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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.DFB-Sieg nach Trainer-Aus Ein Schlag in Hansi Flicks Gesicht
Nach dem Aus von Hansi Flick bei der deutschen Nationalelf zeigt das Team gegen Frankreich plötzlich, was es kann. Das spricht nicht für die Mentalität der Spieler.
Wo Hansi Flick am Dienstagabend um 21.04 Uhr war, weiß niemand so genau. Doch es dürfte gar nicht so unwahrscheinlich sein, dass der frisch geschasste Ex-Bundestrainer irgendwo vor einem Fernseher saß und sich dachte: "Das kann doch nicht wahr sein?"
Denn um 21.04 Uhr schoss Thomas Müller die deutsche Nationalmannschaft im Testspiel gegen Vizeweltmeister Frankreich in Führung. Nicht einmal volle vier Minuten waren da gespielt und das DFB-Team hatte unter Interimstrainer Rudi Völler schon ein neues Gesicht gezeigt. Sofort wurde damit in Fußball-Deutschland ein Funken Euphorie neun Monate vor der Heim-EM entfacht. Genau das war Hansi Flick in den vergangenen Monaten nach dem desaströsen WM-Aus in Katar nicht gelungen.
Letztendlich rang die DFB-Elf Frankreich im Dortmunder Signal Iduna Park dank einer couragierten Darbietung mit 2:1 nieder. Der Katastrophen-Auftritt gegen Japan (1:4), Flicks letzte Partie als Chef der deutschen Auswahl, war ein Sinnbild der sich wiederholenden pomadigen Leistungen der Nationalmannschaft im Länderspieljahr 2023 gewesen. Nun scheint all das Leid vorerst aus dem kollektiven Gedächtnis der heimischen Fußballfans gestrichen zu sein. Und das in Hochgeschwindigkeit.
Mitleid für Flick: Nichts weiter als eine schöne Geste
Wie muss sich der mittlerweile entlassene Bundestrainer nun fühlen? Und vor allem: Was sagt das über die Mannschaft aus? Fast gebetsmühlenartig ratterten die Spieler sowohl vor als auch nach der Frankreich-Partie ihr Mitleid für den früheren Coach herunter.
İlkay Gündoğan, den Flick kurz vor der 1:4-Niederlage gegen Japan noch zum Kapitän bestimmt hatte, sagte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den Vize-Weltmeister: "Die Stimmung ist gerade ein Mix aus Trauer, Frust, Enttäuschung. Ich als Spieler habe das Gefühl, Hansi im Stich gelassen zu haben. Er war immer fokussiert, voller Tatendrang. Leider haben wir es als Truppe nicht geschafft, das umzumünzen."
Torhüter Marc-André ter Stegen schlug in der Mixed Zone nach dem Überraschungssieg in eine ähnliche Kerbe: "Es ist nicht leicht, an den Fußball zu denken, wir denken auch an den Menschen Hansi Flick. Es tut uns natürlich leid, dass wir es nicht geschafft haben, ihm die Ergebnisse zu geben, die alle wollten."
Die Aussagen der Spieler sind vielleicht schöne Gesten. Die plötzliche Leistungssteigerung des Teams ist wiederum ein Schlag in Hansi Flicks Gesicht. Denn wirklich viel Zeit hatte Rudi Völler mit seinen Co-Trainern Hannes Wolf und Sandro Wagner nicht, um der Mannschaft eine völlig neue Grundordnung, geschweige denn einen anderen Spielstil einzuimpfen. Trotzdem lief unter dem eigentlichen DFB-Sportdirektor urplötzlich alles besser.
Als ob jeder Spieler Flick einmal geohrfeigt hätte
Wie weit her kann es mit den Mitleidsbekundungen bei den Spielern also sein? Die Worte an Flick wirken ob der vorherigen Partien wie ein schlechter Witz. So als ob jeder einzelne DFB-Akteur den Ex-Bundestrainer einmal geohrfeigt hätte, nur um sich dann kurz darauf dafür zu entschuldigen.
Ohne Flick in Schutz zu nehmen: Das spricht bei Weitem nicht für die Mentalität der Spieler. Gündoğan, ter Stegen, Sané, Gnabry, Süle und Co.: Sie alle spielen in ihren Vereinen auf Topniveau. Sie alle sollten eigentlich wissen, wie sie das Maximum aus sich herausholen und ihr volles Potenzial ausschöpfen. Der Verdacht nach der gestrigen Partie liegt nahe, dass sie das auch tatsächlich wussten und Flick dennoch hängen ließen.
Die Mannschaft hätte auch gegen Japan gekonnt
So dürfte der 58-Jährige mittlerweile ähnliche Dinge fühlen wie angeblich İlkay Gündoğan. Trauer, Frust und Enttäuschung. Denn die Leistung gegen Frankreich hat gezeigt: Die Mannschaft hätte gegen Japan ebenfalls gekonnt, vielleicht auch bei den anderen Länderspielen in diesem Jahr und möglicherweise sogar bei der WM im vergangenen Dezember. Ob sie wirklich wollte, steht auf einem anderen Blatt.
Letzten Endes führt all das aber wiederum zurück zum Mitleid der Spieler für den zweifelsohne nicht fehlerfreien Flick, dessen Taktiken und Kader-Entscheidungen rund um das Team in den vergangenen Monaten immer mal wieder für Kopfschütteln in der gesamten Nation sorgten. In Kombination mit den schwachen Ergebnissen und den apathischen Auftritten seiner Elf war das Aus für den Bundestrainer unausweichlich. Dennoch: Ein bitterer Beigeschmack wird nach dem Frankreich-Spiel bleiben. Besonders bei Hansi Flick.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Beobachtungen
- Eigene Recherche