Von Bayern nach Italien Die einmalige Geschichte des Gianluca Gaudino
Der Weg für eine große Karriere war geebnet. Großes Potenzial, der Trainer als großer Förderer und die Unterstützung der Fans im Rücken. Gianluca Gaudino sollte der nächste Bayern-Star werden. Plötzlich war er weg vom Fenster.
von Benjamin Zurmühl
Freitagabend in der Allianz Arena. Es läuft die 90. Spielminute. Der FC Bayern München führt mit 2:1 beim Eröffnungsspiel der Saison 2014/15 gegen den VfL Wolfsburg. Unter großem Applaus wird der 17-jährige Gianluca Gaudino ausgewechselt. Die Fans sind angetan von der Nummer 16. "Was für ein Debüt", ruft der Stadionsprecher durch das Mikrofon.
"Er kann richtig gut Fußball spielen"
Nach dem Spiel schwärmt Pep Guardiola von Gaudino: "Besser kann man kaum spielen. Es ist nicht einfach, mit 17 in der Allianz Arena aufzulaufen. Er hat ein paar sehr, sehr gute Pässe gespielt." Wer Guardiola kennt, weiß, dass es kaum ein besseres Lob für die Leistung eines Spielers gibt. Matthias Sammer, damaliger Sportvorstand des FC Bayern, pflichtet dem Spanier bei: "Gianluca hat etwas, das schwierig zu lernen ist: Er kann richtig gut Fußball spielen."
Nicht nur aus dem Bayern-Lager gab es Lob. Auch Joachim Löw wurde auf Gaudino aufmerksam. "Er macht seine Sache wirklich gut. Man sieht, dass er eine sehr gute Technik hat", sagte der Bundestrainer. Sieben Bundesliga-Einsätze kamen nach dem Debüt noch auf sein Konto. Mehr nicht. Plötzlich lief Gaudino nur noch in der Regionalliga für den FC Bayern auf.
Über St. Gallen nach Verona
Selbstkritisch erklärt Gaudino sein Scheitern in München. "Als junger Spieler ist man nach einem Durchbruch mit einer großen Erwartungshaltung konfrontiert. Gerade bei Bayern München mit den ganzen Top-Stars um dich herum. Aber es gibt eben auch Phasen, in denen es nicht so läuft und dann spielst du weniger und kannst damit noch nicht so gut umgehen", sagt er im Gespräch mit t-online.de.
Die Entwicklung junger Spieler ist laut Gaudino "von zwei grundlegenden Faktoren abhängig: Hat der Spieler Qualität und ist man bereit, den Spieler einzusetzen?" Guardiola war es im Fall Gaudino nicht mehr. Ein Wechsel musste also her. Auf Leihbasis ging es für den zentralen Mittelfeldspieler in die Schweiz nach St. Gallen.
Anderthalb Jahre spielte er dort, häufig von Beginn an. Spielerisch war es für ihn kein Schritt nach vorne, sagt Gaudino. Doch er ist reifer geworden, hat außerhalb des Platzes viel gelernt. Im Sommer 2017 war das Leihgeschäft vorbei. Carlo Ancelotti plante nicht mit Gaudino. Nächste Station: Verona.
Der Traum von Italien
Bei Chievo Verona unterschrieb der inzwischen 20-Jährige einen Vertrag bis 2021. "Für mich war das der nächste logische Schritt. Die Serie A ist besser als die Liga in der Schweiz", sagt Gaudino gegenüber t-online.de. "Ich mag die Wärme und die Sonne, deshalb war es immer ein Traum, in Italien oder Spanien zu spielen." Voller Motivation startet Gaudino ins Abenteuer Serie A. Ausgestattet mit der Nummer 10 geht er engagiert in die Vorbereitung. Doch dann der Rückschlag kurz vor dem Saisonstart: Lungenentzündung – drei Wochen Pause.
"Durch die Erkrankung ist mir leider einiges an Fitness verloren gegangen", ärgert sich Gaudino. Doch er lässt sich nicht von seinem Ziel abbringen, will sich durchsetzen. So, wie es ihm sein prominenter Vater empfohlen hatte, der frühere Nationalspieler Maurizio. Ende September steht Gianluca erstmals in Italien auf dem Platz, unterstützt die zweite Mannschaft gegen die von Inter Mailand. Eine Woche später sitzt er bei den Profis auf der Bank in Turin.
Einer wie Thiago
Auf seinen ersten Einsatz für die erste Mannschaft von Chievo muss er noch warten. Das Mittelfeld von Verona ist gut besetzt und weiß bisher zu überzeugen. Doch Gaudino wird seine Chance bekommen und muss sich dann beweisen. Den richtigen Lehrmeister dafür hatte er in München. "Von Pep Guardiola konnte man nur lernen. Das hat man ja auch an den anderen Spielern gesehen, wie stark man bei ihm geschult wurde", sagt Gaudino.
Auch bei seinen Mittelfeld-Kollegen hat er genauer hingesehen. "Beim Passspiel von Xabi Alonso konnte ich viel lernen, aber ich bin ja ein etwas verspielterer Typ. Von daher habe ich mir von Thiago viel abgeschaut." Die schnellen Bewegungen, das gute Passspiel, die Qualitäten im Dribbling. Tatsächlich gibt es ein paar Ähnlichkeiten im Spiel bei Gaudino und Thiago.
Auch wenn Thiago mit seinen Qualitäten in einer anderen Liga spielt, ist das Potenzial von Gianluca Gaudino unbestritten groß. Das werden Joachim Löw, Pep Guardiola und Matthias Sammer wahrscheinlich auch heute noch so sehen. Doch Gaudino muss in Verona mehr denn je zeigen, dass er "richtig gut Fußball spielen" kann.