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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Messi bei PSG vorgestellt Der Fußball 2021 hasst Romantiker

Lionel Messi schießt nun im Trikot von Paris St. Germain seine Tore. Der spektakuläre Wechsel ist aber nur Teil einer Entwicklung im Fußball – und liefert eine bittere Erkenntnis.
Da stand er nun im Presseraum des Pariser Prinzenparkstadions, zwischen Klubchef Nasser Al-Khelaifi und Sportdirektor Leonardo, und hielt sein Trikot mit der Rückennummer 30 in die Kameras. Lionel Messi ist bei Paris Saint-Germain angekommen. Es wirkt noch immer surreal. Messi, der vor zwei Tagen noch unter Tränen seinen Abschied vom FC Barcelona bekannt gab, seinem Herzensklub, lächelte und strahlte nun in die Kameraobjektive – fast schon als wäre eine über Jahre aufgetürmte Last von ihm abgefallen. Aus seinen Worten auf der Pressekonferenz wurde klar: Er will nach vorne schauen, nicht zurück auf die zwei Jahrzehnte, in denen er bei den Katalanen gewachsen, gereift und zum Überfußballer geworden ist. Nach vorne, auf seine Zeit in der französischen Hauptstadt.
Der Fußball 2021, er hasst Romantiker mehr denn je.
Dem Vernehmen nach soll Messi in den Verhandlungen mit Barcelona auf die Hälfte seines Gehalts verzichtet haben – auch von dann knappen 50 Millionen Euro soll man ja durchaus leben können – die Vertragsverlängerung war nach Klubangaben trotzdem nicht möglich. Warum er dann nicht einfach eine Saison lang für ein symbolisches Gehalt spielen wollte, um dem Verein, der ihm laut eigenen Aussagen ja so am Herzen liegt, zu helfen?
Aus einfachem Grund: Irgendeiner zahlt dann doch immer, in diesem Fußball 2021. Das ist keine neue, aber eine in den letzten Jahren auf die Spitze getriebene Erkenntnis. So erklärt sich, warum David Alaba trotz hervorragender Situation beim FC Bayern mit größter Dringlichkeit bei Real Madrid unterschreiben musste, so erklärt sich, warum der belgische Torjäger Romelu Lukaku nach zwei erfolgreichen Jahren bei Inter Mailand nun quasi über Nacht zum FC Chelsea will, will, will. Man wolle sich weiterentwickeln, wird dann gerne in blumigen Worten erklärt, oder man sehe beim neuen Klub größere Erfolgschancen.
Der Druck auf Messi wird jetzt so groß wie nie zuvor
Und tatsächlich: Verglichen mit dem Scherbenhaufen Barcelona, einem irrwitzig verschuldeten Klub ohne sichtbaren Lösungsansatz, ohne schlüssiges Konzept, im schlimmsten Fall ohne Zukunft, scheinen die Titelchancen bei PSG ungleich größer für Lionel Messi. "Mein Traum ist es, die Champions League wieder zu gewinnen. Und ich glaube, dass ich mit Paris die besten Chancen habe", erklärte der Superstar folgerichtig bei seiner Vorstellung – und man möchte es ihm irgendwie auch abnehmen.
Allerdings: Der Druck auf den kleinen Argentinier ist jetzt auch so groß wie wohl noch nie in seiner Karriere, bei diesem Klub, der in den letzten Jahren immer wieder den ganz großen Coup knapp verpasst hat und sich nach der Krönung sehnt. Denn was in den Spielzeiten zuvor schon ansatzweise galt, ist nun unbestreitbar: Alles andere als der Titel in der Champions League wäre eine Katastrophe. Für PSG, für Al-Khelaifi, für Trainer Mauricio Pochettino, für Messi selbst.
Ausreden? Gibt es keine. Denn PSG hat vor dem Messi-Spektakel auch noch EM-Star Gianluigi Donnarumma (aktuell wohl der beste Torwart der Welt), die bei Real Madrid nicht mehr gewollte Abwehr-Ikone Sergio Ramos, den früheren Dortmunder Rechtsverteidiger Achraf Hakimi (für 60 Millionen von Inter Mailand) und Niederlande-Kapitän Georginio Wijnaldum (lange Jahre Fixpunkt beim FC Liverpool von Trainer Jürgen Klopp) verpflichtet.
Wenn Lionel Messi also dann in einem knappen Jahr nach dem Finale der Königsklasse in St. Petersburg den Henkelpott in die Höhe stemmen sollte, dann ist es keine Wohlfühlstory, sondern kalkulierter Erfolg, fast schon eine Selbstverständlichkeit, weit weg von Emotionen und Leidenschaft.
Es wäre der nächste Tiefschlag für Fußball-Romantiker.