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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Flicks Debütanten Ein DFB-Neuling hat direkt hohe EM-Chancen
Sechs Spieler waren zum ersten Mal im Kader der Nationalelf dabei. Doch wie sieht ihre Zukunft beim DFB aus?
Hansi Flick hatte eine knifflige Aufgabe vor sich, als er seinen ersten Kader seit der WM nominierte. Der Bundestrainer wollte 16 Monate vor der Europameisterschaft im eigenen Land möglichst viele neue Eindrücke von Spielern gewinnen, die er bisher noch nicht kannte. Gleichzeitig sollte die Vorbereitung auch der Startpunkt einer EM-Euphorie sein. Flick entschied sich zunächst für fünf neue Gesichter, später wurden es sechs, nachdem der verletzte Armel Bella-Kotchap (FC Southampton) durch Malick Thiaw (AC Mailand) ersetzt wurde.
Kevin Schade (FC Brentford), Marius Wolf (Borussia Dortmund), Josha Vagnoman (VfB Stuttgart), Mergim Berisha (FC Augsburg) und Felix Nmecha (VfL Wolfsburg) waren ebenfalls zum ersten Mal dabei. Die Eindrücke, die das Sextett hinterließ, waren unterschiedlich. Die Einschätzungen von t-online im Überblick:
Malick Thiaw, Innenverteidiger
Der großgewachsene Abwehrmann ist der einzige Neuling, der ohne Einsatz blieb. Dabei überzeugte er Bundestrainer Flick sofort im Training. Schon vor dem Peru-Spiel hob er Thiaw heraus, sagte: "Malick macht das sehr gut. Man merkt bei ihm wirklich, dass er beim AC Mailand den nächsten Schritt gemacht hat. Er ist sehr aufmerksam, sehr selbstbewusst, auch im Ballbesitz guckt er immer, dass er anspielbar ist."
Warum Thiaw nicht zum Einsatz kam, erklärte Flick nicht. Nachdem er gegen Peru auf die Kombination aus starkem Verteidiger (Ginter) und gutem Aufbauspieler (Schlotterbeck) setzte, hatten einige Fans damit gerechnet, dass Thiaw nach Schlotterbecks Abreise seinen Einsatz bekommt. Doch er ging leer aus. Trotzdem heißt das nicht, dass Thiaw keine EM-Chance hat. Der 21-Jährige spielt auf Topniveau in Mailand, steht sogar im Viertelfinale der Champions League. Sein Entwicklungspotenzial ist groß. An Niklas Süle, Nico Schlotterbeck und Antonio Rüdiger kommt er bis zum nächsten Jahr wohl nicht vorbei. Auch Ginter ist in der aktuellen Form schwer zu verdrängen. Aber dahinter könnte sich Thiaw mit Armel Bella-Kotchap ein spannendes Duell liefern – und die WM 2026 fokussieren.
Marius Wolf, Rechtsverteidiger
Die vermutlich größte EM-Hoffnung unter den Neulingen ist der Spieler von Borussia Dortmund. Denn er ist die Akuthilfe. Die WM in Katar zeigte, wie groß die Not hinten rechts ist. Niklas Süle, Thilo Kehrer, Joshua Kimmich. In den drei Gruppenspielen standen drei verschiedene Akteure in der Startelf. Zudem wurde Lukas Klostermann zweimal eingewechselt.
Wolf wäre ein Kandidat, um Konstanz in diese Position zu bringen. In Dortmund ist er aktuell gesetzt und spielt auf hohem Niveau. Und der 27-Jährige wusste gegen Peru zu überzeugen. Er bereitete ein Tor vor und die DFB-Fans wählten ihn zum Spieler des Spiels. Auch Bundestrainer Flick war von seinem Auftritt angetan: "Er hat enorm viel Speed und Dynamik auf der Außenbahn. Das sind Dinge, die wir bei uns brauchen."
Doch gegen Belgien offenbarte er noch einige Schwächen im Defensivspiel. Mit seinem Einsatz und seiner Ausstrahlung könnte Wolf aber für die Heim-EM zu einem Trumpf für Bundestrainer Flick werden. Und die Lernkurve zeigte zuletzt steil nach oben. Seine EM-Chance ist daher hoch.
Josha Vagnoman, Rechtsverteidiger
Der Stuttgarter war die größte Überraschung im deutschen Kader, weil er beim VfB aktuell nur Ersatzspieler ist. Hansi Flick nahm die Kritik auf sich und bekam in Vagnoman laut eigener Aussage das, was er wollte: "Er zeigt das, was wir uns von ihm erwartet haben. Er hat einen bisschen anderen Ansatz, die Rechtsverteidigerposition auszuüben. Das sind die Dinge, die uns gefallen. Deswegen ist er dabei. Wie jeder andere hat er auch Raum, sich noch zu entwickeln."
Auf lange Sicht ist Vagnoman aufgrund seines Potenzials definitiv jemand, der wieder im DFB-Trikot zu sehen sein wird. Doch mit Lukas Klostermann, Benjamin Henrichs oder Jonas Hofmann gibt es weitere Rechtsverteidiger, die Flick sehr schätzt. Vagnomans EM-Chance ist eher gering, auch deshalb, weil er in Stuttgart nur Ersatzkraft ist. Sollte sich daran etwas ändern und er einen Entwicklungssprung machen, kann sich diese natürlich erhöhen.
Felix Nmecha, zentraler Mittelfeldspieler
Auch mit dem Akteur vom VfL Wolfsburg hatten nur wenige Fans gerechnet. Doch Flick sah in dem 22-Jährigen einen Spieler, "der enorme Qualitäten hat". Nachdem er gegen Peru das komplette Spiel noch auf der Bank geblieben war, kam er gegen Belgien bereits nach 32 Minuten auf das Feld – und machte seine Sache ordentlich (t-online-Note 3).
Angesichts dessen, dass mit Julian Brandt und Ilkay Gündogan direkte Konkurrenten fehlten, ist aber auch bei ihm die Perspektive eher eine langfristige. Gerade auch, weil mit Florian Neuhaus von Borussia Mönchengladbach ein weiterer Spieler in naher Zukunft in die Nationalmannschaft drängen könnte. Nmecha hat seine Qualitäten angedeutet und könnte bei einer guten Weiterentwicklung auch für die WM in drei Jahren ein guter Kandidat sein. Die EM käme womöglich aber noch zu früh.
Kevin Schade, Flügelstürmer
Der Außenspieler vom FC Brentford war wohl der Grund, warum Serge Gnabry dabei war und Leroy Sané nicht. Denn vom Spielertyp ähnelt Schade eher Sané als Gnabry. Er kommt über eine gute Kombination aus Tempo und Technik, ließ das auch in beiden Länderspielen als Joker aufblitzen. Bereitete gegen Belgien nach einem starken Sprint das 2:3 durch Gnabry vor.
Schades Potenzial ist zweifellos groß. Und ihm käme sowohl ein System mit zwei Spitzen als auch mit zwei Flügelspielern entgegen. U21-Bundestrainer Antonio Di Salvo lobte die Vielseitigkeit des 21-Jährigen. Dazu kommt er in der Premier League allmählich in Fahrt. Da das Spiel in England auch viel über Intensität, Dynamik und gutes Pressing sowie Gegenpressing funktioniert, könnte ihm das bei der Nationalmannschaft helfen. Aber: Neben Sané zählen auch Adeyemi und zum Teil Moukoko zu seinen Konkurrenten. Für ein EM-Ticket braucht es also mehr als nur einen Stammplatz in Brentford.
Mergim Berisha, Mittelsturm
Jahrelang suchte der DFB verzweifelt einen echten Mittelstürmer. In Niclas Füllkrug hat er ihn nun gefunden. Und in Mergim Berisha nun auch einen potenziellen Herausforderer.
Timo Werner und Youssoufa Moukoko sind andere Spielertypen, Berisha bringt mehr die Qualitäten eines klassischen Mittelstürmers mit.
Flick lobte mehrfach Berishas Eigenschaften im Spiel mit dem Rücken zum Tor, diese zeigte er auch in beiden Länderspielen in Ansätzen. Mit 24 Jahren ist Berisha noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung und könnte auch in Zukunft einen Platz im DFB-Kader finden. Wenn er in Augsburg weiter so viele Tore schießt und vorangeht, könnte er auch einen Platz im EM-Aufgebot erhalten.
- Eigene Beobachtungen