Ahrtal eingeweiht. Gebaut mit Geld aus Katar.

Eine Woche vor der Fußball-WM, dem noch größeren Ereignis für Katar, hat das Land im Ahrtal seinen Termin zur vermeintlichen Imagepflege bekommen. In Hönningen hatte der Botschafter im Mai einen Scheck über eine Million Euro für Spielfelder übergeben. Aber das Geld aus dem Land des WM-Gastgebers kommt nicht sonderlich gut an. Es war schon die Rede von Blutgeld. Es sieht danach aus, als ob es so etwas wie einen Boykott gegen die Spende gibt.

Walter Desch, der Mann, der jetzt das Geld maßgeblich verteilen könnte, hatte einen Shitstorm erwartet, sagt er. Er hatte nicht damit gerechnet, dass darüber auch die Freundschaft zu seinem Amtsvorgänger zerbricht. Theo Zwanziger hatte ihn 2006 als neuen Präsidenten des Fußballverbands Rheinland vorgeschlagen, als Zwanziger selbst an die Spitze des Deutschen Fußball-Bunds aufstieg. Seit März dieses Jahres haben der 78-jährige Desch und der ein Jahr jüngere Zwanziger kein Wort mehr miteinander gesprochen – wegen des Geldes aus Katar.

"Krebsgeschwür": Katar oder Fifa?

Desch verteidigt den Wüstenstaat, Zwanziger klagt ihn an. Es stellen sich Fragen, ob man sich Sympathien kaufen kann – als reicher Golfstaat und als Fußballfunktionär. Es dreht sich auch darum, ob jetzt Katar oder die Fifa das "Krebsgeschwür" des Fußballs ist und welchen Stellenwert Moral spielt, wenn Geld helfen könnte.

Walter Desch sagt, er habe sich intensiv über Katar informieren lassen, dort sei man "sehr offen für Kritik", und die deutsche Diskussion über das Gastgeberland sei oft ungerecht. Kaum jemand in Deutschland wisse, dass bei den Umbauten für die WM-Stadien 2006 in Deutschland mehr Menschen gestorben seien als beim Bau der Katar-Stadien. Auf Nachfrage räumt er allerdings ein: Seine Quelle für die überraschende Behauptung sind die Katarer. Es sieht aus, als sei der verdiente Sportfunktionär den Scheichs auf den Leim gegangen.

Katars Organisationskomitee zählt auch nur insgesamt drei Tote durch Arbeitsunfälle bei Bauten für die WM. Erfasst sind auch 34 Arbeiter, die kollabiert und gestorben sind, aber das habe nichts mit der Arbeit zu tun. Der "Guardian" berichtete hingegen 2021, dass seit der WM-Vergabe mehr als 6.500 der überwiegend jungen Wanderarbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka in Katar gestorben sind. Ein Großteil dürfte wegen der WM ins Land gekommen sein.

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Amnesty International hat noch höhere Sterbezahlen genannt, aber da wird der Zusammenhang mit der WM vollends unklar, es geht um gestorbene Ausländer. Desch sagt, seit vier bis fünf Jahren habe der Staat Katar sich um Probleme gekümmert, die internationale Aufmerksamkeit erweise sich als Glücksfall für die Bedingungen dort. Er könne lange davon erzählen, dass noch nicht alles in Ordnung sei, sich aber vieles geändert habe. "Ich werfe Kritikern vor, dass sie wenig über die Situation wissen." Und was er aus dem Ort Grafschaft gehört habe, das sei "bösartig und falsch".

Keine "willfährigen Handlanger des Regimes"

Die Gemeinde am Autobahnkreuz Meckenheim direkt an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen will sich nicht von Katar helfen lassen. Das Angebot stand, sich ein Kleinspielfeld schenken zu lassen, aber nur die fünf SPD-Mitglieder im 28-köpfigen Gemeinderat fanden es akzeptabel. In den anderen Fraktionen war die Ablehnung einhellig: Auf eine Sportstätte, an der "das Blut von ausgebeuteten Menschen" klebe, könne man getrost verzichten, hieß es von den Grünen. Man dürfe sich "unter keinen Umständen zum willfährigen Handlanger eines menschenverachtenden Regimes machen“, mahnte ein CDU-Sprecher.

"Andere Länder, andere Sitten", sagt Desch, der im Sommer sein Amt an der Spitze des FVR abgegeben hat. "Ständig andere zu verteufeln ist in Deutschland ein Renner." Gas aus Katar sei dann aber wieder willkommen. Desch beeindruckt auch die Empörung über die Aussage eines WM-Botschafters Katars im ZDF nicht sonderlich, Schwule hätten einen "Schaden im Kopf". Und dass Schwule laut katarischem Gesetz "nicht erlaubt" sind? "1969 stand das auch in Deutschland noch unter Strafe, und wie lange haben Umbrüche bei uns gedauert?"

Katar kassierte in Grafschaft eine Zurückweisung. Es war aber nicht die erste. Es gab auch Geldgeber, die mit Katar nicht in Verbindung gebracht werden wollten, räumt Desch ein. Zwei Kleinspielfelder sind an der Ahr bereits ohne jedes Golf-Geld gebaut worden: Die Stiftung der örtlichen Volksbank und der DFB haben das Geld "Fußball hilft" für den Zweck gegeben. Während der Geldregen aus der Wüste also bisher nur zu einem Spielfeld führte, gibt es gleich zwei Plätze, die aus anderen Quellen finanziert wurden.

Von zwei weiteren geplanten Kleinspielfeldern aus Katar-Geldern ist die Rede. Das eine würde in einem Ort fernab der Ahr an der Prüm entstehen, das andere in dem schwer von der Flut getroffenen Dernau. Aber das sei nur der aktuelle Stand, räumt Desch ein. Es sei gut möglich, dass sich in Dernau auch noch eine andere Finanzierung ergebe.

Satzung geändert, damit Geld länger liegen kann

Desch hat sich bei Bedarf und Möglichkeiten verkalkuliert. "Mindestens acht Kinderfußball-Spielfelder im Landkreis Ahrweiler" hatte der Fußballverband mit Unterstützung des Wüstenstaats geplant. So hieß es am 16. Mai beim Spatenstich in Hönningen. Und: "Es ist wichtig, dass mit dieser Summe sofort geholfen werden kann." Sofort?

Das hat sich erledigt: Die Aufsichtsbehörde hat inzwischen zu einer Satzungsänderung geraten, damit das Geld nicht binnen zwei Jahren ausgegeben werden muss. Es könne durchaus sechs bis acht Jahre dauern, sagt Desch. Es gibt unterschiedliche Darstellungen, ob mit der Botschaft über die Aufhebung einer Zweckbindung gesprochen werden muss oder nicht. Das Geld könne auch beispielsweise für Flutlicht an Plätzen eingesetzt werden.

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Zum Spatenstich in Hönningen hatte Katars Botschafter Abdullah Bin Mohammed bin Saud Al-Thani den Scheck in den Händen und trug um den Hals einen Schal der örtlichen SG Ahrtal, die bei der Flut vier Plätze verloren hat. Mitgebracht hatte er auch WM-Bälle, die Augen der Kinder glänzten.

Einflussreiche Lobbyagentur vermittelte

Vermittelt hatte die Spendenpartnerschaft die Lobby- und Beratungsagentur Friedrich 30. Mitgegründet hat sie der Rheinland-Pfälzer Fritz Rudolf Körper, einst Parlamentarischer Staatssekretär und SPD-Fraktionsvize im Bundestag. Der frühere BND-Chef Gerhard Schindler ist dort ebenso als Berater tätig wie der frühere Thüringer SPD-Chef und Minister Christoph Matschie.

Das Unternehmen vernetzt Firmen und staatliche Akteure auch bei Sicherheitsthemen. Die Fußball-WM wird auch als gigantische Investition Katars gesehen, sich mit Wahrnehmung und Anerkennung Sicherheitsgarantien in der heiklen geopolitischen Situation zu erkaufen. Friedrich 30 "öffnet Türen", wirbt das Unternehmen selbst. Es ist eigentlich ein sehr diskretes Geschäft. Antworten auf Fragen zur Tätigkeit für Katar: Fehlanzeige.

Die Lobbyisten öffneten im Februar 2022 Katar die Türen zum damaligen Präsidenten des Fußballverbands Mittelrhein, Bernd Neuendorf. Auch bei Vereinen dort hat die Flut Schäden angerichtet. Doch Neuendorf winkt ab – eine seiner letzten Amtshandlungen. Seit dem 11. März ist er der neue DFB-Präsident.

Friedrich-30-Chef Sebastian Warnemünde wird auch beim südlichen Nachbarverband der Mittelrheiner vorstellig. Dort ist Walter Desch zu dieser Zeit nicht nur Präsident, er steht auch an der Spitze der zugehörigen Stiftung. Über eine solche Stiftung lasse sich die Spende und die Ausschüttung ganz anders abwickeln als über den Fußballverband, der allen Mitgliedsvereinen gleichermaßen verpflichtet sei, sagt Desch.

Es gibt einen "Letter of Intent" mit Vorstellungen der Katarer, berichtet die FAZ, aber das Papier mit Wünschen wird nie unterzeichnet. "Wir sind mit der Million sehr frei in unseren Entscheidungen, es gibt keinerlei Vorgaben", sagt Desch. Der Wunsch der Katarer, ganz kurz vor der WM "ihren" Platz einweihen zu können, wird sich aber am Sonntag in Hönningen erfüllen. Das hatte man den Katarern zugesichert, sagt Dieter Sesterheim. Er ist der Vorsitzende des Fußballkreises Rhein-Ahr und ab dem kommenden Jahr Geschäftsführer der Stiftung.

"Katar will sich als guter Onkel präsentieren"

"Ziel von Katar ist, sich als der gute Onkel zu präsentieren", sagt Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger. Er hat den Vorsitz des Stiftungsrats abgegeben und ist aus der Stiftung ausgeschieden, die er einst mit eigenem Kapital gegründet hatte. Zwanziger hat auch den Ehrenvorsitz des Fußballverbands abgegeben.

Video | WM in Katar: "Da prallen zwei Welten aufeinander"
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Quelle: t-online

Er ist ein entschiedener Gegner der Spende, die für ihn eher Sponsoring ist, weil sich das Land im Gegenzug präsentieren kann. In einer gemeinsamen Pressemitteilung von Verband und Botschaft ließ sich Botschafter Al-Thani zitieren: "Sport spielt eine wichtige Rolle bei der Förderung von Frieden und Entwicklung, der Achtung der Menschenrechte."

Zwanziger sieht das anders: "Ich habe lange die Hoffnung gehabt, dass man durch sportliche Großveranstaltungen totalitäre Systeme wesentlich verändern kann. Diese Hoffnung habe ich aufgegeben", sagt er. Er nannte Katar einst das "Krebsgeschwür des Weltfußballs". Um ihn als unbequemen Präsidenten des einflussreichen DFB damals drei Jahre lang undercover beeinflussen zu lassen, hat Katar Unterlagen zufolge rund 10,5 Millionen US-Dollar (rund 10,1 Millionen Euro) an die Firma eines Ex-CIA-Mitarbeiters gezahlt.

Die Million für das Ahrtal sieht dagegen fast mickrig aus. "Ich verstehe seine Verärgerung", sagt Walter Desch über Zwanziger. "Aber angenommen, ich lehne die Million ab, dann hätte ich unseren Vereinen dieses Geld vorenthalten. Unseren Leuten zu helfen ist wichtiger, als eine Million in Katar zu lassen." Nicht Katar sei das Krebsgeschwür, sondern die Fifa und die Art, wie korrupte Funktionäre es möglich gemacht hätten, dass Katar den Zuschlag bekommen habe.

Desch nahm das Geld aus dem Wüstenstaat, um es an betroffene Vereine auszuschütten. In einer Eilentscheidung beschloss das Präsidium dies "einstimmig nach kontroverser Diskussion", während in den Fankurven der Bundesligisten Fans "Boycott Qatar!"-Spruchbänder zeigten.

Wie sehr riet der DFB ab?

Der Brisanz sei man sich bewusst gewesen, es sei eine Güterabwägung gewesen. Die Drähte glühten auch nach Frankfurt, wo der Deutsche Fußball-Bund seinen Sitz hat. "Dem DFB war das Spendenangebot an die FVR-Stiftung bekannt", teilt die Direktion Presse mit. "Der DFB brachte seine kritische Haltung zum Ausdruck und unterstützte das Vorhaben nicht." Abgeraten worden sei ihm aber auch nicht, sagt Desch. "Da wurde laviert. Es hieß nur, dass es Diskussionen geben wird."

Diskussionen, die völlig überflüssig sind, findet Zwanziger: "Der DFB ist der reichste Fußballverband der Welt, der hat immer in Notlagen geholfen." Er könne die Vereine verstehen, die händeringend versuchten, wieder Sportmöglichkeiten anbieten zu können. "Aber man hätte sich nicht an Katar ranhängen müssen." Wenn man an den Verband mit einem Konzept für Kleinspielfelder herangetreten wäre, hätte der DFB mitgespielt. "Aber das war ja offenbar nicht gewollt."

Es fließt auch so viel Geld vom deutschen Fußball für das Flutgebiet: Ein Benefizturnier am 11. August 2021 im Trierer Moselstadion brachte bereits rund 800.000 Euro an Geld- und Sachspenden. Schon eine Woche nach der Flutnacht hatten DFB und DFL im Juli 2021 beschlossen, je 1,5 Millionen Euro in einen Hilfsfonds zu stecken. Wie es auszugeben ist, wurde im November 2021 festgelegt. Fast eine Million Euro war bis Oktober 2022 für Spielmaterialien, Geräte zur Platzpflege und mobiles Flutlicht in den Flutgebieten ausgezahlt. Rund 1,7 Millionen Euro sind nun gedacht, um 71 Container als Dusch- und Umkleidemöglichkeiten für jene Vereine zu kaufen, bei denen die Vereinsheime kaputt sind, ein paar weitere Container werden angemietet.

Es gibt viele Abnehmer für das Geld des DFB.

Und nach der WM auch für das Geld aus Katar? "Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Aufregung legt, wenn die WM rum ist", sagt Desch. Vielleicht verfliegt dann auch der Duft des anrüchigen Geldes. Und wenn der Fußballverband nicht mehr mit symbolträchtigen Plätzen winkt, dürfte es auch weniger Neigung geben, das Geld zu boykottieren.

Zum Einschalten eines neuen Flutlichtmastes wird wohl der Botschafter nach der WM nicht mehr aus Berlin anreisen. Er hat dann trotz der Ankündigung auch nur einen Vertreter nach Hönningen geschickt.

Der Text wurde mit der Information aktualisiert, dass der Botschafter nicht zur Einweihung nach Hönningen gekommen ist.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Walter Desch, Theo Zwanziger und Dieter Sesterheim
  • Anfragen an die Stiftung "Fußball hilft", DFB, Friedrich 30 und Botschaft Katars
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