Bundestrainer Nagelsmann und die EM-Euphorie Ganz anders als Löw und Flick
Schon in den ersten beiden deutschen Spielen bei dieser Heim-Europameisterschaft wird deutlich, was sich bei der DFB-Elf im Vergleich zu den letzten Turnieren deutlich verändert hat. Auch dank des Bundestrainers.
Die Stimmung, sie ist eine andere. Und das nicht nur, weil es nach vier mehr oder minder verkorksten Turnieren auch wieder sportlich läuft.
Und Bundestrainer Julian Nagelsmann ist der Hauptverantwortliche für diesen bemerkenswerten Umschwung bei der deutschen Nationalmannschaft, der bereits vor Beginn dieser Heim-Europameisterschaft eingesetzt hat und nun immer mehr zur Entfaltung kommt. Auch nach dem – zumindest im Vergleich zum berauschenden 5:1 im Auftaktspiel gegen Schottland – etwas mühsamen 2:0 gegen Ungarn am Mittwoch stand Nagelsmann beispielhaft für die neue Stimmung im Team. "Die Atmosphäre finde ich super, es herrschte eine geniale Stimmung schon vor dem Spiel, beim Fanmarsch am Hotel vorbei waren extrem viele Menschen, auch beim Einsteigen in den Bus. Das gibt ein gutes Gefühl“, sagte der 36-Jährige nach der Partie, "auch, als im Stadion während des Spiels die Nationalhymne gesungen wurde, das war ein emotionaler Moment, das hilft."
Der Bundestrainer hat es – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – verstanden, die Fans wieder mehr einzubeziehen, die in den letzten Jahren unter Joachim Löw und dann unter Hansi Flick komplett verloren gegangene Nähe wiederherzustellen. Und: Eine positive Botschaft zu vermitteln, Optimismus und Zuversicht auszustrahlen – ohne dabei aber überheblich zu wirken. Er weiß, was er tut. "Wir haben den Spielern Bilder aus Hamburg gezeigt, dort waren viele Fans auf den Straßen, das freut uns. Die Fans dürfen alle träumen, unser Job ist es, sie weiter träumen zu lassen", sagt Nagelsmann, und ist dabei wie seit Amtsantritt weiter eine erfrischende Abwechslung zu seinen zuletzt satten (Löw) und dauerbeleidigten (Flick) Vorgängern. Er trifft einen anderen Ton.
Auch im Umgang mit seinen Spielern: Die Mannschaft "hat einfach einen guten Geist", sagt er. Die starken Auftritte von DFB-Kapitän İlkay Gündoğan, der in der Vergangenheit im deutschen Dress auch mal gefremdelt hat, in den ersten beiden EM-Spielen haben Nagelsmann merklich erfreut: "Ich habe großes Vertrauen in ihn und weiß, was in ihm steckt. Ich bin ganz sicher, dass es so weitergeht." Und weiter: "Wir müssen ihm alle mehr vertrauen im Land. Wir müssen ihn einfach alle ein bisschen pushen, weil er uns auch pushen kann."
Auch Gündoğan weiß um seine neue Stärke – die veränderte Positionierung vor statt neben Toni Kroos lässt den offensivfreudigen Mittelfeldspieler besser zur Entfaltung kommen. "Ich fühle mich extrem wohl in dieser Mannschaft", sagte er am Mittwochabend. "Ob ich jetzt ein Tor geschossen habe oder 'Player of the Match' bin, das sind Bonusgeschichten." Die Harmonie im Team sei auf einem extrem hohen Niveau. "Es macht riesigen Spaß, in ihr zu spielen."
Auch Jamal Musiala bekam nach dem Ungarn-Spiel – in dem er herausragte – seine verbale Streicheleinheit: "Es ist wichtig für ihn, nicht an den Druck zu denken, sondern nur an seine Qualität. Ich hatte viele Gespräche mit Jamal, schon bei Bayern und auch jetzt: Er soll spielen wie auf dem Bolzplatz mit seinen Freunden."
Und Manuel Neuer? Das zumindest mediale Sorgenkind, zu dem der 38-Jährige nach seinen wackeligen Auftritten für die Bayern und die DFB-Elf in den letzten Wochen geschrieben wurde, zeigte gegen Ungarn eine ordentliche Leistung, wurde von seinen Mitspielern für starke Paraden gegen zeitweise druckvolle Gegner gefeiert und geherzt. Der Torwart scheint seine Sicherheit wiedergefunden zu haben.
"Manu hält den Freistoß (von Ungarns Dominik Szoboszlai, Anm. d. Red.), und dann gehen drei, vier Spieler hin und schütteln ihn, sodass seine Frisur danach total zerzaust war", sagte Nagelsmann mit einem Augenzwinkern. Es war Neuers erstes Zu-Null-Spiel bei einem großen Turnier seit dem EM-Achtelfinale 2016 gegen Slowenien.
Die Stimmung, sie ist aktuell tatsächlich eine andere. Und das nicht nur, weil es auch wieder sportlich läuft.
- Mit Material der Nachrichtenagentur SID